INnovation
Gesundheit
Österreich
16.03.2023

"Es ist eine Arbeit, die Sinn macht"

Durch den demografischen Wandel, aber auch weil sich Krebs zunehmend zu einer chronischen Krankheit entwickelt, werden die von den onkologischen Fachabteilungen zu bewältigenden Fallzahlen in naher Zukunft beträchtlich steigen. Die Einbindung von Cancer Nurses in multidisziplinäre Tumorboards kann die Versorgung optimieren. Petra Klambauer ist Cancer Nurse in der hämato-onkologischen Tagesklinik des Ordensklinikums Linz Elisabethinen. Im Gespräch mit INGO erklärt sie die Aufgaben dieser topausgebildeten Pflegespezialist*innen.

Frau Klambauer, was macht eigentlich eine Cancer Nurse? 

Petra Klambauer: Cancer Nurses sind Pflegespezialist*innen, die über fundiertes Fachwissen zu den oft komplexen und multimodalen Krebsbehandlungen und deren Nebenwirkungen verfügen. Sie wissen, welche Probleme bei den einzelnen Therapieformen auftreten können und was man dagegen tun kann. Heutzutage werden Chemotherapien auf verschiedene Weise verabreicht: nicht nur intravenös und subkutan, sondern auch oral. Somit unterscheiden sich auch die Nebenwirkungen und Strategien, mit ihnen umzugehen.

Cancer Nurses gehen immer auf die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen ein. In jeder Phase der Behandlung stehen sie ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Mitunter fungieren sie auch ein bisschen wie Übersetzer*innen: Sie können Fachbegriffe und Details erklären, die die Patient*innen vielleicht beim ärztlichen Aufklärungsgespräch nicht gut verstanden oder sich nicht gemerkt haben. Nicht zuletzt sind Cancer Nurses eine Schnittstelle zwischen den Mediziner*innen, Patient*innen, Angehörigen und anderen während des Behandlungs- und Nachsorgeprozesses integrierten Gesundheitsberufen. Entsprechend wichtig ist die Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Ein multidisziplinäres Team funktioniert optimal, wenn jede*r weiß, was die anderen machen. 

Sie selbst arbeiten als Cancer Nurse in der hämato-onkologischen Tagesklinik am Ordensklinikum Linz Elisabethinen. Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?

Einerseits gehe ich direkt auf die Patient*innen der Tagesklinik zu und frage sie, wie es ihnen mit der Therapie geht, ob es Probleme gibt oder ob sie im Behandlungsverlauf Veränderungen wahrnehmen. So stelle ich fest, welchen Unterstützungsbedarf sie haben. Menschen, die bereits längere Zeit in Behandlung sind, erkennen mich oft schon und wissen, dass sie mit ihren Fragen auf mich zukommen können. Neuen Patient*innen stelle ich mich vor.

Andererseits stehe ich aber auch im Rahmen eines Pflegekonsils für Beratungen zur Verfügung. Das heißt, ich kann auf Zuweisung der Ärzt*innen hinzugezogen werden, um bei bestimmten Fragestellungen zu helfen. Im Prinzip führe ich sehr viele Gespräche, informiere die Betroffenen, gehe auf ihre Anliegen ein, gebe evidenzbasierte Ratschläge. Darüber hinaus halte ich Basisschulungen für alle neuen Pflegemitarbeiter*innen auf onkologierelevanten Stationen ab und erstelle Leitlinien für sie. Das ist eine Maßnahme, die das Ordensklinikum Linz Elisabethinen setzt, um Krebspatient*innen eine rundum gute Versorgung zu bieten. Seit März verstärken auch zwei weitere Cancer Nurses die hämato-onkologische Tagesklinik. 

Wie wird man Cancer Nurse?

Grundsätzlich ist eine Cancer Nurse eine diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson mit Berufserfahrung, die eine Zusatzausbildung für Onkologie absolviert hat. Diese ist in Österreich leider noch nicht einheitlich geregelt. Ich selbst habe meine Zusatzausbildung am Vinzentinum Linz gemacht. Immer mehr im Kommen sind auch Masterstudien in Advanced Nursing Practice (ANP), in deren Rahmen man sich ebenfalls auf Cancer Nursing spezialisieren kann. Akademische Spezialisierungen in der Pflege sind ein Zukunftsthema, denn der Einsatz spezialisierter gehobener Pflegekräfte ist in vielen Bereichen sinnvoll. Ich selbst mache zurzeit nebenberuflich eine Masterausbildung in Advanced Nursing Counseling, um meine Beratungskompetenzen noch weiter zu stärken. Das wird von der Klinikleitung sehr unterstützt, denn je besser die Mitarbeiter*innen ausgebildet sind, desto besser ist die Onkologie des Hauses aufgestellt. 

