"Advanced Nursing: Hospitationen als Schlüssel zur Zukunft der Pflege"
Österreichs Vinzenz Gruppe fördert das Potenzial von Advanced-Nursing-Studierenden durch Hospitationsmöglichkeiten, wodurch eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten entsteht und die Qualität der Patientenversorgung verbessert wird.
Die Vinzenz Gruppe in Österreich arbeitet mit der FH Campus Wien zusammen, um Studierenden aus den Masterstudiengängen Advanced Nursing Counseling und Advanced Nursing Practice Hospitationsmöglichkeiten anzubieten. Durch diese Hospitationen erhalten Studierende wertvolle Einblicke in ihre zukünftigen Arbeitsbereiche und können ihr Wissen in der Praxis anwenden. Diese Zusammenarbeit ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, da die FH Campus Wien ihr Lehrangebot erweitern und die Vinzenz Gruppe sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren kann. Insgesamt haben bereits zehn Studierende aus diesen Studiengängen die Chance genutzt, in verschiedenen Krankenhäusern der Vinzenz Gruppe zu hospitieren. Die Hospitationen haben den Studierenden Sicherheit und Kompetenzsteigerung in der Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften gebracht.
Im Gespräch mit INGO berichtet Barbara Klemensich, strategische Leiterin der Ausbildungsplattform und Vorsitzende des Pflegemanagementteams der Vinzenz Gruppe, warum Spitäler gut daran tun, vermehrt hochqualifiziertes, akademisch ausgebildetes Pflegepersonal anzuziehen, und welche Chancen sich durch die Hospitationen für alle Beteiligten ergeben.
Frau Klemensich, warum stellt die Vinzenz Gruppe den Advanced-Nursing-Studierenden der FH Campus Wien Hospitationsplätze zur Verfügung?
Barbara Klemensich: Wir betrachten es als wichtige Aufgabe des Pflegemanagements, die neuen Pflegequalifikationen und -kompetenzen, die in den verschiedenen Advanced-Nursing-Masterstudiengängen gelehrt werden, zu nutzen und für die Patient*innen erfahrbar zu machen. Klar ist auch: Komplexe pflegerische Fragestellungen werden künftig nur mit dem vertieften und spezialisierten Wissen von Pflegeexpert*innen bewältigt werden können. Das Zukunftspotenzial dieser Studierenden zu fördern ist somit ein Gebot der Stunde. Die Hospitationen sind außerdem eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Die Studierenden gewinnen wertvolle Einblicke in zukünftige Tätigkeiten, die FH Campus Wien kann eine interessante Erweiterung ihrer Advanced-Nursing-Curricula anbieten und die Vinzenz Gruppe hat die Möglichkeit, sich bei einer zukunftsträchtigen Berufsgruppe als attraktive Arbeitgeberin bekannt zu machen. Geeignete Fachkräfte zu finden, zu entwickeln, zu unterstützen und langfristig an das eigene Haus zu binden wird künftig Hauptaufgabe und wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen im Gesundheitswesen sein. Hier inspirieren uns unter anderem die amerikanischen „Magnetkrankenhäuser“ der 1980er-Jahre. Auf den damaligen nationalen Pflegenotstand in den USA antworteten diese mit exzellenten Arbeitsbedingungen und beispielhafter professioneller Pflegepraxis. Wertschätzung und eine hohe Pflegekompetenz zählten gleichermaßen zu den „Magnetkräften“, um Mitarbeiter*innen anzuziehen und die Fluktuationsrate zu senken. Auch heute gilt: Jene die es schaffen, gut ausgebildete und motivierte Personen anzusprechen und ihnen Perspektiven zur persönlichen, fachlichen und Karriereentwicklung zu bieten, werden im zunehmend härter umkämpften Markt die entscheidenden Vorteile haben.
Welche Studiengänge der FH Campus Wien betrifft diese Kooperation?
