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Gesundheit
Österreich
17.03.2021

"Wir haben viel zu bieten, doch das müssen wir auch erzählen!"

Wie findet man in einer Region abseits der Ballungsräume, aber mit vielen starken Unternehmen, die dringend benötigten Fachkräfte für ein Schwerpunktspital? Clara Wenger-Stockhammer, Personalchefin im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried, setzt auf möglichst individuelle Lösungen – darunter mehr als 600 unterschiedliche Arbeitszeitmodelle.

Ärztemangel, Pflegenotstand – der Engpass an Fachkräften trifft zunehmend auch Gesundheitsberufe. Stimmt diese Beobachtung aus Ihrer Sicht?

Clara Wenger-Stockhammer: Von Notstand kann man nicht sprechen, aber es gibt gewisse Zyklen. So war es für uns in den Vorjahren tatsächlich schwierig, manche Stellen im ärztlichen Bereich zu besetzen. Derzeit ist das nicht mehr der Fall, abgesehen von einigen wenigen Fächern. Auch in der Pflege gibt es bei uns keine Personalnot, aber wir betrachten die Entwicklung aufmerksam und mit Respekt. Es ist nicht mehr so, dass wir sozusagen automatisch die nötigen Bewerbungen erhalten. Wie bei den Ärztinnen und Ärzten müssen wir uns auch bei den Pflegejobs gehörig bemühen. Aber die Entwicklung kommt nicht überraschend, und wir haben vorgebaut. 

Warum soll sich ein junger Arzt, eine junge Ärztin gerade für ein peripheres Krankenhaus wie Ried entscheiden – haben Kliniken in der Großstadt da nicht mehr zu bieten, vom Lebensumfeld bis zu den Karrierechancen?

Weil sie bei uns bei den Ausbildungsfächern die breite Palette eines Schwerpunktkrankenhauses mit 18 medizinischen Abteilungen und Instituten vorfinden und dabei näher am Patienten sind als in großen Kliniken. Auch im Pflegebereich bieten wir vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten, von Assistenzberufen bis zur Fachhochschule. Wir legen Wert darauf, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Karriere im Haus machen, das gilt für alle Bereiche. Unser Spital ist ein großes Haus mit 1600 Mitarbeitenden am Standort, aber dennoch von einer sehr persönlichen Atmosphäre geprägt. Das ist schon ein großer Unterschied zum städtischen Bereich. Und was den Standort Innviertel betrifft, so gibt es zwar klingendere Namen, aber es ist eine sehr attraktive Region mit hoher Lebensqualität. Es hat seine Vorzüge, und mit denen wollen wir punkten.

Das Innviertel ist auch eine starke Wirtschaftsregion mit bedeutenden Unternehmen wie FACC, KTM, Team 7, Fill und vielen anderen. Spüren Sie diese Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt?

Unser Krankenhaus ist der zweitgrößte Arbeitgeber im Bezirk Ried und gehört damit selbst zu den großen Betrieben, die in dieser Hinsicht alle vor den gleichen Herausforderungen stehen. Die Mitarbeitersuche im ländlichen Raum wird vielfach zu einem quantitativen Problem. Das betrifft Produktionsbetriebe ebenso wie den Gesundheitsbereich. Daher gibt es auch gemeinsame Bestrebungen, Fachkräfte in die Region zu holen. Die Initiative „Hot Spot! Innviertel“, ein Netzwerk von Unternehmen und Organisationen, arbeitet an der Positionierung als Region mit attraktiven Arbeitgebern, auch international. Solche Aktivitäten könnte man noch verstärken. Und als Ordensklinikum Innviertel können wir gemeinsam mit dem Krankenhaus St. Josef Braunau zukünftig noch stärker auftreten.

Was ist für Sie das stärkste Argument, der größte „USP“, den das Krankenhaus Ried als Arbeitgeber bietet?

Wir bemühen uns, jeder Mitarbeiterin, jedem Mitarbeiter in seiner ganz persönlichen Lebenssituation bestmöglich gerecht zu werden. Natürlich geht das nur in einem gewissen Rahmen und nicht immer zu 100 Prozent. Es braucht in vielen Bereichen immer jemanden, der Nachtdienst macht, um es an einem Beispiel festzumachen. Aber wir gehen so weit wie möglich auf die aktuellen, individuellen Gegebenheiten ein. In der Personalabteilung gibt es für jede Berufsgruppe eigene Ansprechpartner, nicht nur für streng arbeitsrechtliche Fragen, sondern auch für persönliche Angelegenheiten und Bedürfnisse, vom Wohnungsumzug bis zur Pflegekarenz. Human Resources bedeutet für uns nicht bloß Recruiting, sondern auch Persönlichkeitsentwicklung und Lebensphasenbegleitung.

"Wir bemühen uns, jeder Mitarbeiterin, jedem Mitarbeiter in seiner ganz persönlichen Lebenssituation bestmöglich gerecht zu werden."

Was heißt das konkret?

Wir haben derzeit zum Beispiel nicht weniger als 660 verschiedene Arbeitszeitmodelle, und sollte für jemand keines davon passen, dann machen wir für sie oder ihn das sechshunderteinundsechzigste. Rund 80 Prozent unseres Personals sind Frauen, in der Pflege noch mehr. Es geht darum, dass Familie lebbar bleibt. Wir bieten einen Kindergarten, eine Krabbelstube, Ferienbetreuung und zahlreiche andere Angebote. Auch die Väterkarenz wird bei uns immer mehr zum Thema, gerade bei jungen Medizinern. Erst vor wenigen Tagen wurde unser Krankenhaus von Familienministerin Susanne Raab mit dem staatlichen Gütezeichen als familienfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet. Das ist für mich auch persönlich ein Herzensanliegen. Schließlich bin ich Mutter eines dreijährigen Buben und kann meinen Job nur deshalb in dieser Form machen, weil ich einen tollen Arbeitgeber habe.

Wie sehen die Führungskräfte im Haus diese mitarbeiterfokussierte Personalpolitik?

Mitarbeiterorientierung ist Führungsaufgabe und sichert den Führungskräften in ihren jeweiligen Bereichen gutes Personal. Fluktuation und die Suche, Einarbeitung und Bindung von Personal kosten Zeit, Geld und Qualität. Sie beschreiten diesen Weg also sehr gut mit, nicht zuletzt, weil er den Werten der Vinzenz Gruppe entspricht und sich zudem mit wirtschaftlichen Zahlen untermauern lässt. Die Bedeutung von Human Resources wird auch dadurch unterstrichen, dass die Personalleitung in allen Häusern der Vinzenz Gruppe auf Vorstandsebene angesiedelt ist. 

Wird die Covid-19-Pandemie bewirken, dass künftig mehr Menschen in Gesundheitsberufen arbeiten wollen – oder eher das Gegenteil?

Corona hat deutlich vor Augen geführt, dass die Arbeit im Krankenhaus sehr fordernd und oft alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Auf der anderen Seite wird nun der Stellenwert des Gesundheitssystems und der Gesundheitsberufe als systemrelevante, sinnstiftende Arbeit höher eingeschätzt. Auch ein gesicherter Arbeitsplatz hat an Bedeutung gewonnen. 

"Corona hat deutlich vor Augen geführt, dass die Arbeit im Krankenhaus sehr fordernd und oft alles andere als ein Zuckerschlecken ist."

Wo sehen Sie für Ihr Haus bei der Personalsuche noch Luft nach oben?

Das Krankenhaus Ried ist ein großes Spital und trotzdem in gewisser Weise ein kleines Dorf, überschaubar und persönlich. Die Fluktuation ist gering, die durchschnittliche Verweildauer liegt bei zwölf Jahren. Und wenn zur Weihnachtsfeier im Loryhof 800 Leute kommen, also praktisch alle, die an diesem Tag nicht arbeiten – dann sagt das schon etwas über den Zusammenhalt aus. Unser Haus ist ein attraktiver Arbeitgeber und hat vieles zu bieten. Aber wir werden das in Zukunft wohl noch aktiver nach außen tragen müssen. Wir müssen mehr darüber erzählen.

Interview: Josef Haslinger; Fotos: Krankenhaus Barmherzige Schwestern Ried

Clara Wenger-Stockhammer, Mag.a MSc

Leiterin des Personalmanagements im Krankenhaus Barmherzige Schwestern Ried

Die Innviertlerin studierte Gesundheits- und Pflegemanagement sowie berufsbegleitend Management und Leadership. Von der Personalleitung im Diakonie Zentrum Spattstraße in Linz wechselte sie 2015 zur Personalentwicklung ins Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried; 2019 übernahm sie die Leitung des gesamten Personalmanagements. Die 34-Jährige ist verheiratet und hat einen dreijährigen Sohn.

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