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Gesundheit
Oberösterreich
25.02.2021

„Es ist zu wenig Zeit zum Zuhören und zum Reden!“

Weiterdenken in die Zukunft des Gesundheitssystems und der Gesellschaft: Das wird Raimund Kaplinger nach seinem Rückzug aus der Geschäftsführung des Ordensklinikums Linz auch weiterhin beschäftigen.

Dreieinhalb Jahre nach der Gründung des Ordensklinikums Linz haben Sie sich wie vorgesehen aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Raimund Kaplinger: Um das zu beantworten, möchte ich noch einen Schritt zurückgehen, ins Jahr 2012: Als ich damals die Geschäftsführung im Krankenhaus der Elisabethinen übernahm, war mein Ziel, die Bedeutung dieses schönen Hauses mit bestem Ruf zu sichern. Die Einschnitte durch die Spitalsreform II waren sehr herausfordernd, doch gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Führungskräften ist es gelungen, die gesetzten Ziele zu erreichen. Der Stellenwert als medizinisch hochwertiges Krankenhaus mit kompetenter, fürsorglicher Betreuung wurde gefestigt und durch die Fusion zum Ordensklinikum Linz noch bedeutend ausgebaut.

Wo steht die Fusion heute, anders gefragt: Was bleibt noch zu tun?

Die Zusammenführung der zwei Ordensspitäler war ein enorm wichtiger Schritt für die Zukunft beider Krankenhäuser, für die Gesundheitsversorgung im Zentralraum und in ganz Oberösterreich und auch für die Ordensspitäler insgesamt. Die bisherigen Phasen wurden sehr gut gemeistert. Ich bin stolz darauf, wie engagiert und professionell unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die damit verbundene, zusätzliche Arbeit bewältigen und wie positiv das Leistungsangebot von den Menschen angenommen wird. Die klare medizinische Positionierung der beiden Standorte ist weit gediehen. Wir bieten hochwertige Krankenhausmedizin und Pflege, in vielen Bereichen mit nationaler und zum Teil internationaler Bedeutung. In der Verwaltung und bei der IT sind noch einige Maßnahmen und Vereinheitlichungen umzusetzen.

"Die klare medizinische Positionierung der beiden Standorte ist weit gediehen."

Würden Sie mit heutigem Blickwinkel auf die Fusion etwas anders machen?

Die Grundausrichtung stimmt, mehr noch: So wie das Ordensklinikum Linz heute dasteht, ist es aus meiner Sicht ein Vorzeigemodell. Es steht für medizinische, pflegerische und administrative Leistungsfähigkeit, ebenso für Freundlichkeit und Zuwendung. Und es steht für gelebte Kooperationsfähigkeit, ohne die es in Zeiten der Spezialisierung immer schwieriger wird, erfolgreich zu sein. Das gilt für Unternehmen und Berufsgruppen, aber auch für Ordensgemeinschaften im Zusammenwirken ihrer Betriebe, in denen christliche Haltung erkennbar und erlebbar ist.

Ist das Ordensklinikum aus Ihrer Sicht für die Zukunft gut aufgestellt?

Ja, aus mehreren Gründen. Es ist für die Gesundheitsversorgung im Zentralraum von großer strategischer Bedeutung, und es hat mit den Elisabethinen und der Vinzenz Gruppe zwei Eigentümer mit einer langfristigen Perspektive. Sie stehen für Sicherheit, für Stabilität und für Vertrauen – grundlegende Erfolgsfaktoren für jede positive Entwicklung. Dazu kommen Führungskräfte, die sich intensiv bemühen, Rahmenbedingungen zu gestalten, die für eine weitere positive Entwicklung notwendig sind. Und nicht zuletzt werden die Krankenhäuser von kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen, die sich stark mit dem Ordensklinikum identifizieren.

Abgesehen vom Ordensklinikum: Was waren für Sie die wichtigsten Meilensteine Ihrer Arbeit in den vergangenen Jahren?

Dass es gelungen ist, rund um das Thema Gesundheit mit innovativen elisabethinischen Einrichtungen neue Angebote für Menschen zu entwickeln. Ich denke da an das medizinische Fitnesscenter „health“, an „elisana“, das Zentrum für ganzheitliche Gesundheit, und aus der jüngsten Vergangenheit an die Mitentwicklung des Gesundheitsparks des Ordensklinikums Linz. Und natürlich an das erste stationäre Hospiz St. Barbara, ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche Kooperation mit kompetenten und verlässlichen Partnern. Neben dem großen Feld der Gesundheit haben die Elisabethinen aber auch weitere Bereiche, die für Menschen im Lauf ihres Lebens relevant sind, als ihre Wirkfelder definiert: Wohnangebote für verschiedene Generationen, die Entwicklung von Menschen und Organisationen sowie die Spiritualität. Das ist eine enorm große Bandbreite, in der es viel zu tun gibt.

"Es ist wichtig, dass Ordensschwestern auch heute noch in ihren Einrichtungen und Betrieben sichtbar und spürbar sind und dass der Konvent in alle relevanten Entscheidungen mit eingebunden bleibt."

Wie stark ist bei all diesen Projekten noch spürbar, dass dahinter eine Ordensgemeinschaft steht? 

Genau darauf legen wir großen Wert. Es ist wichtig, dass Ordensschwestern auch heute noch in ihren Einrichtungen und Betrieben sichtbar und spürbar sind und dass der Konvent in alle relevanten Entscheidungen mit eingebunden bleibt. Alles, was in den vergangenen Jahren bei den Elisabethinen verwirklicht wurde, hat der Orden mitgetragen, entsprechend dem Leitsatz der Elisabethinen, die Menschen froh zu machen – froh im Sinne von „frei machen“, nämlich freimachen von Last und Bürde. 

Gerät die menschliche Zuwendung, für die gerade Ordensspitäler stehen, durch die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens unter Druck?

Nicht, wenn die Digitalisierung unterstützt und ermöglicht, dass mehr Zeit für den Kontakt mit Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht. Krankenhäuser optimieren zunehmend erfolgreich Prozesse, fast immer im Sinne von Beschleunigung. Wir müssen den Mut haben, zu sagen: Zumindest einen Teil dieser „gewonnenen Zeit“ erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um sie für Kommunikation und Zuwendung einzusetzen. Heute ist zu wenig Zeit, um mit den Patientinnen und Patienten zu reden, um ihnen zuzuhören. Und da bin ich ganz sicher: Reden und Zuhören werden ein sehr kostbares Service werden. 

Und doch gehört die Zukunft offenbar der Telemedizin. 

Telemedizin hat tatsächlich eine Riesenzukunft, aber nur bei bestimmten Anwendungen. Ich bin überzeugt, dass etwa Künstliche Intelligenz zu einem unverzichtbaren Berater in der Medizin wird. Aus meiner Sicht wird die KI den Arzt nicht ersetzen, aber es wird wenig Ärzte geben, die zukünftig ohne KI-Nutzung auskommen werden. Auch Kommunikation ist natürlich digital möglich, wenn die infrastrukturellen und personellen Voraussetzungen stimmen. Konsilien beispielsweise sind heute schon oft digital. Auch manche Arztkontakte lassen sich telemedizinisch gut absolvieren, etwa Kontrolltermine bei chronischen Erkrankungen. Und trotz aller technischen Möglichkeiten hat für mich die persönliche Kommunikation mit Patienten speziell im Behandlungskontext auch zukünftig oberste Priorität.

Wie sieht denn Ihre persönliche Zukunft nach dem Rückzug aus dem Ordensklinikum aus?

Ich bleibe gemeinsam mit der Generaloberin der Elisabethinen Sr. Barbara Lehner und Mag. Oliver Rendel in der Geschäftsführung der Holding der Elisabethinen Linz-Wien. Darüber hinaus möchte ich meiner Neugier mehr Zeit geben und mich stärker mit Philosophie, Theologie und Geschichte beschäftigen – vielleicht im Rahmen eines Studiums. Und ich möchte mich gerne mit anderen zusammentun, um gemeinsam fundiert über Entwicklungen und Alternativen nach- und weiterzudenken, für die Gesellschaft, aber auch konkret für das Gesundheitssystem. Das Thema Digitalisierung, ihr Nutzen und ihre Grenzen – das wird dabei sicher eine wichtige Rolle spielen.

Interview: Josef Haslinger

 

Raimund Kaplinger, Mag.

Geschäftsführer der Elisabethinen Linz-Wien

Der 62-jährige Linzer ist gelernter Bankkaufmann, studierter Betriebswirt und seit über 30 Jahren in Leitungsfunktionen tätig, überwiegend im Gesundheitsbereich. 2012 übernahm er die Geschäftsführung des Krankenhauses der Elisabethinen Linz; seit der Gründung des Ordensklinikums Linz (2017) verantwortete er in dessen Geschäftsführung unter anderem die Bereiche Personal, Organisation und IT.

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