„Unser gesetzlicher Auftrag ist 'Rehabilitation vor Pension'“
Monika Mustak-Blagusz hat im März 2023 die ärztliche Leitung der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) übernommen. Im Gespräch mit INGO erklärt die Ärztin die Bedeutung unseres rehabilitativen Versorgungssystems und welche Herausforderungen es dabei zu bewältigen gibt.
Sie waren zuletzt als ärztliche Direktorin der „Züricher RehaZentren Klinik Davos“ tätig. Aus welchen Gründen haben Sie sich für eine Bewerbung in Österreich entschieden?
Monika Mustak-Blagusz: Zum einen ist Österreich ein wunderbares Land, ich bin hier aufgewachsen und habe meine Laufbahn hier gestartet. Zum anderen sind die Aufgaben und Herausforderungen in dieser Position vielfältig, zumal die Funktion keine rein medizinische ist, sie erfordert auch Freude am Management. Für die PVA als einer der großen Sozialversicherungsträger zu arbeiten, bedeutet daher neben der Verantwortung gegenüber den Versicherten auch Verantwortung gegenüber den rund 6.000 Mitarbeiter*innen zu übernehmen. Für die Menschen in Österreich Rehabilitation auf höchstem Niveau anbieten und weiterentwickeln zu können, treibt mich daher mit größtem Engagement an. Ich weiß, dass ich in dieser Funktion an einer Position im Gesundheitssystem mitwirken werde, an der Rehabilitation als Maßnahme für den Erhalt und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und Teilhabe im Leben, höchste Priorität hat. Meine Tätigkeit in der Schweiz hat mir die Möglichkeit gegeben, Rehabilitation auch in einem anderen Gesundheitssystem kennenzulernen. Durch meine Arbeit im Ausland kann ich also viel Erfahrung in diese neue Position einfließen lassen.
Welchen Herausforderungen sehen Sie sich aktuell gegenübergestellt?
Zur PVA gehören 15 Reha-Zentren und zwei Zentren für ambulante Rehabilitation in Graz und Wien. Um die personellen Ressourcen in den unterschiedlichsten Bereichen bereitzustellen und motivierte Mitarbeiter*innen zu gewinnen, sind wir in der PVA aktuell besonders gefordert. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir durch gute interne Zusammenarbeit, innovative Gedankenansätze und kompetente Reha-Zentren einen wichtigen Anteil im Gesundheitssystem beitragen, so dass es für viele Menschen erstrebenswert ist, im Bereich der Rehabilitation zu arbeiten. Eine weitere Herausforderung ist das rechtzeitige Erkennen von beruflichen Problemlagen. Unser gesetzlicher Auftrag ist „Rehabilitation vor Pension“. Die Arbeitswelt hat sich in vielen Bereichen geändert. Wir müssen darauf reagieren und uns darauf einstellen.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Als Chefärztin der PVA verantworte ich die Leitung, Führung und Koordination der medizinischen Organisationseinheiten sämtlicher Reha-Zentren der PV. Organisatorische Themen sowie die Weiterentwicklung der Rehabilitation und der Gesundheitsvorsorge erfolgen standortübergreifend und in Abstimmung mit der Generaldirektion, dem Sozialministerium und den anderen Sozialversicherungsträgern. Zu meinem Arbeitsalltag gehört auch ein regelmäßiger Austausch mit meinen unmittelbaren Mitarbeiter*innen, um eine gute und effiziente Aufteilung der zu erledigenden Aufgaben zu besprechen und sicherzustellen. So finden natürlich auch regelmäßig Besprechungen mit der Pflegedirektorin statt. Ein intensiver Austausch mit dem Abteilungsleiter der Reha-Forschung ist ebenfalls Teil meines sehr abwechslungsreichen Alltags.
"Menschen arbeiten in den unterschiedlichsten Bereichen, müssen oftmals mit unterschiedlichsten Erkrankungen zurechtkommen und dennoch arbeitsfähig bleiben."
Gibt es Bereiche, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Besonders am Herzen liegt mir, dass die Menschen, die zu uns zur Rehabilitation kommen, fachlich kompetent und menschlich so betreut und begleitet werden, dass sie bereit sind, die Maßnahmen der Rehabilitation mitzutragen, um in ihrem Lebensbereich - sei es an ihrem Arbeitsplatz, in der Familie oder im sozialen Leben - wieder teilhaben zu können. Menschen arbeiten in den unterschiedlichsten Bereichen, müssen oftmals mit unterschiedlichsten Erkrankungen zurechtkommen und dennoch arbeitsfähig bleiben. Sie müssen sich in diesen schwierigen Situationen darum kümmern, von ihrem Einkommen leben zu können und ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Die Menschen im Bereich der Prävention und Rehabilitation in ihrem Arbeitsumfeld zu halten, sie nach akuten Ereignissen oder chronischen Erkrankungen zielorientiert zu begleiten und zu therapieren, das liegt mir besonders am Herzen.
Wie sieht es mit der Forschung im Bereich der Rehabilitation aus?
Die Reha-Forschung ist mir ein wesentliches Anliegen. Die wissenschaftliche Begleitung unserer Projekte zur Weiterentwicklung der Rehabilitation in Österreich ist notwendig, um die Wirksamkeit der rehabilitativen Maßnahmen und Leistungen zu überprüfen. Erreichen wir durch unsere Rehabilitationsprogramme jene nachhaltigen Effekte, die wir erwarten? Das sind essentielle Fragestellungen.