"Akademische Spezialisierungen in der Pflege sind ein Zukunftsthema, denn der Einsatz spezialisierter gehobener Pflegekräfte ist in vielen Bereichen sinnvoll."

Was sind die häufigsten Probleme, mit denen Krebspatient*innen zu kämpfen haben?

Zu den Hauptthemen zählen Appetitlosigkeit, Geschmacksverlust, Übelkeit und Fatigue. Letzteres ist eine chronische Müdigkeit, die durch Ausruhen nicht besser wird. 

Was ist während einer Chemotherapie oder auch anderen Therapieformen besonders wichtig? Was sollen die Patient*innen beachten?

Selbstbeobachtung ist etwas sehr Wesentliches. Die Patient*innen werden zwar über die möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt, aber sie sollten auch wissen, wie sie am besten damit umgehen können beziehungsweise ab welchem Punkt es besser ist, Kontakt zum Spital aufzunehmen. Manchen Menschen kann ein Behandlungstagebuch helfen. Durch Notizen können sie recht gut feststellen, zu welchen Zeiten sie beispielsweise das Essen besser vertragen oder wann die Fatigue besonders stark ist. Auf Basis solcher Erfahrungswerte lässt sich der Tag besser einteilen.

Wichtig ist auch eine gute Mundhygiene, denn durch die Therapien verschlechtern sich die Blutwerte und die Immunabwehr, da kann es leicht zu Entzündungen in der Mundschleimhaut kommen. Eine gute Vorbeugung sind spezielle Mundpflegeprodukte, aber auch häufige Mundspülungen mit Wasser oder Kochsalzlösung. Ich gebe auch Tipps, welche Hautpflege bei Rötungen und Juckreiz rund um Einstichstellen gut wirkt. Es geht immer darum, während der Therapie die bestmögliche Lebensqualität zu erreichen. 

Welchen Stellenwert hat die Ernährung? Ist das auch ein Thema in Ihrer Arbeit?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt zum Beispiel rezeptfrei erhältliche Zusatznahrung. Gerade wer wenig isst, sollte sich bewusst aufpäppeln und auf genügend Eiweiß und Kalorien achten. Da gibt es viele Tipps, zum Beispiel Cremesuppen mit ein bisschen Schlagobers anzureichern oder Joghurt mit hohem Fettgehalt zu bevorzugen. Auf Fett sollte man nicht verzichten.

Ist Cancer Nurse ein Beruf mit Zukunft?

Ja absolut. Durch die Fortschritte in der Medizin wird Krebs zunehmend zu einer chronischen Krankheit. Die Überlebenschancen werden immer besser, das medizinische Regime dadurch aber auch langfristiger. Gleichzeitig nimmt aufgrund der alternden Bevölkerung die Anzahl der Krebspatient*innen zu, sprich wir haben mehr Menschen in Behandlung. Heutzutage sind die Krankenhausaufenthalte außerdem kürzer, es wird zwangsläufig viel ökonomischer mit Spitalsbetten umgegangen als früher. Dadurch sind die Patient*innen mehr auf sich allein gestellt. Die zusätzliche Unterstützung ist also wirklich relevant. Cancer Nurses können dafür sorgen, dass die Patient*innen zu Hause besser zurechtkommen. Orale Krebstherapien zum Beispiel haben zwar viele Vorteile wie die Vermeidung von Venenpunktionen, bergen aber auch die Gefahr, dass die Medikamente nicht richtig eingenommen werden.

"Cancer Nurses können dafür sorgen, dass die Patient*innen zu Hause besser zurechtkommen."

Wie können Sie den Patient*innen helfen, Fehleinnahmen zu vermeiden?

