Bürokratie behindert die ärztliche Ausbildung
Eine aktuelle Evaluierung der Österreichischen Ärztekammer zeigt ein alarmierendes Missverhältnis auf: Mehr als die Hälfte der Arbeitszeit von Ärzt*innen in Ausbildung wird für administrative Aufgaben aufgewendet. Dies führt nicht nur zu Frustration, sondern gefährdet auch die Qualität der Patient*innenversorgung.
Die ärztliche Ausbildung in Österreich steht vor einer großen Herausforderung. Wie die Ausbildungsevaluierung 2024 der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) in Kooperation mit der ETH Zürich zeigt, nimmt die Bürokratie inzwischen einen erheblichen Teil der Arbeitszeit der jungen Mediziner*innen ein. 51,6 Prozent der gesamten Arbeitszeit von Ärzt*innen in Ausbildung entfällt auf administrative Aufgaben und Dokumentation. Das eigentliche Ziel – eine qualitativ hochwertige Ausbildung und Patient*innenversorgung – tritt zunehmend in den Hintergrund, warnt die Ärztekammer.
Bürokratie statt Patient*innenversorgung
„Mehr als 77 Prozent der Befragten geben an, dass die Bürokratie ihre Ausbildung erheblich behindert,“ fasst Harald Mayer, Vizepräsident der ÖÄK, die Ergebnisse zusammen. 76 Prozent der Ärzt*innen fühlen sich durch administrative Aufgaben in ihrer Patient*innenarbeit eingeschränkt. Die Forderung nach Unterstützung durch Dokumentationsassistent*innen bleibt seit Jahren unerfüllt.
Für die jungen Ärzt*innen bedeutet dies, dass sie statt klinischen Tätigkeiten wie Visiten oder Untersuchungen überwiegend bürokratische Aufgaben übernehmen müssen. „Von den im Schnitt geleisteten 47,4 Wochenstunden entfallen 24,5 auf Administration,“ betont Natalja Haninger-Vacariu, stellvertretende Kurienobfrau und Vertreterin der Turnusärzt*innen. „Das ist nicht nur frustrierend für die Mediziner*innen, sondern wirkt sich auch negativ auf die Versorgung der Patient*innen aus.“
Eine Abwärtsspirale der Frustration
Durch die hohe Belastung mit nicht-medizinischen Aufgaben steige die Frustration beimärztlichen Nachwuchs, so die Ärztekammer – bis hin zum Ausstieg aus dem Gesundheitssystem. Viele junge Ärzt*innen überlegen sich, ob der Beruf in seiner aktuellen Form noch attraktiv ist. Mayer warnt : „Wenn dieser Trend anhält, wird es langfristig zu einem ernsthaften Mangel an qualifizierten Ärzt*innen kommen.“
Neben dem administrativen Mehraufwand verschärft auch der Personalmangel in den Krankenhäusern die Situation. Bettensperren und nächtelange Telefonate auf der Suche nach freien Kapazitäten sind inzwischen Alltag. Diese Negativspirale führt dazu, dass immer weniger Zeit für das Wesentliche bleibt: die Behandlung und Betreuung der Patient*innen.
Eine mögliche Lösung zur Entlastung der Ärzteschaft könnte der Einsatz digitaler Tools sein. Doch auch hier zeigt die Evaluierung deutliche Defizite. In puncto digitale Infrastruktur erhielt Österreichs Spitalswesen lediglich die Note 4,82 auf einer Skala von 1 bis 6.
Forderung nach Entbürokratisierung
Die Forderung der Ärztekammer: Entlastung von bürokratischen Aufgaben, um den Ärzt*innen wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Tätigkeit zu geben. „Die Politik muss endlich handeln und Maßnahmen zur Entbürokratisierung ergreifen,“ fordert Mayer.
Quelle: Pressemitteilung der Österreichischen Ärztekammer, 16.10.24
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