Was bringt die akademisierte Pflegeausbildung?
Mit einer zunehmend alternden Gesellschaft werden auch die Anforderungen an die Pflegekräfte immer komplexer. Pflegende müssen beim rasanten medizinischen Fortschritt ständig am Laufenden sein. Die Akademisierung des Pflegeberufs bringt dabei Vorteile für alle Seiten, sagen Bettina Schneebauer und Heide Maria Jackel von der FH Gesundheitsberufe OÖ.
Dass die Pflege im Wandel ist, steht außer Frage: immer mehr Ältere, Multimorbidität und steigende Anforderungen sind nur einige Schlagworte in diesem Zusammenhang. Hinzu kommt, dass in derÖffentlichkeit gerne viele unterschiedliche Pflegehandlungen unter dem Überbegriff „Pflege“ subsummiert und bisweilen zu wenig differenziert dargestellt werden.
Vielleicht haben auch deshalb viele Menschennoch immer ein ziemlich reduziertes Bild von Pflege. In den kommenden Jahrzehnten wird es jedoch immer mehr Pflegebedürftige geben, die professionell versorgt werden müssen. „Durch die demographische Entwicklung wird die hohe Bedeutung der Pflege im Gesundheits- und Sozialwesen verstärkt“, sagt Heide Maria Jackel, Studiengangsleiterin des Bachelor-Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Gesundheitsberufe OÖ. Hier habe die Entwicklung der Akademisierung im Gesundheitsbereich bereits einiges zur Attraktivität des Pflegeberufs beigetragen. „Bachelor of Science in Health Studies mit der Berufsbefähigung in der Gesundheits- und Krankenpflege stellen das Bindeglied zwischen der Medizin und den Berufsgruppen der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe im intra- und extramuralen Bereich dar. Sie organisieren und koordinieren, damit die Versorgungsqualität der Patienten reibungslos abläuft“, so Jackel.
Diplomierte Pflegende als wesentliche Akteure
Durch die Gesundheits- und Krankenpflegenovelle 2016 wurde die Ausbildung der Pflegeberufe in Österreich neu geregelt, was in den Berufsbildern Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und Bachelor Gesundheits- und Krankenpflege resultierte. „Mit dem neuen Bachelor-Studium Gesundheits- und Krankenpflege werden die medizinischen und pflegerischen Inhalte des Hochschulstudiums wissenschaftlich fundiert vermittelt, damit die professionelle Pflege der Patienten optimal und state of the art gewährleistet ist.
Dabei rückt die Selbstbestimmung und Selbstentscheidung der Patienten in den Fokus“, so Jackel. „Gemeinsam mit anderen medizinischen Gesundheitsberufen steuern und koordinieren die diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen die Behandlungs- und Betreuungsprozesse und tragen so zur Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung bei.“ Denn im Unterschied zu anderen Berufsgruppen haben sie einen eigenen Kompetenzbereich, in dem sie selbstständig tätig werden und so die Gesamtverantwortung für Bereiche wie Pflegeprozess, Beobachtung und Überwachung des Gesundheitszustandes, theorie- und konzeptgeleitete Gesprächsführung und Kommunikation, Beratung zur Gesundheits- und Krankenpflege, Prävention sowie Organisation und Durchführung von Schulungen tragen. „Ein weiterer relevanter Aspekt beinhaltet die Anleitung, Überwachung, Delegation, Subdelegation und Aufsicht von Unterstützungskräften wie die Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz“, sagt Jackel.
Ausrichtung der FH Gesundheitsberufe OÖ
„Die FH Gesundheitsberufe OÖ bildet die Gesundheitsprofis der Zukunft aus. Unsere Aufgabe ist es, die Studierenden auf die Herausforderungen des künftigen Gesundheitswesens vorbereiten“, so Bettina Schneebauer. „Neue Versorgungsmodelle einerseits und die Digitalisierung andererseits werden neue Tätigkeitsbereiche für unsere Absolventen bieten beziehungsweise bestehende verändern.“ Die Absolventen würden damit einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung und Stärkung der Gesundheitskompetenz der Patienten leisten.
