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Gesundheit
Österreich
26.05.2022

Operationstechnische Assistenz kann OP-Pflege optimal ergänzen

Grünes Licht für die operationstechnische Assistenz (OTA) in Österreich: Seit 28. Februar sind die Tätigkeitsfelder der OTA und die Voraussetzungen für eine entsprechende Ausbildung bundesgesetzlich geregelt. Auch das Wiener Vinzentinum ist interessiert, sich an einer solchen Ausbildung zu beteiligen, und seit Kurzem arbeitet im Herz-Jesu-Krankenhaus die erste – in Deutschland ausgebildete – OTA. 

Spitäler sind an neuen Berufsbildern interessiert, schließlich ist zur Verbesserung der Personalsituation noch einiges zu tun. Das gilt nicht zuletzt für den Operationssaal. Hier arbeiten Chirurg*innen, Anästhesist*innen, diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal (DGKP) mit Sonderausbildung in OP- und Anästhesiepflege sowie andere Assistenzberufe Seite an Seite. Die Verantwortung jedes und jeder Einzelnen ist hoch, jeder Handgriff muss sitzen. „In solche interdisziplinären Teams passen die neuen operationstechnischen Assistent*innen (OTA) sehr gut“, sagt Brigitte Lagler, Pflegedirektorin am Herz-Jesu-Krankenhaus in Wien. „Sie sind eine willkommene Ergänzung.“ 

Über die Einführung der OTA in Österreich ist lange diskutiert worden, nun hat man die rechtliche Grundlage dafür geschaffen: Seit 28. Februar liegt das entsprechende Bundesgesetz vor, am 1. Juli treten die darin festgelegten Regelungen in Kraft. Damit können sich auch operationstechnische Assistent*innen ins Gesundheitsberuferegister eintragen.

Der Zugang zum Beruf sei bei DGKP-OP-Pflegenden und OTA zwar ein anderer, erklärt Lagler, doch viele Tätigkeiten seien gleichwertig. Zum Kernbereich beider gehören die Betreuung und Versorgung der Patient*innen vor, während und nach der Operation, deren operationsspezifische Lagerung und Positionierung, die Einhaltung der Hygienestandards, das Gebrauchsfertigmachen von Instrumenten, Apparaten und Materialien sowie die Assistenz bei den Eingriffen selbst. Ebenso können OTA in Notfallambulanzen, Schockräumen, der Endoskopie und in Aufbereitungseinheiten für Medizinprodukte eingesetzt werden.

Einige Unterschiede gibt es aber doch: Während OTA in erster Linie „hands-on“, also sehr praxisbezogen agieren, obliegen DGKP mit OP-Ausbildung zusätzlich auch andere Aufgaben im Rahmen des Pflegeprozesses, zum Beispiel die forschungsbezogene Dokumentation. In Konkurrenz zueinander stünden sie im Arbeitsalltag nicht, betont Lagler. „Um alle assistierenden Tätigkeiten rund um Operationen in hoher Qualität abzudecken, wären aus meiner Sicht 70 Prozent OP-Kräfte aus dem gehobenen Dienst und 30 Prozent OTA eine ideale Konstellation.“

Eigenständiger dreijähriger Bildungsweg mit Praxisschwerpunkt

Wichtig sei die hohe fachliche Qualifikation. „Wir haben ein anspruchsvolles Programm und brauchen dementsprechend hervorragende Leute“, unterstreicht Lagler. Das Herz-Jesu-Krankenhaus ist neben seiner internistischen Expertise chirurgisch auf den Bewegungsapparat fokussiert, zu den Spezialgebieten zählen Endoprothetik, Hand- und Fußchirurgie. Im Jahr 2020 etwa wurden hier 5.967 orthopädische Eingriffe durchgeführt, wovon 785 am Fuß- oder Sprunggelenk und 498 an der Schulter. „Orthopädie ist ein sehr Technik lastiges Fach und genau diese Technikaffinität bringen OTA mit.“ Damit spricht diese Ausbildung eine eigene Zielgruppe an. Ein*e OTA braucht keine generalisierte DGKP-Ausbildung mit anschließender OP-Spezialisierung, sondern steuert direkt die Tätigkeit im Operationssaal an. Es ist ein eigenständiger Bildungsweg, der drei Jahre dauert und 4.600 Stunden umfasst, wovon 3.000 in der Praxis absolviert werden. Vergleichbare Ausbildungs- und Berufsmodelle aus Deutschland und der Schweiz dienen als Vorbild. „Für Menschen, die technisch interessiert sind, handwerkliches Geschick und Interesse am operativen Bereich haben, ist das eine attraktive Option“, meint Lagler. „Das zweite und dritte Ausbildungsjahr können sie auch berufsbegleitend in Form einer Anstellung absolvieren.“

