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Gesundheit
Österreich
07.08.2019

„Es wird schwieriger, junge Menschen für die Pflege zu begeistern!“

Warum Pflegedirektorin Rosa Schwarzbauer das Wort Pflegenotstand nicht mehr hören kann – und warum sie sich jederzeit wieder für einen Beruf in der Pflege entscheiden würde.

Die Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegesetz hat unter anderem die Ausbildung und die Kompetenzen der Pflegeberufe neu geordnet. Das ist nun drei Jahre her. Welche Erfahrungen haben Sie in der Praxis damit gemacht?

Rosa Schwarzbauer: Mit Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pflegern, Pflegefachassistenz und Pflegeassistenz gibt es nun drei pflegerische Berufsgruppen. Diese Entwicklung finde ich positiv, weil alle drei ihre Berechtigung haben. Die Herausforderung ist es, sie jeweils adäquat einzusetzen und die Organisation entsprechend anzupassen. Mit Pflegefachassistenten haben wir im Ordensklinikum allerdings noch keine praktischen Erfahrungen, weil die ersten Absolventinnen und Absolventen erst 2020 fertig werden. Und ob es die Pflegeassistenz auf lange Sicht nicht nur in der Langzeitpflege, sondern auch im Krankenhaus weiterhin geben wird, wird sich nach Evaluierungen erst 2024 entscheiden. Die Aufschulung von Pflegeassistenten zur Pflegefachassistenz wird von unserem Haus jedenfalls schon jetzt sehr unterstützt.

Wird die Einführung der Pflegefachassistenz dazu führen, dass deutlich weniger Diplomierte Pflegepersonen gebraucht werden?

Die Aufteilung der Berufsgruppen, die bisher bei circa 75 bis 80 Prozent Diplomierten und rund 20 bis 25 Prozent Pflegeassistenz lag, wird sich sicherlich ändern. Wie dieser Schlüssel in Zukunft aussehen wird, traue ich mich noch nicht zu sagen, weil sich auch die Aufgaben verändern. Derzeit ist es so, dass der Kompetenzbereich bei medizinischer Diagnostik und Therapie ausschließlich dem Gehobenen Dienst vorbehalten bleibt und durch die Novelle zusätzliche Aufgaben dazugekommen sind. Die Grundpflege wird dagegen zunehmend an die Assistenzberufe delegiert werden, allerdings unter Aufsicht.

Die Akademisierung des gehobenen Dienstes war nicht unumstritten. Es gab die Befürchtung, dass viele Absolventinnen und Absolventen letztlich nicht in der Pflege bleiben würden.

Unser Haus hat bereits vor zehn Jahren damit begonnen, die Pflegeausbildung auf Bachelor-Niveau anzubieten – erst zusammen mit der UMIT, dann mit der FH Campus Wien, jetzt mit der FH Gesundheitsberufe Oberösterreich. Unsere Erfahrungen sind sehr positiv. Es ist nicht so, dass die Pflege-Bachelors vermehrt in andere Berufsfelder abwandern.

Wie viele schließen nach dem Bachelor ein Master-Studium an?

Ich würde sagen: einige. Dass es noch nicht mehr sind, liegt wohl auch daran, dass ein Master-Abschluss im Pflegebereich derzeit lediglich eine Aufgabenvertiefung zulässt, jedoch keine echte Aufgabenerweiterung. Aber grundsätzlich hat sich das Berufsbild im Gehobenen Dienst bereits verändert, und es wird sich weiter ändern, vor allem im Bereich Beratung und Fachexpertise, so wie wir das heute schon zum Beispiel bei der Stoma- und Inkontinenzberatung oder der Diabetesberatung kennen. Auch im niedergelassenen Bereich werden sich neue Möglichkeiten ergeben.

„Wer ständig von Pflegenotstand spricht, setzt keine positiven Signale.“

Wie werden die neuen Ausbildungen angenommen?

