Dienstplan nach Maß für Pflegekräfte
Insbesondere im Pflegebereich sorgen fehlende Fachkräfte für Herausforderungen. Wie man mit innovativen Konzepten neue Zielgruppen von Mitarbeiter*innen ansprechen kann, zeigt nun die Vinzenz Gruppe. Für sie entwickelte Wolfgang Sissolak, Pflegedirektor im Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien, den „Dienstplan nach Maß“.
Am Anfang waren zwei Dienstplan-Modelle. Eines mit freier Dienstplangestaltung, bei dem Mitarbeiter*innen ihre konkreten Wünsche für Dienste bekannt geben, sowie eines, bei dem das Gegenteil der Fall ist: Man gibt die Wünsche für freie Tage bekannt. „Die Erfahrung zeigt, dass es auch Kolleg*innen gibt, die an einem bestimmten Tag gerne frei haben wollen. An welchen Tagen sie arbeiten, ist ihnen aber in diesem Fall primär nicht so wichtig“, erläutert Wolfgang Sissolak, Pflegedirektor des Göttlicher Heiland Krankenhauses Wien. Und dennoch: „Es hat sich gezeigt, dass wir eines nicht generell anbieten können: Immer nur an bestimmten Tagen und auf einer bestimmten Station Dienst zu haben. Wir haben uns dann überlegt, wie das bei uns im Haus integriert werden kann.“
Angebot für spezielle Lebenssituationen
Die Überlegungen führten im Krankenhaus Göttlicher Heiland zu einem Dienstplan-Modell, das inzwischen in allen Wiener Spitälern der Vinzenz Gruppe in diversen Varianten eingesetzt wird: Die Einrichtung der „Care Force“, einem Pool von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an ganz bestimmten Tagen Dienst machen (wollen). Dafür sind sie nicht fix auf einer Station, sondern im Krankenhaus flexibel einsetzbar. Kurz: Sie werden dort eingesetzt, wo sie an ihren Arbeitstagen gebraucht werden. Eine ähnliche Initiative gab es bereits im Orthopädischen Spital Speising, wo Mitarbeiter*innen mit speziellen Anforderungen an den Dienstplan in der Elternteilzeit eingesetzt wurden. Wolfgang Sissolak: „Wir haben das Modell aufgegriffen und erweitert. Es ist nun ein Modell für alle potenziellen Mitarbeiter*innen. Sie übernehmen aber nicht für kurzfristige Ausfälle, sondern sind dann auf Stationen, die eine Stelle beispielsweise nicht besetzt haben. Wenn diese beim Erstellen des Dienstplans an konkreten Tagen Unterstützung brauchen, entsenden wir aus der Care Force die Mitarbeiterin in diese Bereiche und sorgen so für Stabilität der Dienstpläne.“
Nach der Einrichtung des Dienstplans nach Maß im Jahr 2022 sind mittlerweile stets um die zehn Pflegefachkräfte im Care-Force-Pool. Die Anzahl der Bewerbungen ist eine hohe – zumindest im Vergleich zur „Flaute“ der Vergangenheit. „Es wurde uns zwar nicht die sprichwörtliche Tür eingerannt, weil prinzipiell der Arbeitsmarkt gerade angespannt ist“, so Wolfgang Sissolak, das Modell sei aber auf jeden Fall eine Erfolgsstory: „In der Pflege gibt es viele Bereiche, in denen man arbeiten kann, und viele verschiedene Dienstformen. Ein Team stößt dann oft an Grenzen seiner Möglichkeiten, um solche Spezialdienste zu besetzen. Kann man das aber aufs komplette Krankenhaus verteilen, wird es leichter. Das Dienstplan-nach-Maß-Modell ist ein Angebot für spezielle Lebenssituationen. Und die Fülle der Angebote macht uns im Vergleich zu einem Mitwerber deutlich attraktiver.“
"Mit dem Dienstplan nach Maß sprechen wir neue Zielgruppen an", sagt Pflegedirektor Wolfgang Sissolak.
Generell war das Modell „Dienstplan nach Maß“ nie als Maßnahme gedacht, um Lücken zu füllen, betont der Pflegedirektor: „Wir wollten eine andere Zielgruppe ansprechen. Es wird hier konkret eine Stelle ausgeschrieben, bei der man sagen kann, wann man Dienst haben will. Wir merken, dass wir dadurch mehr Menschen erreichen. Menschen, die studieren oder jene, die dieses Modell aus familiären Gründen bevorzugen.“ Das Modell beinhaltet aufgrund der Wunsch-Arbeitstage einerseits die Vorteile eines Personaldienstleisters, andererseits „bietet es die nachvollziehbaren Strukturen und Abläufe einer Organisation, die die Pflegekraft kennt“, wie Direktor Sissolak sagt. „Bei uns kennen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander, sie fühlen sich sozusagen wie zu Hause.“
Menschen, die von externen Personaldienstleistern ins Krankenhaus vermittelt werden, kommen schwerer mit den hausinternen Systemen und Prozessen zurecht. „Das ist ein weiterer Vorteil für jene Mitarbeiter, die schon bei uns im Haus sind. Die kennen unsere Systeme und Abläufe sehr gut. Unsere Richt- und Leitlinien aber auch hausspezifischen Abläufe“, erläutert der Pflegedirektor. „Was ihnen allerdings oft fehlt, ist Erfahrung auf der konkreten Station – und das ist schon eine Herausforderung. Darum nehmen wir nicht frische Studienabgänger, sondern schauen, dass es Leute sind, die bereits Erfahrung haben. Es ist einfach ein gravierender fachlicher Unterschied, ob ich auf der Chirurgie oder Angiologie arbeite.“ Man werde natürlich anfangs auf mehreren Stationen eingeschult, um die unterschiedlichen Bereiche kennenzulernen. Der Know-How-Unterschied zwischen den Spezialisten und den Care Force-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern bleibt freilich bestehen. Sissolak: „Ein Krankenhaus könnte nicht so geführt werden. Wir benötigen Spezialistinnen und Spezialisten auf den Stationen – die Care-Force-Kolleginnen und -Kollegen sind lediglich da, um zu kompensieren und kein 100-prozentiger Ersatz einer fixen Mitarbeiterin oder eines fixen Mitarbeiters auf der Station.“
Text: Michi Reichelt; Fotos: © KHGH
Wolfgang Sissolak, BSc
Pflegedirektor Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien
Sissolak, Jahrgang 1983, absolvierte seine Ausbildung von 2004 bis 2007 am Vinzentinum Wien, der Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien. Auch danach blieb er den Barmherzigen Schwestern im sechsten Wiener Gemeindebezirk erhalten, unter anderem auf der Kardiologie sowie als Stationskoordinator. 2018 wechselte er schließlich als Pflegedirektor ins Göttlicher Heiland Krankenhaus in Hernals. Seinem Herzensthema, der Ausbildung, widmete sich der verheiratete Vater zweier Kinder unter anderem auch lange ehrenamtlich beim Roten Kreuz.