"Orthopädie ist ein sehr Technik lastiges Fach und genau diese Technikaffinität bringen OTA mit", meint Brigitte Lager, Pflegedirektorin am Herz-Jesu-Krankenhaus in Wien.

Vorreiter*innen in der Ausbildung seien hierzulande westliche Bundesländer wie Salzburg, in denen der Fachkräftemangel besonders hoch sei, so Lagler. Doch auch die Vinzenz Gruppe ist interessiert. „Das Unternehmen Meducation hat sich mit dem Vinzentinum als Kooperationspartner um ein zweijähriges Aufschulungsangebot von der OP-Assistenz zur OTA beworben“, berichtet sie. Die Durchlässigkeit zwischen diesen beiden Berufen sei ebenfalls Teil des OTA-Ausbildungskonzepts. „Selbstverständlich stellen wir dafür dann auch Praktikumsstellen zur Verfügung.“ Dies sei ein erster Schritt der Vinzenz Gruppe in diese Richtung, den man in Zukunft auf jeden Fall ausbauen wolle. 

Seit Februar verstärkt eine erste OTA die derzeit 37-köpfige Mannschaft, die im Herz-Jesu-Krankenhaus im assistierenden OP-Bereich tätig ist. Sie kommt aus Deutschland, wo es diesen Beruf schon länger gibt, und wurde an ihrem neuen Arbeitsplatz warm aufgenommen. „Wir legen grundsätzlich Wert auf eine wertschätzende Atmosphäre und ein angenehmes Betriebsklima, dadurch können wir natürlich auch unserer OTA einen guten Einstieg bieten“, sagt Lagler. Dieser stünden eine Kollegin für die praktische Einarbeitung und ein „Buddy“ zum Einleben im Haus zur Seite. Und wie allen Mitarbeiter*innen erleichtern auch ihr regelmäßige Reflexionsgespräche mit den Führungskräften das Vorankommen. „Dabei schauen wir uns gemeinsam an, was gut läuft und wo es noch Verbesserungen braucht. Später evaluieren wir, welche Karrierewege und Fortbildungen interessant sein könnten.“ Als Pflegedirektorin sei ihr die optimale Zusammensetzung hochwertig ausgebildeter Teams und die Stärkung der Personaldecke genauso ein Anliegen wie eine ausgewogene Work-Life-Balance der Beschäftigten. „Das inkludiert auch lebensphasengerechte Arbeitszeitmodelle.“ Eine besondere Innovation werde das Haus – voraussichtlich 2024 – nach Abschluss der Arbeiten an einen komplett neuen OP-Bereich bieten: „Wir werden dann rotierende OP-Teams in mehreren OP-Sälen einsetzen, was eine enorme Qualitäts- und Effizienzsteigerung bedeutet.“ 

Text: Uschi Sorz; Fotos: Herz-Jesu-Krankenhaus, depositphotos.com

Brigitte Lagler, akad. Gepr. PDL, MSc

Pflegedirektorin am Herz-Jesu-Krankenhaus

Lagler wurde 1981 am Wiener AKH als DGKP diplomiert und arbeitete von 1981 bis 1989 dort in der Knochenmarktransplantation, die sie mitaufbaute. Von 1990 bis 1999 war sie am Evangelischen Krankenhaus in Wien als Hygienefachkraft in führender Position tätig und baute seitens der Pflege die angiographische Untersuchungseinheit mit auf. Im Jahr 2000 wechselte sie ans Herz-Jesu-Krankenhaus der Vinzenz Gruppe, die ersten zwei Jahre als stellvertretende Pflegedirektorin. Seit 2002 ist sie Pflegedirektorin und seit 2007 Vorstand des Ressorts Wertemanagement. 

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