„Es geht leider um Macht, nicht um die Patient*innen!“
Es gibt keine sachlichen Argumente, die gegen das Impfen in Apotheken sprechen, sagt die Wiener Apothekerin und Kammerfunktionärin Susanne Ergott-Badawi.
Mitte Oktober wurde der Entwurf zur Reform des Apothekengesetzes in Begutachtung geschickt, wonach die Apotheken neben längeren Öffnungszeiten künftig auch mehr Kompetenzen erhalten sollen. So sollen sie beispielsweise einfache Gesundheitstests wie Blutdruckmessungen durchführen dürfen. Die von der Apothekerkammer geforderte Möglichkeit, Impfungen in der Apotheke anzubieten, ist im Entwurf allerdings nicht enthalten. Die Ärztekammer hingegen bleibt ihrer strikten Ablehnung jeglicher Kompetenzerweiterung für Apotheken. „Apotheken sind keine Arztpraxen light“, sagt etwa Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer.
Noch im Sommer nannte das Gesundheitsministerium den 1. Jänner 2024 als Zieltermin für eine Gesetzesnovelle, mit der Impfungen auch in Apotheken erlaubt werden sollten. Das wird sich wohl nicht mehr ausgehen?
Susanne Ergott-Badawi: Das Ganze ist leider zu einem Politikum geworden, bei dem nicht mehr die Sache im Vordergrund steht. Es geht nicht darum, was für die Patient*innen und für das Gesundheitssystem von Vorteil ist, sondern um Macht. Hätte es zuletzt nicht Engpässe bei Impfterminen und bestimmten Impfstoffen gegeben, wäre es in der politischen Diskussion derzeit wohl nicht einmal mehr ein Thema.
Wie viele Apotheker*innen wollen denn tatsächlich impfen, und wogegen?
Aus Umfragen wissen wir, dass sicher mehr als die Hälfte der Apotheken Impfungen anbieten möchte. Der Fokus liegt in erster Linie nicht auf COVID-19, sondern auf Influenza und FSME sowie Auffrischungsimpfungen. Wir reden von gut verträglichen Impfungen, wir reden nicht von Risikopatient*innen und auch nicht von Kindern. Es sollen ausschließlich Erwachsene bei uns geimpft werden. Wir wollen keinesfalls Patient*innen aus Ordinationen abwerben, sondern ein zusätzliches, flächendeckendes und niederschwelliges Impfangebot machen. Damit könnten wir auch Menschen erreichen, die sonst gar nicht Impfen gehen. Das würde sich positiv auf die Durchimpfungsraten auswirken, die in Österreich teilweise erschreckend niedrig sind.
"Die Patient*innen sind mündig genug, um das für sich zu entscheiden."
Viele Apotheker*innen wollen also impfen – aber will das auch die Bevölkerung?
Auch da zeigen Umfragen, dass es zwei Drittel der Österreicher*innen befürworten – so wie Gesundheitsminister Rauch, der selbst sagt, er würde sich jederzeit in einer Apotheke impfen lassen. Die Frage, warum man sich hier nicht impfen lassen kann, höre ich oft, speziell von jenen, die sich bei uns den verschriebenen Impfstoff besorgen und dann erst wieder damit zum Arzt, zur Ärztin gehen müssen. Es gibt ja im Grunde keine sachlichen Argumente dagegen, dass in Apotheken geimpft wird. Die Patient*innen sind mündig genug, um das für sich zu entscheiden.
Von ärztlicher Seite wird ins Treffen geführt, dass Apotheker*innen nicht ausreichend in der Lage wären, den Gesundheitszustand von Impfwilligen zu beurteilen, und bei Zwischenfällen keine adäquate Hilfe leisten könnten.
Diese Äußerungen sind unverständlich. Es gibt beim Impfen Leitlinien und Vorgaben, die einzuhalten sind. Wir bieten dazu seit drei Jahren modulare Ausbildungskurse an, die bereits von 2.000 Kolleg*innen absolviert wurden. Der Umgang mit Notfällen wird darin von Rotkreuz-Expert*innen so vermittelt, wie es auch kein Arzt, keine Ärztin anders machen würde. Bei einem anaphylaktischen Schock ist in jeder Apotheke naturgemäß ein Notfall-PEN vorhanden. Wir absolvieren teilweise Fortbildungen mit den gleichen Curricula wie Ärzt*innen, wir haben eine gemeinsame Wissensbasis – schließlich gehören auch Apotheker*innen zu den wissenschaftlichen Gesundheitsberufen. Impfstoffe sind Arzneimittel, also unser Fachgebiet. Wir kennen aber auch unsere Grenzen und wissen, wann wir Patient*innen besser zum Arzt, zur Ärztin schicken. Die Kontroverse betrifft allerdings ohnehin eher die Standesvertretungen. An der Basis ist die Zusammenarbeit gut, wie sich zum Beispiel bei Lieferengpässen immer wieder zeigt.
"Das könnte schnell umgesetzt werden, in ein bis zwei Wochen."
Wie rasch könnten Apotheken mit dem Impfen beginnen, wenn es ab morgen erlaubt wäre?
Das könnte schnell umgesetzt werden, in ein bis zwei Wochen. Es gibt ja wie gesagt bereits 2.000 engagierte Apotheker*innen mit der entsprechenden Zusatzausbildung, die darauf warten, mit diesem Angebot zu starten. Die nötigen Räumlichkeiten wären ebenfalls schon vorhanden, ebenso die digitalen Strukturen wie e-Rezept und e-Impfpass.
Wann wird es Ihrer Meinung nach so weit sein?
Ich bin trotz allem positiv gestimmt und hoffe, dass auch die ÖVP als einzige Partei, die derzeit noch dagegen ist, trotz Vorwahlkampf den Mut dazu aufbringt. Wie lange es noch dauert, kann ich nicht sagen. Aber dass Impfen in Apotheken auch in Österreich – so wie in mittlerweile mehr als 40 anderen Staaten – kommen wird, davon bin ich überzeugt.
Interview: Josef Haslinger; Foto: Sabine Klimpt
Susanne Ergott-Badawi, Mag. pharm.
Obmann-Stellvertreterin der Österreichischen Apothekerkammer
Susanne Ergott-Badawi ist 1. Obmann-Stellvertreterin der Österreichischen Apothekerkammer und 1. Vizepräsidentin des Verbands Angestellter Apotheker Österreichs (VAAÖ). Zu den Schwerpunktthemen ihrer Arbeit in der Interessensvertretung zählen Fortbildung und Impfen.