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Gesundheit
Oberösterreich
16.05.2022

„Wir haben einen Grundfehler in der Konzeption gemacht“

In seiner Rede im Rahmen des 18. Forum Hospital Management der Vinzenz Gruppe lieferte Rudolf Anschober persönliche Einblicke in seine Zeit als Gesundheitsminister und erklärte, welche Fehler man bei den Pandemiewellen der Zukunft nicht mehr machen sollte.

Ein Sommer wie damals, gefolgt von einem Herbst mit hartem Lockdown. Dies ist eines von mehreren Szenarien, das die Mitglieder der Forschungsplattform Covid-19 Future Operations für möglich halten. In einem aktuellen Arbeitspapier warnen die Forscher davor, im Pandemiemanagement weiterhin „auf Sicht zu fahren“ und nicht aus vergangenen Fehlern zu lernen. 

Für den durchaus realistischen Fall, dass man es künftig mit einem Virustyp zu tun hat, der "ähnlich infektiös und immunschutzumgehend wie Omikron, aber auch ähnlich virulent wie Delta" ist, bestehe "die Möglichkeit eines mehrwöchigen Lockdowns", so die Experten und Expertinnen, zu denen unter anderen der Komplexitätsforscher Peter Klimek und Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien zählen.

Zur Umsetzung von möglichen harten Maßnahmen brauche es klar definierte und kommunizierte Ziele und keinen „Länderfleckerlteppich“ wie in der Vergangenheit. Auch raten die Experten zu einer Reflexion der letzten beiden Jahre samt Fehleranalyse. Einen Teil dieser Arbeit hat der ehemalige Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober mit seinem Buch „Pandemia“ bereits vorgelegt. 

Einblicke und Aussichten einer Pandemie

Ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt präsentierte er die „Innenansicht eines Ausnahmezustandes“. Darin beleuchtet er zum einen die persönlichen Herausforderungen, mit denen man im Pandemie-Alltag konfrontiert ist und bedient sich dabei der Sicht von anonymisierten Protagonisten. Zum anderen zieht er Bilanz und analysiert das Pandemie-Management in einer der größten Krisen des 21. Jahrhunderts. 

„Für mich war es gut, das ein bisschen aufzuarbeiten und mir anzuschauen, wie sich einzelne Verordnungen tatsächlich ausgewirkt haben. Das ist mit ein Problem im politischen Arbeiten, dass es dafür ganz einfach keine Zeit mehr gibt. Man hat nie die Möglichkeit zu verifizieren, sind es die richtigen Maßnahmen? Kann ich etwas optimieren, wenn ich Fehler gemacht habe? Und die macht jeder, gerade in einer Pandemie.“ Diese Erklärung lieferte Anschober im Rahmen des diesjährigen Forum Hospital Management der Vinzenz Gruppe.

Ihn persönlich führte diese Krise als Verantwortlicher eines Schlüsselressorts zur Überlastung und schließlich zum Rücktritt. „Ich hätte einen Teil des Ressorts für die Dauer der Pandemie an einen Kollegen oder eine Kollegin weitergeben müssen“, gesteht sich der Ex-Minister ein. „Das ist in manchen europäischen Staaten auch so praktiziert worden. Aber auf die Idee sind wir nicht gekommen, auch bis zum heutigen Tag nicht.“

"Ich hätte einen Teil des Ressorts für die Dauer der Pandemie an einen Kollegen oder eine Kollegin weitergeben müssen", gesteht sich Ex-Minister Anschober ein.

Ein Grundfehler in der Konzeption

In seiner Rede mit dem Titel „Pandemia. Einblicke, Aussichten und Learnings“ gab sich der Ex-Minister sichtlich gelöst und lieferte eine Reihe an persönlichen Einblicken in seinen Arbeitsalltag. Besonders aufgerieben habe ihn vor allem ein Manko, das er dem Krisenmanagement attestiert: „Wir haben einen Grundfehler in der Konzeption gemacht. Wir haben in einer Pandemie, die eine globale Herausforderung darstellt, nationale Lösungsversuche entwickelt – teilweise dann sogar regionale.“

Damit warnt Anschober, ebenso wie die Experten von Future Operations, vor diesem „Fleckerlteppich“, der durch regional unterschiedliche Maßnahmen entstanden ist. „Ich bin ein großer Freund des Föderalismus, aber in einer Krisensituation halte ich das nicht für erstrebenswert. Es ist für den einzelnen Menschen ganz schwierig, wenn er in den Medien sieht, hundert Kilometer weiter gibt es eine ganz andere Vorgangsweise, obwohl das Virus dasselbe ist.“

Plädoyer für eine europäische Lösung

Stattdessen plädiert der langjährige Politiker und Krisenautor für eine länderübergreifende Lösung. "Ich glaube, wir brauchen europäische Standards und eine europäische Strategie. Wir brauchen viel mehr Gleichklang, also eine Professionalisierung auf europäischer Ebene, und ein bisschen weniger Regionalität“, schließt Anschober.

Weitere Details zu seiner "Strategie, wie wir diese Pandemie und jene, die in Zukunft auf uns zukommen, kontrollieren können“ liefert der Ex-Gesundheitsminister in seinem Buch „Pandemia“ (Zsolnay Verlag), das er gerade in einer österreichweiten Lesereise präsentiert.

Text: Gertraud Gerst; Foto: Rudolf Anschober; Cover: Zsolnay-Verlag

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