Die FH Campus Wien hat drei Advanced-Nursing-Studiengänge: Advanced Nursing Practice (ANP) mit dem Schwerpunkt Pflegemanagement, Advanced Nursing Counseling (ANC) mit dem Fokus auf Beratung und Advanced Nursing Education (ANE) rund um Pflegepädagogik und Hochschuldidaktik. Während sich ANE-Studierende später vorwiegend der Lehre widmen, liegt der Wirkungsbereich der anderen beiden Richtungen in der Praxis. Daher hospitieren ANP- und ANC-Studierende bei uns. Mit dem Master im Pflegemanagement werden die ANP-Absolvent*innen künftig das Praxisfeld mitgestalten und die evidenzbasierte Pflege unterstützen. Sie lernen, neue Managementkonzepte zu entwerfen und umzusetzen. Damit können sie professionell auf den ökonomischen Druck im Gesundheitswesen reagieren. ANC-Masterabsolvent*innen wiederum können dem steigenden Beratungsbedarf in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens begegnen. Das Wissen über Beratungsmethoden und -konzepte ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Beratungsgespräche in der Gesundheits- und Krankenpflege.
Wie kam es zu der Kooperation und wie sind die Hospitationen organisiert?
Mit der FH-Professorin Sabine Schweiger, die an der FH Campus Wien für die Leitung aller drei Advanced-Nursing-Studiengänge verantwortlich ist, verbindet mich eine jahrelange ausgezeichnete Zusammenarbeit. Als die Hochschule die drei Curricula 2022 zur Vertiefung der Lehr-, Beratungs- und Managementpraxis durch Hospitationen erweiterte, lag diese Kooperation also eigentlich nahe. Im Lehrplan des zweiten Semesters sind seitdem 40 Stunden Hospitation vorgesehen. Die Studierenden werden über die entsprechenden Angebote im Praxisfeld der Vinzenz Gruppe informiert und können sich dann proaktiv bei den Führungskräften der jeweiligen Häuser dafür bewerben. Wir erwarten von ihnen, dass sie ihre Ziele für die Hospitation klar formulieren, und die Hospitationsinhalte werden dann individuell auf sie zugeschnitten.
"Wir haben gesehen, dass es vielversprechend ist, Studierenden auf diese Weise Berührungspunkte mit späteren Berufsfeldern zu vermitteln."
Inzwischen haben bereits zehn Studierende der Masterstudiengänge ANP und ANC bei uns hospitiert, und zwar in Wien im Krankenhaus Barmherzige Schwestern, im St. Josef Krankenhaus und im Orthopädischen Spital Speising, in Oberösterreich im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern und bei der Strategischen Leitung der Vinzenz Gruppe. Im Anschluss wurden die Hospitationen online evaluiert. Natürlich werden wir diese Möglichkeit auch für die nächste Studierendenkohorte anbieten, sobald diese den vorgesehenen Studienabschnitt erreicht hat. Wir haben gesehen, dass es vielversprechend ist, Studierenden auf diese Weise Berührungspunkte mit späteren Berufsfeldern zu vermitteln. Es ist wirklich eine Bereicherung für sie.
Was hat die Hospitant*innen besonders interessiert?
Grundsätzlich haben sich die ANP-Hospitant*innen für alle pflegerischen Hierarchieebenen im Spital interessiert, ein Fokus lag aber – wenig verwunderlich – auf Personalmanagement- und Personalentwicklungsthemen. In ihren Rückmeldungen wurden auch die herzliche Aufnahme durch die Betreuer*innen und deren fachliche Souveränität hervorgehoben. Die vielen Eindrücke und das Kennenlernen neuer Arbeitsweisen haben bewirkt, dass sie nun auch bekannte Dinge aus einem neuen Blickwinkel sehen. Die ANC-Hospitant*innen wiederum, die in den Bereichen HNO, Onkologie, Urologie, Geburtshilfe und Case-and-Care-Management schnupperten, haben den Austausch mit den Fachkolleg*innen als etwas sehr Wesentliches beschrieben. Sie meldeten zurück, dass ihnen die Hospitation Sicherheit gegeben hat und vor allem in der interdisziplinären Zusammenarbeit eine deutliche Kompetenzsteigerung. Mitzuerleben, wie man eine Pflegeberatungsstelle implementiert, fanden sie besonders spannend.
