Was kann, darf und muss eine Community Nurse leisten?
Die Ergänzung des heimischen Gesundheitswesens durch Community Nurses ist fix im Regierungsprogramm verankert, ab Herbst sollen die künftigen Schwerpunkte in Pilotprojekten evaluiert werden. Auch das Rote Kreuz ist in die Gespräche des Ministeriums eingebunden. Dessen oberösterreichischer Landesgeschäftsführer-Stv. Thomas Märzinger schildert die Position und Überlegungen seiner Organisation.
Dass viel über Community Nurses geredet wird, hat einen Grund. Unbestritten ist, dass diese neue Form der erweiterten Gesundheits- und Krankenpflege in Zukunft in der Patientenversorgung dringend gebraucht werden wird, doch nicht jedes Land verfolgt exakt denselben Ansatz. „Neben all den internationalen Konzepten, etwa vonseiten der WHO, geht es in Österreich jetzt in erster Linie darum, mit welchen Inhalten wir das geplante Community-Nursing-System konkret füllen werden“, sagt Thomas Märzinger, Geschäftsführer-Stellvertreter beim Roten Kreuz Oberösterreich. „Dabei können die Schwerpunkte durchaus regional verschieden sein, je nachdem welche Bedarfe und Bedürfnisse sich bei den kommenden Pilotprojekten herauskristallisieren.“ Diese sollen – wie von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein im Mai verkündet – im Herbst an den Start gehen.
Eine wichtige Rolle werde es da auch spielen, welche bestehenden Pflege- und Gesundheitseinrichtungen in den jeweiligen Bundesländern bereits gut etabliert sind, fügt Märzinger hinzu. „Denn daran sollten die Community Nurses idealerweise andocken.“ Die Institutionalisierung ist dem Roten Kreuz ganz besonders wichtig. „Freelancer sehen wir hier fehl am Platz, denn wir brauchen auf jeden Fall Kontinuität. Dazu müssen unter anderem einheitliche IT- und Dokumentationssysteme vorhanden sein und auch Urlaubs- und Krankenstandsvertretungen müssen reibungslos funktionieren.“ Das andere große Anliegen des Roten Kreuzes bezieht sich auf die Bandbreite der Aufgaben, Zielgruppen und Kompetenzen der Community Nurses. „Im Augenblick sehe ich in der Diskussion hauptsächlich die Betonung koordinierender, vermittelnder und präventiver Tätigkeiten. Diese sind zweifellos ein sehr bedeutsamer Teil, aber das gesamte Spektrum muss aus unserer Sicht viel weiter gehen und auch Gesundheitsdienstleistungen beinhalten, die direkt bei den Menschen ankommen.“
An der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Sozialem
Generell gebe es drei Bereiche, denen entsprechend ausgebildete Community Nurses durch bestimmte Funktionen zugute kommen sollen, die über die normale Hauskrankenpflege hinausgehen, erklärt Märzinger. „Das sind die langfristig pflegebedürftigen und die chronisch kranken Menschen und ihre Familien, die Verwaltung und die Gemeinden sowie das Gesundheitssystem selbst, das dringend entlastet werden muss.“ In der Primärversorgung seien Community Nurses an der Schnittstelle zwischen den beiden Sektoren Gesundheit und Soziales angesiedelt. „Für die Bürgerinnen und Bürger stellen sie eine niederschwellige Anlaufstelle für die Themen Gesundheit, Prävention und Pflege dar“, so Märzinger. „Ihre Aufgaben reichen von der Stabilisierung und Erhöhung des Wohlbefindens der Patienten über die Vermittlung von Selbsthilfekapazitäten und Förderung von sozialer Teilhabe, Autonomie und Gesundheitskompetenz bis hin zu psychischer Unterstützung, Hilfestellung für pflegende Angehörige und nicht zuletzt kurzfristiger und unbürokratischer medizinischer Versorgung.“ Zudem können sie Disease-Management-Programme, beispielsweise für Diabetes, Arthrose oder Asthma, und Präventionsmaßnahmen wie Sturzprophylaxe oder Ernährungs- und Bewegungsinitiativen unterstützen. „Es sollte auch die Möglichkeit präventiver Hausbesuche geben, etwa bei der älteren Generation oder speziellen Risikogruppen.“
"Für die Bürgerinnen und Bürger stellen sie eine niederschwellige Anlaufstelle für die Themen Gesundheit, Prävention und Pflege dar", erklärt Thomas Märzinger eine der Aufgaben der Community Nurses.