Bisher gut, doch der Zulauf nimmt ab, auf allen Qualifizierungsebenen. Es wird immer schwieriger, junge Leute für die Pflege zu gewinnen. Zweifellos gibt es bei den Rahmenbedingungen und beim Gehalt Verbesserungsbedarf, vor allem aber beim Image. Wer ständig von Pflegenotstand spricht, setzt keine positiven Signale. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn es nicht gelingt, junge Menschen für diese Berufe zu begeistern. Es liegt auch in der Verantwortung von uns Pflegepersonen, das viele Positive zu kommunizieren.

Was meinen Sie damit konkret?

Die enorme Vielfältigkeit der Pflegeberufe, die vielen Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, aber auch die vielen unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle und die Gewissheit, auf Jahrzehnte hinaus einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, den man sich aus einer Vielzahl von Angeboten selbst aussuchen kann.

Auch wenn wir das Wort Pflegenotstand vermeiden, lassen sich gewisse Probleme nicht ausblenden. Der zunehmende Mangel an Pflegekräften ist ja eine Realität, insbesondere in der Langzeitpflege.

Im Spitalsbereich, für den ich sprechen kann, haben wir derzeit noch keinen extremen Mangel, doch er wird bereits spürbar. Es wird schwieriger, freie Stellen zu besetzen. Aber ich denke grundsätzlich positiv und sehe Herausforderungen als Chance. Wenn es schwierig wird, wachsen auch Kreativität und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen.

Ist die Pflegelehre ein solcher neuer Weg?

Wenn wir 15-Jährige ans Krankenbett stellen, werden sie mit Krankheit, Leid und unweigerlich auch mit Sterben konfrontiert. Wie werden sie damit umgehen? Ich glaube nicht, dass wir auf diese Weise junge Menschen für die Pflege gewinnen, eher im Gegenteil.

Sind Pflegeroboter und Digitalisierung die Zukunft?

Robotik und Digitalisierung haben wir schon heute in der Pflege, und sie werden noch stärker kommen. Moderne Technik zu verwenden, finde ich sinnvoll, wenn sie die Pflegenden unterstützt und Ressourcen für menschliche Begegnungsqualität freimacht. Wir Menschen sind geprägt auf Face-to-face-Kommunikation. Daher müssen wir immer im Fokus behalten, wofür wir in der Pflege da sind: den Menschen die Fachkompetenz und Zuwendung zu geben, die sie brauchen. Die Patientin, der Patient ist unsere Daseinsberechtigung.

Sie werden demnächst Ihre Berufslaufbahn beenden. Wenn Sie heute noch einmal vor der Berufswahl stünden – würden Sie sich wieder für die Pflege entscheiden?

Ja, eindeutig. Ich habe vor meiner Tätigkeit in der Pflegedirektion selbst 15 Jahre als Krankenschwester gearbeitet, und ich würde es jederzeit wieder machen. Pflege ist herausfordernd, oft anstrengend und physisch und psychisch belastend. Aber sie ist auch sinnstiftend, sie ist verantwortungsvoll, und man bekommt von den Patientinnen und Patienten so vieles zurück, aus dem man Kraft und Erfüllung schöpfen kann.

Interview: Josef Haslinger

Rosa Schwarzbauer,

Pflegedirektorin und Vorstand des Patienten- und Wertemanagements in Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

Schwarzbauer hat nach ihrer Ausbildung zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin Sonderausbildungen für Anästhesie und Intensivpflege sowie für Führungsaufgaben und einen Universitätslehrgang für Krankenhausmanagement absolviert. „Ich habe zahlreiche verschiedene Aufgaben und Bereiche durchlaufen, bei allen Veränderungsprozessen inklusive der Umsetzung von zwei Spitalsreformen mitgewirkt, und die Arbeit macht mir immer noch Freude“, resümiert Rosa Schwarzbauer ihre 43-jährige Tätigkeit beim selben Arbeitgeber.

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