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Gesundheit
Österreich
06.03.2023

„Das Gesundheitswesen hat oft noch Angst vor Social Media!“

Zum Health Influencer kann man sich nun auch akademisch ausbilden lassen: Die FH Burgenland will mit diesem neuen Schwerpunkt das Rüstzeug vermitteln, um Gesundheitsbotschaften professionell über soziale Medien zu verbreiten. Studiengangsleiter Erwin Gollner sieht darin viel Potenzial, blendet aber auch die Schattenseiten nicht aus.

Ein Studium für Influencer – braucht´s das tatsächlich? 

Erwin Gollner: Eins vorweg: Wir bieten kein „Influencer-Studium“ an, sondern ergänzen unseren bewährten Bachelor-Studiengang Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung ab dem kommenden Herbst mit dem neuen Schwerpunkt „Health Content Creation“. Kommunikation hat sich schließlich verändert, das gilt auch für unsere Ziel- und Dialoggruppen. Mittlerweile nutzen rund zwei Drittel der Österreicher*innen täglich soziale Medien, die Affinität dafür steigt weiter. Zudem sehen wir, dass viele unserer Absolvent*innen in ihrer beruflichen Tätigkeit auch stark mit Social Media befasst sind. Da tut sich also etwas, und daher legen wir den Fokus verstärkt auf zeitgemäßes Kommunikations-Know-how, das in der Praxis benötigt wird. 

Worum geht es dabei konkret? 

Unsere Studierenden lernen seit jeher, gesundheitsrelevante Inhalte evidenzbasiert und wissenschaftlich zu recherchieren. Sie lernen, vertrauenswürdige Quellen zu nutzen und suspekte Quellen zu erkennen. Wir wollen sie nun noch gezielter dazu befähigen, ihre Erkenntnisse so aufzubereiten, dass sie als wissenschaftlich fundierte Gesundheitsbotschaften für digitale Medien nutzbar sind – als Podcast, als Erklärvideo, als Kampagne, auf unterschiedlichen Kanälen von Facebook bis TikTok. Wir vermitteln das Handwerkszeug, um diese Botschaften zu erstellen, und auch, wie man sie zur jeweiligen Zielgruppe bringt, Stichwort Social-Media-Marketing.

Sie verwenden die Bezeichnung „Health Influencer“ auch selbst in der Bewerbung für den Studiengang.  

Wir haben das lange diskutiert, weil dieser Begriff tatsächlich Assoziationen und Vorbehalte auslöst. Man verbindet ihn oft mit einem Geschäftsmodell, mit Oberflächlichkeit, Lifestyle und Product Placement. Dass wir diese Türen nicht öffnen, versteht sich von selbst. Aber der Begriff weckt Interesse, und das bietet die Chance, die Themen Gesundheit und Gesundheitsförderung online in die richtigen Bahnen zu lenken. Influencer klingt nun einmal weniger sperrig als „Health Content Creator“. Im Übrigen gibt es durchaus auch seriöse Gesundheitswissenschafter*innen, die sich selbst als Influencer bezeichnen, auf internationaler Ebene stärker als in Österreich. 

Wo steht Österreich bei der digitalen Vermittlung von Gesundheitskompetenz im internationalen Vergleich? 

Wir stehen sicher noch eher am Anfang, in Deutschland beispielsweise passiert in dieser Hinsicht mehr. Der private Gesundheitssektor hat auch in Österreich diese Entwicklung schon stärker entdeckt, im öffentlichen Bereich kommt sie erst langsam an. Es herrscht im Gesundheitswesen oft noch eine gewisse Angst, sich dem Thema Social Media zu nähern. Tatsächlich ist nicht alles positiv, es gibt auch Schattenseiten. Auf Social-Media-Kanälen können sich Schleusen öffnen, die alles andere als erfreulich sind. Das haben wir gerade jetzt erlebt, als unsere Medieninformation in Sachen „Influencer-Ausbildung“ veröffentlicht wurde. Da gab es sehr untergriffige Kommentare. Auch deshalb ist es umso wichtiger, dass unsere Studierenden den richtigen Umgang mit diesen Werkzeugen erlernen. Wir betonen auch besonders die Verantwortung, die das Agieren in sozialen Medien mit sich bringt, gerade im Gesundheitsbereich. 

"Auf Social-Media-Kanälen können sich Schleusen öffnen, die alles andere als erfreulich sind."

Erreichen Gesundheitsinformationen über Social Media nur jüngere Zielgruppen, werden ältere Menschen dadurch „abgehängt“? 

Grundsätzlich sind Social-Media-Nutzer eher unter 40, umso jünger, desto aktiver. Aber das heißt keineswegs, dass sich nicht auch Ältere auf diese Weise erreichen lassen. Auch viele Senioren nutzen zum Beispiel WhatsApp. Es geht darum, die Informationen zielgruppengerecht zu gestalten, vom Aufbau bis zur Auswahl der passenden Kanäle. Wir arbeiten beispielsweise mit Pflegeheimen zusammen, um altersgerechte Kommunikationslösungen zu entwickeln.

Wird es genügend Bewerber*innen für die Influencer-Ausbildung geben? 

Unser Studiengang mit 40 Ausbildungsplätzen ist seit 20 Jahren österreichweit der einzige mit Fokus auf die Gesundheitsförderung, das Interesse ist seit jeher groß. Die Bewerbungsfrist für das kommende Studienjahr läuft noch, daher haben wir noch keine endgültigen Zahlen. Wir verzeichnen aber schon jetzt verstärkt Anfragen. Das Thema „Influencer“ zeigt offensichtlich Wirkung.

Text: Josef Haslinger; Fotos: FH Burgenland, depositphotos.com

Erwin Gollner, Prof. (FH) Mag. Dr. MBA MPH

Leiter des Bachelor-Studiengangs Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung an der FH Burgenland

Gollner hat in Graz ein Doktoratsstudium in Sportwissenschaften sowie mehrere Masterstudien (Psychologie, Public Health, Health Care & Hospital Management) absolviert. Er leitet an der FH Burgenland den Bachelor-Studiengang Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung (seit 2002) sowie das Departement Gesundheit (seit 2013). Darüber hinaus beschäftigt sich der 59-Jährige mit arbeits- und organisationspsychologischen Aspekten des betrieblichen Gesundheitsmanagements und entwickelt Settings in der Gesundheits- und Bewegungsförderung.

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