Ein Tropfen Blut für die rasche Diagnose
Mit aufwändigen Laborproben vergeht oft wertvolle Zeit, bis Patientinnen und Patienten die richtige Behandlung erhalten. Die oberösterreichische Genspeed Biotech GmbH hat die Lösung gefunden - einen Schnelltest, der die Einschätzung des Risikos einer akuten oder chronischen Erkrankung innerhalb weniger Minuten ermöglicht.
Wenn nur ein Tropfen Blut für eine rasche Diagnose innerhalb von zehn Minuten ausreicht – warum gibt es diese Erfindung nicht schon längst? „Das wäre schön, wenn alles so schnell gehen würde“, sagt Max Sonnleitner und schmunzelt. Er ist Geschäftsführer der Genspeed GmbH in Rainbach im Mühlkreis, einem Spin-off der Greiner Bio-One. „Entwicklungen dieser Art nehmen zwischen fünf und zehn Jahre Forschungsarbeit in Anspruch. Danach ist aber immer noch nicht garantiert, dass sie die Marktreife bekommen.“
Point-of-Care klingt an sich simpel. Diese patientennahe Labordiagnostik eignet sich für den Einsatz im Krankenwagen, in Krankenhäusern und in Arztpraxen. „Die Point of Care-Technologie entstand schon in den 1990er-Jahren“, erzählt Sonnleitner. „Mit Mikrofluidik hat man versucht, das Probenvolumen zu verringern. Bemerkenswert war für mich schon in meiner Zeit in der Biomedizin-Forschung: Die angewandten Forschungsbereiche sind immer an der Grenze zwischen akademischer und angewandter Forschung.“ Das hat dem engagierten Biophysiker allerdings nicht gereicht. „Mein persönliches Ziel war immer, etwas in der Diagnostik zu entwickeln, das dem Patienten hilft.“
Kleine Chips ohne großes Gerät
Als er 2006 zu einem Start-up gewechselt war, wo man erstmals versucht hat, Fotodioden direkt auf mikrofluidische Biochips aufzudrucken – also dieselbe Idee, anders umgesetzt –, änderte sich bereits das Wesentliche. „Damit hat man nicht mehr die bis dahin notwendigen großen optischen Geräte gebraucht, um etwas auszulesen“, erklärt Sonnleitner. Das hat gut funktioniert, 2007 wurden die Jungunternehmer dafür vom Wall Street Journal ausgezeichnet. Sonnleitner war als Manager oft in der Zweigstelle in Palo Alto. Nach drei Jahren allerdings ging das Geld aus.
„Wir hatten damals schon ein Projekt mit Greiner Bio-One in Oberösterreich laufen“, sagt Sonnleitner und erinnert sich noch genau an den Moment, als ihn der damalige Geschäftsführer von Greiner Bio-One Franz Konrad 2009 samt dem fünfköpfigen Team zu sich holte. Dann fing es so richtig an. „Ich erhielt den Auftrag, ein Point-of-care System zu entwickeln. Das ist ja nichts anderes als Lab-on-chip: Man versucht, ein gesamtes Labor auf einen Chip zu bringen.“ Nun machen das natürlich viele, aber es war immer noch ein großer Kasten notwendig, um die Ergebnisse auszulesen. Sonnleitner befand schon damals: „Das ist vielmehr ein Chip-in-a-Lab als umgekehrt – und damit ist man weit weg vom Point of Care.“
Zehn Jahre nutzte das Team, um das Projekt soweit zu entwickeln, dass es nun in Krankenhäusern steht, aber auch in Zahnarztpraxen zur Schnellerkennung von Paradontitis. Die Methode wird auch Firmen angeboten, um jeden Test, der üblicherweise mit teuren Laborgeräten zwischen zwei und vier Stunden dauert, nun in kürzester Zeit auch mit mehreren Parametern durchführen zu können. Damit sind sie zwar nicht die einzigen, aber „wir sind die einzigen, die preislich vergleichbar mit einem Schwangerschaftstest mithalten können“.
Der Chip ist sehr simpel aufgebaut: Alles, was in den Chip einfließt, wird ohne die sonst notwendige Pumpe durch Kapillarkräfte durchgezogen – das macht das System so günstig. Während der Schwangerschaftstest etwa nur Ja/Nein-Antworten ergibt, erkennt dieses System Konzentrationen bis zu acht Markern, wichtig bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das soll sich bis zu 20 Markern steigern.
Testchip für schnelle Ergebnisse
Eine Firma, denen die findigen Forscher ihre Technologie angeboten haben, ist Virogates in Dänemark. „Die haben einen Marker gefunden, der Aufschluss über den allgemeinen Gesundheitszustand gibt“, sagt Sonnleitner. „Die Idee ist ein Testchip, der künftig gleichzeitig die Konzentration von CRP und suPAR ermittelt.“ Der Eiweißstoff CRP ist bei akuten Entzündungen erhöht, während ein erhöhter suPAR-Wert im Blut chronische Krankheitszustände anzeigt. Perfekt einsetzbar wäre die Technologie beispielsweise auch in der Krebstherapie. „Dann kann der Hausarzt sofort austesten, ob das Medikament beim Patienten anschlägt und bei Bedarf die Dosierung anpassen.“
Genspeed ist stark in internationale Forschungsprojekte involviert und verfolgt drei Schienen: erstens Kooperationen wie jene mit Virogates, bei denen Firmen Labortests auf die Genspeed-Plattform bringen, um sie für die Vorortdiagnostik verwendbar zu machen, weiters der Parodontitis-Schnelltest für Zahnarztpraxen – nach 17 Minuten schon kennt man das Ergebnis! – und schließlich die antibiotikaresistenten Krankenhauskeime.
Der Schwerpunkt liegt derzeit natürlich stark auf den Schnelltests. Was jetzt noch zählt, ist enormes Durchhaltevermögen alleine bei den Regulatorien und Dokumenten, die solche Entwicklungen verlangsamen. Das andere ist die „killer application“, wie Sonnleitner sagt: „Man entwickelt eine Technologie und sucht erst nachher, wofür es die Kunden eigentlich brauchen. Da helfen Marktanalysen nur wenig. Unwägbarkeiten wie die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen etwa lassen sich nicht absehen.“
Text: Claudia Werner; Bilder: Indrich Fotografie, Gerhard Wagner
Max Sonnleitner, Dr.
Geschäftsführer der Genspeed Biotech GmbH
Sonnleitner promovierte in Linz in Biophysik und setzte sich dabei intensiv mit Fluoreszenzmikroskopie auseinander. Da er keine akademische Laufbahn einschlagen wollte, arbeitete er einige Jahre in der Biomedizinischen Forschung bei Upper Austrian Research. 2006 ging er zum österreichischen Start-up Nanoident mit US-Tochterfirma Bioident, wo er als Chief Technology Officer tätig war. 2009 holte ihn Franz Konrad, der damalige Geschäftsführer der Greiner Bio-One, zum Unternehmen – mit dem Auftrag, ein Point-of-Care-System zu entwickeln. 2016 kam es zum Spin-off und die Genspeed Biotech GmbH war gegründet, als deren Geschäftsführer Sonnleitner fungiert. Außerdem hält er Vorlesungen zu In-Vitro-Diagnostik an der FH für Medizintechnik in Linz.