Durch kontinuierliche Aufklärung und Nachhaken. Als Cancer Nurse gehört es zu meinen Aufgaben, den Patient*innen die Medikation genau zu erklären. Ich sage ihnen, wie und wann sie ihre Arzneien einnehmen müssen, was dabei zu beachten ist und was sie tun sollen, wenn sie es einmal vergessen haben. Als Gedächtnisstütze bekommen sie sehr gute Informationsblätter mit, die laienverständlich aufbereitet sind. Ich bespreche mit ihnen sämtliche Nebenwirkungsstrategien. Zusätzlich vergewissere ich mich durch gezieltes Nachfragen, dass sie auch alles richtig verstanden haben. 

Wie reagieren die Patient*innen darauf, für solche Dinge eine eigene kompetente Ansprechpartnerin zu haben?

Die Patient*innen sind in einer sehr belastenden Situation. Besonders zu Beginn stürmt vieles auf sie ein. Sie brauchen Zeit, um die Diagnose und die Fülle an Informationen zu verarbeiten, haben Sorgen und Ängste. Im Allgemeinen stelle ich fest, dass sie sehr froh sind, dass eine Ansprechperson da ist, die sich im Behandlungsalltag ausreichend Zeit für sie nehmen kann. 

Welche positiven Outcomes hat die Verfügbarkeit von Cancer Nurses in Kliniken? 

Auf jeden Fall ein verbessertes Symptom- und Selbstmanagement. Die Unterstützung durch eine Cancer Nurse gibt den Patient*innen mehr Sicherheit. Sie lernen, was sie selbst beitragen können, um bestmöglich durch den Alltag zu kommen, bekommen ausreichend Informationen und Tipps mit auf den Weg. Auch die Schnittstellenfunktion der Cancer Nurses ist ein großer Vorteil. Wenn jemand zum Beispiel große Probleme mit der Ernährung hat, kann ich sogleich den Kontakt mit der Diätologin herstellen. Oder mit der Sozialarbeiterin, wenn es um Fragen zur Berufstätigkeit geht. Das ist oft bei jüngeren Patient*innen der Fall. Die Erkrankung bringt vielfältige psychosoziale Aspekte mit sich, die wir keinesfalls vernachlässigen.

Warum haben Sie diese Spezialisierung gewählt?

Ich wollte mich grundsätzlich gerne weiterbilden und spezialisieren. An der Arbeit als Cancer Nurse hat mich das Miteinander der verschiedenen Berufsgruppen gereizt. Es gefällt mir auch sehr, dass man die Zeit hat, individuell auf die Patient*innen einzugehen.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Das lebenslange Lernen. Es gibt in der Onkologie laufend neue Entwicklungen und man muss sich wirklich dahinterklemmen, um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Etwa durch Fort- und Weiterbildungen, aber auch durch die Teamgespräche mit den Mediziner*innen. Abgesehen davon verfolgen Cancer Nurses natürlich auch die neuesten Erkenntnisse in den Fächern der anderen Berufsgruppen, etwa in der Diätologie. 

Was gibt Ihnen Kraft für Ihre Arbeit?

Ich merke immer wieder, wie viel eine gute Unterstützung bewirken kann. Wenn eine Maßnahme deutliche Verbesserungen bringt, freue ich mich. Ich bekomme auch so viel Positives zurück von den Patient*innen. Es ist einfach eine Arbeit, die Sinn macht. 

Interview: Uschi Sorz; Foto: Ordensklinikum Linz Elisabethinen

Petra Klambauer, Mag., DGKP

Cancer Nurse im Ordensklinikum Linz Elisabethinen

Klambauer schloss ihre Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin (DGKP) 2001 in Linz ab und arbeitete anschließend in Linz und Wien auf verschiedenen chirurgischen Stationen. 2011 schloss sie das Studium der Pflegewissenschaft an der Universität Wien ab. Derzeit absolviert sie das Masterstudium Advanced Nurse Counseling (ANC) an der FH Campus Wien. Seit 2016 ist sie auf der hämato-onkologischen Abteilung des Ordensklinikums Linz Elisabethinen tätig, seit 2018 zusätzlich als onkologische Pflegeexpertin. Die Weiterbildung zur Cancer Nurse hat sie am Vinzentinum absolviert.

Haben Ihnen diese Artikel gefallen?

Erhalten Sie regelmäßig alle relevanten Nachrichten aus dem österreichischen Gesundheitswesen.