App soll Corona stoppen
Die Regierung setzt auf die „Stopp Corona“-App, um nach Lockerung der restriktiven Maßnahmen einer neuerlichen Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Wie funktioniert die App des Roten Kreuzes? Und was kann sie im Kampf gegen COVID-19 bringen?
Dass die Zeit nach dem strengen Lock-Down eine besonders heikle Phase in einer Pandemie-Krise ist, darüber sind sich alle Experten einig. Um einen weiteren Schaden für die Wirtschaft, aber auch für die reguläre Krankenversorgung zu verhindern, braucht es wohlüberlebte Strategien und effektive Tools. Dabei gilt es, eine zweite Ansteckungswelle zu verhindern und Infektionsketten möglichst rasch zu unterbrechen. Laut einer neuen Studie der Universität Oxford passieren 45 Prozent aller Ansteckungen mit Sars-CoV-2 noch bevor der Virusüberträger Symptome bemerkt. Ein analoges Tracking der Kontakte hinkt der Ausbreitung daher immer zu viele Schritte hinterher. Europaweit setzen Regierungen deshalb auf digitale Tracking-Tools. So ein Tool ist die „Stopp Corona“-App des Österreichischen Roten Kreuzes.
In den digitalen Download-Stores konnte die App bislang nur eine Gesamtbewertung zwischen 2 und 3 Sternen erreichen. Eine Benotung, die nicht gerade das Vertrauen in die App weckt. Doch die schlechten Kritiken bezogen sich darauf, dass die Kontakterfassung anfangs manuell erfolgen musste. Das heißt, bei allen Leuten, denen man begegnete, musste aktiv ein Kontakt in der App eingetragen werden. Dies bei fremden Menschen zu tun, sei in der Praxis eher unwahrscheinlich, kritisierten User zu Recht. Doch seit 9. April 2020 steht eine neue Version der Anwendung bereit, die Begegnungen automatisch und anonymisiert speichert.
Der digitale Handshake
Kernstück der App, die vom Roten Kreuz und der Beraterfirma Accenture entwickelt und bislang rund 300.000 mal downgeloaded wurde, ist ein Kontakttagebuch. Darin sind alle physischen Begegnungen eines Users mit anderen App-Nutzern verzeichnet, die länger als 15 Minuten andauern und einen Abstand von zwei Metern unterschreiten. Dazu muss der automatische Handshake in der App aktiviert sein, der über Bluetooth-Signale mit Geräten in der Umgebung kommuniziert. Voraussetzung dafür ist, dass auf anderen Geräten auch die App installiert und der automatische Handshake aktiviert ist. Eine zusätzliche manuelle Kontrolle des Handshakes wird allerdings dennoch empfohlen, da nicht alle Geräte und Betriebssysteme unterstützt werden.
Automatisches Frühwarnsystem
Treten bei einem Nutzer dann Symptome einer Corona-Erkrankung auf oder wird eine Infektion durch einen Arzt bestätigt, kann der User eine anonymisierte Meldung über die App abgeben. Danach werden alle Personen, zu denen in den letzten 48 Stunden ein infektionsgefährlicher Kontakt bestand, gebeten, sich selbst zu isolieren. „Damit kann ich meine Freunde, meine Arbeitskollegen und -kolleginnen und meine Familie vor einer weiteren Infektion schützen, weil ich die Informationen habe, bevor ich selbst noch infektiös werde“, erklärt Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des ÖRK, den Vorteil der App.
User, die eine derartige Warnung über die App erhalten, werden aufgefordert, zuhause zu bleiben und beim Einsetzen von Symptomen den Hausarzt telefonisch zu kontaktieren. Alternativ kann die Corona-Hotline 1450 angerufen werden. Auf keinen Fall sollten diese Menschen persönlich einen Arzt aufsuchen oder ins Krankenhaus fahren. Mithilfe dieses Frühwarnsystems will die „Stopp Corona“-App dazu beitragen, die Infektionskette im Fall einer Infizierung mit Sars-Cov-2 schnellstmöglich zu unterbrechen, wie es heißt.
Wie steht es mit dem Datenschutz?
Die „Stopp Corona“-App wurde nach dem von Datenschützern vielfach geforderten Prinzip Privacy by Design entwickelt. Dabei gibt es kein direktes Tracking, sondern jeder User hat eine eigene ID-Nummer, die per Zufall generiert wird. Diese ID wird bei einem digitalen Handshake mit anderen App-Nutzern ausgetauscht. Die partizipierenden Smartphones erkennen einander und speichern bei einem potenziell infektiösen Kontakt die ID des anderen ab. Dadurch wird eine anonyme Nutzung der App gewährleistet, wie auch von externen Datenschutzexperten bestätigt wird.
„Diese App ist der Datenschutz-Champion Europas“, sagt Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des ÖRK.
Lediglich beim Versenden einer Meldung über den Verdacht oder die Bestätigung einer Infektion wird die Telefonnummer des Users abgefragt, um einen Missbrauch dieser Funktion zu verhindern. Dabei wird die Nummer verschlüsselt auf einem Server für 30 Tage gespeichert, und danach gelöscht, wie es auf der Website des Roten Kreuzes heißt. „Daher ist diese App der Datenschutz-Champion Europas“, sagt Gerry Foitik. Auch der externe Datenschutzbeauftragte Christof Tschohl bestätigt: „Wahrscheinlich wurde noch nie zuvor eine App so genau geprüft.“
Datenschützer fordern Quellcode
Datenschützer sehen allerdings nach wie vor Schwachpunkte in der Anwendung. Bemängelt wird, dass hier eine öffentliche App privat finanziert wird, nämlich durch eine Spende der Uniqa-Privatstiftung, und dass die Daten in der Microsoft Azur-Cloud – die der US-Gesetzgebung unterliegt – gehostet werden. Damit Daten nicht von Dritten abgegriffen werden können, war für Tschohl bei der Programmierung von Anfang an klar: „Wir müssen es so bauen, dass nur das möglich ist, was wir wollen.“
Eine weitere Forderung von Datenschützern ist die Offenlegung des Quellcodes der App, sodass er von unabhängigen Experten geprüft werden kann. Ein Vorhaben, das vom Roten Kreuz bereits in Planung ist. Jedoch werde dies noch etwas dauern, wie es heißt. Die App wurde sehr kurzfristig programmiert, und es fehle derzeit noch an der notwendigen Dokumentation für einen entsprechenden Open Source-Launch. Ein frei verfügbarer Quellcode kann laut Datenschützern zudem einen sinnvollen Beitrag zur internationalen Kooperation in dieser weltweiten Krise leisten.
Text: Gertraud Gerst; Bild: pixabay.com (Gerd Altmann)