Wo liegt nach Ihrer Ansicht die größte Herausforderung im Bereich der PVA im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung?
Es ist der Pensionsversicherung ein sehr großes Anliegen für jene Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Rehabilitationsmaßnahmen benötigen, diese in höchster Qualität und in angemessener Zeit zur Verfügung stellen zu können. Rehabilitation ist für Menschen, die nach einem akuten Ereignis oder durch eine chronische Erkrankung in ihrem Leben den sprichwörtlichen Boden unter den Füßen verlieren, ein wesentliches Element wieder erwerbsfähig zu werden und auch die dafür notwendigen Voraussetzungen zu erreichen. Im Reha-Zentrum sind Patient*innen Teil des Rehabilitationsteams. Das Miteinander von Patient*innen und Mitarbeitenden muss so gelebt werden, dass der Rehabilitationsalltag motivierend ist. Ein solch motivierendes Umfeld und das gelebte Miteinander mit dem Anspruch, seine individuellen Ziele erreichen zu können, das ist mein Credo.
"Im Akutkrankenhaus wird das akute Ereignis behandelt und dafür gesorgt, dass die Patient*innen das Spital wieder verlassen können. Arbeitsfähig ist man zu diesem Zeitpunkt aber oft noch nicht. Das erfordert Maßnahmen, die dann die Rehabilitation bieten kann."
Sie haben immer wieder in Reha-Zentren gearbeitet. Warum ist gerade der Bereich der rehabilitativen Medizin interessant?
Ich habe 2014 begonnen, mich intensiv mit der Rehabilitation zu beschäftigen. Im Akutkrankenhaus wird das akute Ereignis behandelt, Diagnosen gestellt, Exazerbationen von chronischen Erkrankungen behandelt und dafür gesorgt, dass die Patient*innen so stabil sind, dass sie das Spital verlassen können. Arbeitsfähig ist man zu diesem Zeitpunkt aber oft noch nicht. Das erfordert noch viele Maßnahmen, die dann die Rehabilitation bieten kann. Die Rehabilitation hat daher einen sehr gewichtigen Stellenwert, um wieder ins Leben zurückzufinden. Man muss sich mit den Auswirkungen der durch die akute oder chronische Erkrankung bedingten Beeinträchtigungen im Bereich von Aktivität und Teilhabe genau beschäftigen. Nicht immer kann der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden. Daher gilt es, alle Ressourcen und Möglichkeiten zu finden, die benötigt werden, um Aktivität und Teilhabe im beruflichen und privaten Umfeld zu erreichen. Die Rehabilitation leistet damit einen außerordentlich wichtigen Beitrag zum Erhalt der Berufsfähigkeit, zum Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag und zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit. Das Erlangen von Lebensqualität und das Erlernen von gesundheitsförderlichem Verhalten sind wichtige Bausteine im Leben.
Noch eine abschließende Frage: Als Sie diese Position übernommen haben, wurden Sie des Öfteren gefragt, wie es für Sie als Frau in einer Führungsposition sei? Wenn ja, hat Sie das gestört?
Tatsächlich wurde mir diese Frage nie gestellt. Ich bin schon lange in Führungspositionen und habe meist ein sehr wertschätzendes Miteinander vorgefunden. Die fachliche Arbeit und eine entsprechend ausgereifte Kommunikationskultur sind notwendig in Führungspositionen. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang eine gute Vorbereitung auf die Führungsrolle. Dazu gehört auch, dass ich immer schon sehr gerne andere Frauen in meinem Arbeitsumfeld begleitet und unterstützt habe, und als Mentorin zur Verfügung gestanden bin, wenn dies gewollt war. So können vor allem junge Frauen gut auf Führungsaufgaben vorbereitet werden.
Interview: Rosi Dorudi; Fotos: TOM Foto Design, www.de.depositphotos.com
Monika Mustak-Blagusz, Dr.in , MBA
Leitende Ärztin der Pensionsversicherung
1963 in Steyr in Oberösterreich geboren, absolvierte Mustak-Blagusz zunächst das Realgymnasium in Waidhofen/Ybbs, bevor sie Medizin an der Universität Wien mit Dissertation am Institut für Funktionelle Pathologie studierte. Nach der Geburt von drei Kindern folgte die Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin sowie die Facharztausbildung zur Internistin und Rheumatologin im KAV in Wien. Von 2010-2018 war Mustak-Blagusz Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und in dieser Funktion aktiv für zahlreiche Themen in der rheumatologischen Landschaft Österreichs tätig. 2014 folgte der Wechsel von Wien nach Gröbming als Ärztliche Leiterin des Reha-Zentrums der PV bis 2018. Berufsbegleitend schloss sie einen MBA in Health Care and Hospital Management ab. Bis Ende 2019 war Mustak-Blagusz leitende Ärztin der VAEB bevor sie in der Schweiz für mehrere Jahre leitende Funktionen, u.a. in der aarReha Schinznach und bei den Zürcher Rehazentren, übernahm. Mit März 2023 erfolgte die Bestellung zur Leitenden Ärztin der Pensionsversicherung.