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Gesundheit
Österreich
20.09.2021

"Die Gewissheit geben, dass das Kind in guten Händen ist!"

Das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried war vor 20 Jahren eines der ersten Spitäler in Österreich, das Frauen die Möglichkeit bot, ihr neugeborenes Kind anonym in einem Babynest abzulegen. Für Kinderheilkunde-Primar Andreas Wimmer ist diese Einrichtung auch heute notwendig, selbst wenn sie nur selten in Anspruch genommen wird – und es Alternativen gibt.

Wie fällt Ihre Bilanz über zwei Jahrzehnte Babyklappe im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried aus? 

Andreas Wimmer: Das Babynest gibt Frauen, die sich nicht in der Lage sehen, ihr Kind nach der Geburt zu behalten, die Gewissheit, dass es in guten Händen ist. So soll verhindert werden, dass Neugeborene einfach weggelegt oder im schlimmsten Fall in einer Ausnahmesituation getötet werden. Seit der Installierung dieser Einrichtung, damals als „Babyklappe“, wurden drei Neugeborene dort abgelegt, jedes nur wenige Stunden alt. In Großstädten ist diese Zahl sicher höher, aber es zeigt, dass ein Babynest auch in einer vorwiegend ländlichen Region wie dem Innviertel notwendig ist.

Wie funktioniert die Babyklappe, wie sind die Abläufe? 

Sie besteht im Wesentlichen aus einem ständig beheizten Babybett, das durch ein Klappfenster zu erreichen ist. Der Raum befindet sich in einem eher abgelegenen Gebäude auf dem Krankenhausareal. Der Eingang ist nicht einsehbar, aber gut ausgeschildert. Wird das Fenster geöffnet, löst das einen Alarm im Dienstzimmer der Kinderabteilung aus – mit etwas Verzögerung, damit sich die Mutter unerkannt entfernen kann. Über eine Monitorkamera, die von oben auf das Bett gerichtet ist, sieht man, ob es belegt ist. In diesem Fall macht sich eine Pflegeperson auf den Weg zum Babynest. 

Was geschieht mit einem Neugeborenen, wenn es im Babynest abgelegt wurde? 

Es wird sofort medizinisch und pflegerisch betreut, und es erfährt Geborgenheit, auch das ist ganz wichtig. Wir nehmen die üblichen Routineuntersuchungen vor und dazu einige weitere, weil wir die Vorgeschichte nicht kennen – es gibt ja keinen Mutter-Kind-Pass. Wir verständigen die Kinder- und Jugendhilfe bei der Bezirkshauptmannschaft Ried, die die Obsorge übernimmt und einen Krisenpflegeplatz bei Pflegeeltern sucht. In allen Fällen bei uns hat es keinen Tag gedauert, bis die neuen Eltern da waren. Es ist schon eine Freude, zu sehen, wie gut aufgehoben die Kinder sind.

Kann die Kindesmutter ihre Entscheidung rückgängig machen? 

Im Babynest liegt ein Informationsblatt mit Beratungsmöglichkeiten und einem Codewort auf. Damit kann die Mutter im Krankenhaus anrufen und sich nach dem Kind erkundigen. Wenn sie sich innerhalb von 14 Tagen nicht meldet, wird ein Adoptionsverfahren eingeleitet. Nach sechs Monaten wird die Adoption rechtsverbindlich.

"Die Mutter bleibt absolut anonym."

Wird versucht, die leibliche Mutter ausfindig zu machen?

Nein, die Mutter bleibt absolut anonym. Die Kamera im Babynest erfasst nur die Hände, die das Kind in das Bett legen, nichts drumherum. Und es wird nicht versucht, die Mutter zu finden oder auszuforschen. Das wäre auch rechtlich gar nicht möglich, denn ein Kind im Babynest abzulegen, ist legal und keine Straftat. Ohne die jeweilige persönliche Entscheidung zu bewerten: Ein Neugeborenes in sichere Hände zu geben, wenn man sich aufgrund der Lebenssituation außerstande sieht, es selbst großzuziehen, zeugt durchaus auch von Verantwortungsgefühl. 

Sehen Sie Alternativen zum Babynest? 

Ja, die gibt es, und zwar durch die anonyme Geburt, die in unserem Krankenhaus und in allen anderen Spitälern in Oberösterreich möglich ist. Auch dabei müssen Mütter ihre Identität und ihre persönlichen Daten nicht angeben, und sie können das Kind anschließend zur Adoption freigeben. Das kann eine offene Adoption sein, bei der sich Mutter und Adoptiveltern kennenlernen, oder auch eine Inkognito-Adoption. Der große Vorteil ist, dass die werdenden Mütter dabei nicht auf die Sicherheit einer begleiteten, professionell betreuten Entbindung verzichten müssen.

Text: Josef Haslinger

Andreas Wimmer, Dr.

Leiter der Abteilung für Kinderheilkunde und Neonatologie am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried

Wimmer ist Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und hat eine Zusatzausbildung in pädiatrischer Kardiologie absolviert. Seit 2011 ist der heute 49-Jährige Leiter der Abteilung für Kinderheilkunde und Neonatologie im Schwerpunktkrankenhaus des Innviertels.

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