Sind die Kooperation mit der FH Campus Wien und die Hospitationen auch Teil einer Strategie, um den Einsatz von Advanced Nurses in den eigenen Häusern auszuweiten?
Durchaus. Im Jahr 2023 widmet sich das Pflegemanagementteam gemeinsam mit dem medizinischen Managementteam dem Ziel, konkrete Einsatzfelder für ANPs und ANCs in den Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitsparks der Vinzenz Gruppe zu definieren. Da die Absolvent*innen österreichischer Advanced-Nursing-Studiengänge für die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens so eine wichtige Rolle spielen, braucht es vermehrt Aufmerksamkeit für die Entwicklung geeigneter Stellen für diese Pionier*innen. Ihre Ausbildung befähigt sie, die Wirksamkeit der patient*innenzentrierten Versorgung zu steigern. Diese Spezialfunktionen organisatorisch so in die täglichen Abläufe einzugliedern, dass sie so effizient wie möglich bei den Patient*innen zum Einsatz kommen, benötigt neues Denken und Handeln bei den Verantwortlichen im Pflegemanagement.
Diese hochspezialisierten, akademisch ausgebildeten Nurses sind heutzutage also außerordentlich interessant für die Spitäler.
Richtig. Advanced Nurses sind hochqualifiziert und vielseitig einsetzbar. Durch das hohe Niveau ihrer Expertise und ihre Entscheidungsfindungskompetenzen sind sie in der Lage, auch komplexe Patient*innensituationen zu bewältigen. Laut Studien führt ihr Einsatz zu mehr Lebensqualität und einer höheren Zufriedenheit der Patient*innen, einer geringeren Anzahl an Rehospitalisierungen und sogar einer Verminderung der Mortalitätsrate. Auch internationale Vorbilder zeigen, dass die Umsetzung eines ANP-Konzepts in unterschiedlichen Strukturen möglich ist und die Patient*innenversorgung dadurch deutlich an Qualität gewinnt.
In den Einrichtungen der Vinzenz Gruppe sind bereits einige spezialisierte Advanced Nurses im Einsatz, etwa eine Liver-Care-Nurse, eine Breast-Care-Nurse, eine Cancer-Nurse, um nur einige zu erwähnen. Besonders schön beschreibt das Projekt „Implementierung einer Pelvic-Care-Nurse am Gynäkologischen Tumorzentrum im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern“ den Mehrwert derartiger Spezialisierungen: Sowohl von den Patient*innen als auch vom gesamten Behandlungsteam im interdisziplinären und multiprofessionellen Setting wurde die Pelvic-Care-Nurse ausgesprochen gut angenommen. Da sie den Patient*innen als kontinuierliche persönliche Ansprechpartner*in zur Verfügung steht, können spezielle Fragestellungen und Unsicherheiten gut geklärt werden, was den gesamten Behandlungsplan effizienter und zielgerichteter macht.
Interview: Uschi Sorz; Fotos: Digitales Handwerk, www.depositphotos.com
Barbara Klemensich, MBA
Strategische Leiterin der Ausbildungsplattform und Vorsitzende des Pflegemanagementteams der Vinzenz Gruppe
Klemensich hatte ab 1993 unterschiedliche Führungspositionen im Wiener Gesundheitsverbund inne, 2010 wechselte sie in die Vinzenz Gruppe. Sie war dort Pflegedirektorin im Orthopädischen Spital Speising und viele Jahre in der Lehre tätig. Seit 2020 ist sie Vorsitzende des Pflegemanagementteams und strategische Leiterin der Ausbildungsplattform der Vinzenz Gruppe.