Um dies zu gewährleisten, werdendas Studienangebot und die Curricula permanent auf die aktuellen Anforderungen abgestimmt. „Allen voran legen wir großen Wert auf soziale und kommunikative Kompetenzen, ohne dabei die immer relevanter werdenden digitalen Fähigkeiten der Studierenden und künftigen Mitarbeiter außen vor zu lassen. Unsere Absolventen sind jetzt schon stark gefragt und werden es aufgrund ihrer fundierten Ausbildung auch in Zukunft sein“, konstatiert Schneebauer.
Pflegeberufe im internationalen Vergleich
Der Blick über die Grenzen zeigt, dass sich die Rolle der Gesundheits- und Krankenpflege in der Gesellschaft in anderen Ländern über die Jahre hinweg ganz anders positioniert hat als in Österreich. In den USA, Großbritannien und den skandinavischen Ländern ist die akademische Pflege-Ausbildung über Jahrzehnte bereits Tradition: Der akademische Grad eines „Bachelor of Nursing“ gehört dort längst zum Standard. In Österreich kommt erst durch die Gesundheits- und Krankenpflegenovelle 2016 Bewegung in das Bildungssystem der Pflegeberufe. Jackel: „Der Etablierung und Positionierung dieser neuen Berufsbilder, sowohl im Bildungssystem wie auch nachfolgend in der Praxis, bedarf einer zeitlichen Spanne von mindestens sieben bis zehn Jahren.“ Von der Akademisierung der Pflegeberufe profitieren aber letztendlich alle Seiten: die angehenden Akademiker erhalten den nötigen Hintergrund, um die vielfältigen Herausforderungen ihres Berufs im direkten Kontakt mit den Patienten zu meistern, und die Pflegebedürftigen erhalten wiederum die optimale Betreuung. „Das neue Berufsbild des Bachelors ermöglicht es, den neuen und zukünftigen Anforderungen zu entsprechen“, sagt Jackel. Nicht zuletzt sichern sich auch Einrichtungen, die auf eine akademische Qualifikation ihres Pflegepersonals setzen, den Anschluss an den internationalen Bewerbermarkt für Gesundheitsberufe.
Text: Rosi Dorudi; Bilder: FH Gesundheitsberufe OÖ
Bettina Schneebauer, MMag.a
Geschäftsführerin der FH Gesundheitsberufe OÖ
Schneebauer studierte Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik. An der ibis acam AG war sie neben der Vertriebs- und Geschäftsleitung auch als Trainerin und Projektleiterin tätig. Von 2002 bis 2010 war sie bei der Österreichischen Gesundheits- und Spitals-AG (OÖ Gesundheitsholding) Mitglied der Gemeinsamen Führung der Schulen und Akademien sowie Leiterin der Personalentwicklung. Seit 2010 ist Schneebauer Geschäftsführerin der FH Gesundheitsberufe OÖ GmbH, an der sie von 2012 bis 2017 das Kollegium leitete.
Heide Maria Jackel, Mag.a
Studiengangsleiterin des Bachelor-Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Gesundheitsberufe OÖ
Jackel war ab 1991 maßgeblich am Aufbau der Gesundheits- und Krankenpflegeschule in Kirchdorf engagiert, dessen Leitung sie 1994 übernahm. 2010 begann sie mit dem Aufbau des Bachelorstudiengang Pflegewissenschaft 2 in-1 Modell Pflege am Standort in Steyr. 2013 wurde sie zusätzlich mit der Leitung der Schule am Standort Steyr betraut. Sie war maßgeblich an der Entwicklung des Bachelorstudiengangs Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Gesundheitsberufe OÖ beteiligt und leitet hier den Teilbereich der Curriculumsentwicklung.