"Es bleibt eine Komfortfrage"
Die Diakonissen müssen als Privatkrankenhäuser den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und leistbarer Medizin schaffen. Robert Schütz, Geschäftsführer der Klinik Diakonissen Linz, spricht im Interview über Zwei-Klassen-Medizin, gelernte Österreicher und den freien Zugang zu Ambulanzen.
Die Kliniken der Diakonissen verstehen sich als medizinische Dienstleister, die als Privatkrankenhäuser den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und leistbarer Medizin schaffen wollen. Sind die Diakonissen-Kliniken also keine Konkurrenz zu den öffentlichen Spitälern?
Robert Schütz: Wir sind eine Ergänzung, weil wir eine Nische besetzen, die nur wir als einzige Privatklinik besetzen können. Wir haben keinen Versorgungsauftrag, können unsere Medizin frei wählen und sind an keine Vorgaben gebunden. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal und damit der wesentliche Unterschied zu allen anderen Krankenanstalten in der Region. Wir arbeiten mit externen Fachärzten zusammen, die bei uns die Patienten betreuen – das ist in öffentlichen Krankenhäusern nicht möglich. Privatpatienten wiederum werden auch in öffentlichen Häusern betreut.
Vor einigen Jahren war Ihr Haus in den Medien, weil Sie gezwungen waren, sich von einigen Fachärzten zu verabschieden. Das bedeutet, dass Sie ebenso weisungsgebunden sind – wenn auch anders gelagert?
Nein, das war unsere eigene Entscheidung, weil wir uns der Qualität verpflichtet fühlen und daher nur mit Medizinern zusammenarbeiten wollen, die eine hohe jährliche Leistungszahl zustande bringen. Denn natürlich ist die Anzahl der Fälle, die operiert werden, ein Qualitätsmerkmal. Es ist nicht das alleinige, aber wenn jemand nur zehn Mal im Jahr Patienten operativ betreut, dann ist selbst bei langjähriger Erfahrung eine Weiterentwicklung und Qualitätssicherung weniger möglich, als wenn jemand 150 Eingriffe im Jahr macht. Das war der Grund, weshalb wir uns schweren Herzens von Kollegen verabschieden mussten.
Wieviele Ärztinnen und Ärzte betreuen derzeit wieviele Patienten bei Ihnen?
Wir haben 120 Betten und 35 akkreditierte Ärzte. Wir erhalten auch immer wieder Anfragen von Fachärzten, die bei uns arbeiten wollen, aber es gibt ein Auswahlverfahren, bei dem Fachlichkeit und Fallzahlen beurteilt werden. Schwerpunkte sind jetzt der Bewegungsapparat, die Augenchirurgie und die Basisversorgung der Inneren Medizin. Der Vorwurf, wir würden uns nur auf die Rosinen spezialisieren – ein Vorwurf, den es seit Jahrzehnten gegenüber Privatkliniken gibt –, ist also grundsätzlich unbegründet.
2012 haben Sie mit der Generalsanierung des Gebäudekomplexes für insgesamt 36 Millionen Euro begonnen, wobei ein Teil auf den Erwerb eines Baurechts für das benachbarte Ordinationszentrum Diakonissen Linz entfallen. Wie weit sind Sie im Plan?
25 Millionen Euro betragen die Investitionskosten in die Klinik, auf dem Nebengrundstück, das uns gehört, hat ein Bauträger das Ordinationszentrum und einen Wohnpark errichtet. Die Hauptarbeiten an unserem Haus werden 2021 fertig sein, dann kommen noch Fassade und Außengestaltung.
Sie machen 22 Millionen Euro Umsatz, Gewinne sind nicht vorgesehen – nach wie vor?
Stimmt. Wir sind gemeinnützig und daher nicht auf Gewinn ausgerichtet.
Sie befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Gebietskrankenkasse. Wie stehen Sie zur ÖGK und zur Zusammenlegung der Krankenkassen?
Grundsätzlich ist die Zusammenführung von Krankenkassen ein sinnvoller und notwendiger Schritt. Die einzelnen Kassen sind letztlich mit denselben Aufgabenstellungen befasst. Jetzt sind wir gelernte Österreicher und damit der Bundesländerlogik verpflichtet, deren Stärke oft wahrzunehmen ist. Wenn man im Bereich der Sozialversicherung beginnt, dann ist das ein mutiger, aber durchaus unterstützenswerter Schritt, der Verschlankung und Optimierung von Verwaltungskosten bedeutet. Er ist sicher schwierig, aber wir müssen uns im Gesundheitswesen an eine Reform herantasten. Wir haben zu viele Betten, wir sind im internationalen Vergleich im Gesundheitswesen zu aufwendig.
Wie stehen Sie zum Argument der unterschiedlichen Voraussetzungen der Bundesländer?
Das kann man sachlich gar nicht begründen, sondern nur historisch – das war halt schon immer so. Wer kann die unterschiedlichen Honorarsysteme bei Ärzten je Bundesland sachlich begründen? Man kann einbringen, die Wohnungskosten in Wien seien deutlich höher. Aber wenn Sie heute in Linz eine Wohnung in guter Lage haben wollen, ist nicht mehr viel Unterschied. Man muss irgendwo beginnen, historisch Gewachsenes zu bearbeiten.
„Wir bedienen als Anbieter von Privatmedizin natürlich zwei Klassen, dazu stehen wir auch.“
Liegt die Zukunft der Gesundheitsversorgung in der Privatmedizin?