In der Region wiederum sollen Entscheidungsträger wie Gemeinden, Gemeindeverbünde oder Sozialhilfeverbände von ihrer profunden Kenntnis der Situation und der Bedürfnisse der dort wohnenden Menschen und einer professionell aufbereiteten Information darüber profieren. „Auf dieser Basis lassen sich gesundheitspolitische Entscheidungen evidenzbasiert treffen.“ Die daraus folgende effizientere Versorgungsplanung und Verwaltung hätten auch einen ökonomischen Nutzen. „Und darüber hinaus hat die gesamte Gemeinschaft etwas davon, wenn pflegebedüftige Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben können.“
Im dritten Wirkungsbereich der Community Nurses, dem Gesundheits- und Pflegesystem als solches, gehe es um die Entlastung der Hausärzte und Spitalsambulanzen sowie die Stabilisierung oder womöglich sogar Reduzierung des systematisierten Pflegebedarfs durch gut greifende Präventionsaktivitäten.
Eventuelle rechtliche Adaptionen erst im nächsten Schritt
Da Community Nurses durchwegs diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen oder -pfleger (DGKP) sind, seien sie natürlich auch befugt, auf ärztliche Anordnung medizinische Tätigkeiten wie Blutabnahmen, Infusionen, Injektionen oder Medikamentenmanagement inklusive Weiterverordnung von Medizinprodukten und Heilbehelfen durchzuführen. „Normalerweise geschieht dies im Rahmen der systematisierten Hauskrankenpflege, aber Community Nurses könnten diesbezüglich auch pflegenden Angehörigen helfen und zugleich die Mediziner entlasten.“ Immerhin werden etwa 80 Prozent der Menschen zu Hause gepflegt und rund 38 Prozent nehmen keine formelle Pflege in Anspruch, so Märzinger. „Diese erreicht die Hauskrankenpflege nicht, eine Community Nurse aber schon.“
Ob irgendwann einmal Tätigkeiten hinzukommen werden, die Erweiterungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) erfordern, wisse man zurzeit nicht. „Der Stand der Dinge ist, dass wir gerade dabei sind, das Tätigkeitsfeld und die Art der Einbindung in bestehende Systeme festzulegen. Dann folgt die Evaluierung im Zuge der Pilotprojekte und danach erst wird sich herausstellen, ob so etwas nötig ist.“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Frage nach Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen also verfrüht.
Ein relevantes Thema seien sicherlich die Ausbildung und die entsprechenden Curricula. „Die jetzige Anforderung lautet DGKP plus Erfahrung in der Langzeitpflege“, erläutert Märzinger. „Die Systemkenntnis ist unabdingbar, aber in Zukunft wird es immer mehr darum gehen, auch Zusatzqualifikationen zu erwerben.“ Dazu sei mittlerweile auch in Österreich das Masterstudium für Advanced Nursing Practice (ANP) auf Schiene gesetzt, in dem man sich auf verschiedene Kernkompetenzen für Community Nursing spezialisieren kann. „Das wäre aus unserer Sicht eine optimale Qualifikation, die sie auch zu konzeptionellen und leitenden Funktionen befähigt.“
Oberösterreich gut aufgestellt
Was das Aufgabenfeld der Versorgungskoordination betreffe, haben Community Nurses in Oberösterreich eine exzellente Ausgangslage, unterstreicht Märzinger. „Wir können sie leicht in unser mit der Gesundheitsnummer 1450 kooperierendes Patientenauskunfts- und -leitungssystem PALES einbinden.“ Darüber hinaus habe sich in Oberösterreich schon vor gut 30 Jahren eine Multiprofessionalisierung im Gesundheitswesen entwickelt. „Das Rote Kreuz hat die Hauskranken- und mobile Pflege damals in einer Art und Weise betrieben, die einige Parallelen mit Community Nursing aufweist, weil diese sehr nahe an den Gemeindestrukturen und der Bevölkerung agiert haben“, erzählt Märzinger. „Diese Erfahrungen aus der Vergangenheit kommen uns natürlich auch in einem neuen, weiterentwickelten Community-Nursing-System zugute.“ Aus demselben Grund sei man sich des Werts der Einbindung der Community Nurses in bestehende Systeme und der engen Abstimmung aller Beteiligten für eine erfolgreiche regionale Gesundheitsversorgung auch so sehr bewusst. „Am Ende des Tages sollen die Community Nurses dazu beitragen, die gesunden und beschwerdefreien Lebensjahre der Bevölkerung zu erhöhen und die Lage Pflegebedürftiger entscheidend zu verbessern.“
Text: Uschi Sorz; Bilder: OÖRK/Asanger; depositphotos.com
Thomas Märzinger, Dir. Mag.
Stv. Geschäftsleiter des OÖ Roten Kreuzes
Märzinger ist stellvertretender Geschäftsleiter des Oberösterreichischen Roten Kreuzes und für die Bereiche Pflege und Betreuung, Gesundheits- und soziale Dienste, Rettungsdienst und den Katastrophenhilfsdienst zuständig. Zu seinen weiteren Verantwortungsbereichen gehören IT, Beschaffung/Bau, Fahrzeugwesen und Fakturierung.