Ist die 24-Stunden-Betreuung noch leistbar?
In Österreich benötigen immer mehr ältere Menschen Rundumbetreuung. Doch die Pflegeheime sind angesichts des akuten Personalmangels bereits jetzt am Limit. Die 24-Stunden-Betreuung könnte Abhilfe schaffen, aber gerade sie wird für viele Betroffene zum akuten Finanzierungsproblem. Auch die lang angekündigte Pflegereform bringt wenig Besserung. INGO sprach mit Andreas Herz, Obmann des Fachverbandes Personenberatung und Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer Österreich, über die fragile Situation.
Die meisten Menschen möchten, wenn es irgendwann nötig wird, am liebsten zuhause betreut werden. In Österreich wurden 2007 dazu die Rahmenbedingungen für eine 24-Stunden-Betreuung auf legaler Basis geschaffen und gleichzeitig ein entsprechendes Fördermodell entwickelt. Seitdem beträgt die Bundesförderung bei der Beschäftigung von zwei selbstständig tätigen Betreuungskräften maximal 550 Euro pro Monat. Bei der Beschäftigung von zwei unselbstständig tätigen Betreuungskräften beträgt der Zuschuss maximal 1100 Euro pro Monat. „An diesem Betrag hat sich in den letzten 15 Jahren nichts geändert“, bemängelt Andreas Herz. „Zwar sollen die 550 Euro nun um 90 Euro erhöht werden, das reicht angesichts der Teuerungen aber bei weitem nicht aus.“ Denn: Die Kosten für die Kund*innen lägen bei rund 3000 Euro. Rechnet man das durchschnittliche Pflegegeld dazu, müssten die Betroffenen rund 1500 Euro aus eigener Tasche dazulegen. „Für immer mehr Betroffene wird damit die 24-Stunden-Betreuung zur finanziellen Herausforderung“, so Herz. Die Förderung müsse deshalb dringend an die Inflation angepasst werden. Dies entspräche einer Erhöhung von umgerechnet 27 Prozent. Zu einem fairen Ausgleich dieses Wertverlusts gibt es seitens des Sozialministeriums bisher keine Kommentare. Der Fachverband befürchtet daher, dass im Zuge der Pflegereform auf die 24-Stunden-Betreuung vergessen wird.
Vorarlberg mit eigener Regelung
Vorarlberg hat sich bei der 24-Stunden-Betreuung für eine eigene Regelung entschieden. Hier bekommen Menschen ab der Pflegestufe 3 eine zusätzliche Landesförderung von bis zu 600 Euro, wenn zwei Personenbetreuer*innen im Einsatz sind. Bei besonderen Härtefällen sind sogar noch höhere Zuschüsse bis hin zur kompletten Kostenübernahme möglich. Darüber hinaus läuft die Vermittlung über den Betreuungspool Vorarlberg, einer gemeinnützigen Organisation, die in einem direkten Netzwerk mit allen ambulanten Diensten zusammenarbeitet und die Betreuer*innen an die Familien vermittelt, wodurch die Kosten für die Betreuung günstiger werden. „Es wäre ein wesentlicher Schritt, die Unterstützungsleistungen über alle Bundesländergrenzen hinweg einheitlich zu gestalten“, sagt Herz. Der Fachverband befürworte außerdem flexiblere Ansätze wie ein mobiles Personenbetreuungsmodell. „Die 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten erspart der öffentlichen Hand und damit auch der Allgemeinheit viel Geld“, betont Herz. Angesicht der steigenden gesellschaftlichen Alterung sei es daher umso wichtiger, die 24-Stunden-Betreuung zu stärken, anstatt sie finanziell auszuhungern.
Text: Rosi Dorudi; Fotos: www.depositphotos.com, privat
Andreas Herz, MSc
Obmann der Fachgruppe der Personenberater*innen und Personenbetreuer*innen in der Wirtschaftskammer Österreich
Herz ist Obmann der Fachgruppe der Personenberater*innen und Personenbetreuer*innen in der Wirtschaftskammer Österreich. Als Keynote-Speaker, Managementtrainer und Coach bringt er mit dem HERZResilienz®Konzept, in dem westliche und östliche Lehren mit Wissenschaft vereint werden, eine völlig neue Möglichkeit zur Bewältigung der täglichen Herausforderung auf den Markt. Herz ist einer der führenden Experten im Aufbau und der Entwicklung von Resilienz. Seit 2015 zählt er jährlich zu den Top 100 Referenten der größten Agentur Deutschlands, Österreich und der Schweiz. Er ist Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten und privaten Bildungsanbietern.