Wir bedienen als Anbieter von Privatmedizin natürlich zwei Klassen, dazu stehen wir auch. Aber in der Akutversorgung, wo es darum geht, rasch zu handeln und zu behandeln, darf kein Unterschied bestehen. Wenn jemand sofort eine Behandlung braucht, dann muss er sie bekommen – egal, ob er privatversichert ist oder nicht. Das ist nach wie vor der Fall, das sehe ich als Geschäftsführer einer Klinik genauso wie als Bürger dieses Landes. Bei einem Unfall oder einem Herzinfarkt wird Sie keiner fragen, ob Sie privatversichert sind. Jetzt kann man darüber diskutieren, ob es dann, wenn es nicht akut ist, einen Unterschied in der Zeitachse geben darf. Da würde ich meinen: Das haben wir in vielen Lebenslagen. Menschen fahren in einfache Hotels oder in Fünf-Sterne-Hotels. Im Flugzeug will ich vielleicht auch einen besseren Platz haben. Wenn mir etwas weh tut, es aber nicht akut ist und ich hätte es gerne behandelt, dann kann ich es mir leisten, dass ich früher drankomme. Natürlich ist es eine Gratwanderung: Wie viele Leistungen muss die Gebietskrankenkasse mit den Ärzten als Vertragspartnern vorhalten, sodass Menschen, die eine Beschwerde haben, rasch behandelt werden können?
Im Hotel oder im Flugzeug geht es um Komfort. Aber wenn es um Krankheiten geht, wollen Patienten nicht aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten benachteiligt werden …
Es bleibt eine Komfortfrage. Denn es gibt viele Fälle, in denen man nur vermeintlich dringend versorgt werden muss. Wir sind im Ambulanzbereich der Klinik auch damit konfrontiert, dass Menschen am Wochenende kommen, wenn sie Zeit haben, und sagen: „Das tut mir jetzt seit einem Monat weh, bitte behandeln Sie das!“ Das ist nicht akut und hat mit Zwei-Klassen-Medizin gar nichts zu tun. Gesundheit ist natürlich heikler, das macht es auch politisch brisanter, aber dort, wo es um akute Notsituationen geht, darf es keinen Unterschied geben. Wo es nicht akut ist, ist es oft aufgebauscht. Da müsste man ins System eingreifen, damit dieser freie Zugang zu den teuersten Ressourcen gesteuert wird.
„Ich plädiere dafür, den ambulanten und den niedergelassenen Bereich endlich zusammenzuführen.“
Wie würden Sie eingreifen?
Ich plädiere dafür, den ambulanten und den niedergelassenen Bereich endlich zusammenzuführen. Wenn es nicht möglich ist, weil man Finanzströme, Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse nicht verändern will, dann haben wir ein Problem. Der ambulante Bereich muss aus einer Hand finanziert und gesteuert werden. Das ist unumgänglich, auch aufgrund des Ärztemangels vor allem im ländlichen Bereich werden die Spitalsambulanzen immer wichtiger. Das wäre meine große Botschaft: Wir müssen aufhören, uns vorzurechnen, wessen Geld wohin fließt – ob nun von den Spitalsträgern oder dem niedergelassenen Bereich. Ob die ÖGK uns da weiterhilft, müssen wir abwarten, aber es kann ein erster Schritt sein. Wenn da etwas gelänge, wäre das ein Meilenstein. Seit zehn Jahren schon gibt es Versuche der Zielsteuerung, aber wir bringen da viel zu wenig auf die Straße. Es wäre naheliegend, den Ambulanzen vorgeschaltete Ordinationen mit erweiterten Öffnungszeiten zu betreiben. Die Klientel ist ja auch untertags eine völlig andere als abends. Das wissen wir seit Jahren – und es passiert nichts!
Spüren Sie die Entwicklung hin zur Privatmedizin deutlich?
Wir spüren sie – aber deutlich könnte ich nicht bestätigen. Wir liegen bei etwa tausend selbstzahlenden Patienten pro Jahr, das ist eine Steigerung von vier Prozentpunkten. Unser Wahlarztzentrum medz hat schon deutliche Zuwachsraten.
Generell erleben wir eine Wahlarztentwicklung, die letztlich eine freie Entscheidung der Ärzte selbst ist und sicher viele Vorteile hat. Damit ist es nicht nur das System, das etwas bewirkt, sondern es sind auch die Akteure. Wir haben in Österreich trotzdem ein Gesundheitssystem, dass alle Versorgungsvarianten offen hält auch für die, die sich wenig leisten können. Daher brauche ich keine Zwei-Klassen-Diskussion, weil wir jedem Hilfe anbieten können, der sie braucht.
Interview: Mag. Claudia Werner
Robert Schütz, Mag. Dr.
Geschäftsführer der Kliniken Diakonissen Linz und Schladming
Schütz studierte Betriebswirtschaft an der Kepler Universität Linz (JKU) und schloss mit einer Dissertation über Personalarbeit im Krankenhaus ab. An der JKU blieb er von 1991 bis 1995 als Universitätsassistent und Lektor am Institut für Unternehmensführung, Forschungsschwerpunkt Personalwirtschaft. 1996 wurde er Personaldirektor und stellvertretender Verwaltungsdirektor am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz, anschließend Projektmanager und stimmberechtigtes Mitglied des Leitungsgremiums am KH der Barmherzigen Schwestern Ried, bevor er schließlich zum Geschäftsführer am KH der Barmherzigen Schwestern Linz wurde. Weitere Schritte machte er als Change Manager für das Land NÖ mit der Zusammenführung der beiden Spitäler Baden und Mödling sowie als Geschäftsführer des OÖ Gesundheitsfonds für das Land OÖ. Derzeit ist Schütz Geschäftsführer der Kliniken Diakonissen für das Evangelische Diakoniewerk Gallneukirchen mit Holdingfunktion für drei Kliniken in Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark.