Der unsichtbare Feind
Gemäß einer aktuellen Studie spielen Krankenhäuser bei der Ausbreitung Antibiotika-resistenter Superkeime eine zentrale Rolle. Petra Apfalter, Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen, nimmt dazu Stellung.
Antibiotika-resistente Keime treten besonders häufig in Krankenhäusern auf und sind gerade für Patientinnen und Patienten höchst gefährlich. Hat sich die Situation verschärft?
Petra Apfalter: Ein Krankenhaus ist ein Ort, an dem viele kranke Menschen zusammenkommen und wo die medizinischen Eingriffe immer komplexer werden. Im Krankenhaus befinden sich also per se Personen, die aus verschiedenen Gründen besonders anfällig sind, durch Bakterien zu erkranken, also Infektionen zu erleiden, egal ob diese resistent oder auch nicht-resistent sind. Wir leben nun einmal in keiner keimfreien Welt, weder im Krankenhaus noch außerhalb.
Infektionen in Krankenhäusern hat es daher immer schon gegeben. Der Unterschied zu früher ist jedoch, dass die Medizin immer invasiver wird. Wir haben heute mehr Möglichkeiten, Patienten zu behandeln. Denken Sie an Intensivstationen und die vielen invasiven Eingriffe wie künstliche Beatmung, Venen– und Harnkatheter, Fremdkörper und mehr. Dadurch steigt natürlich auch die Infektionsgefahr. So gesehen hat sich die Situation natürlich verschärft. Im Fall von Infektionen durch multiresistente Erreger stehen einem auch weniger Antibiotika für die Therapie zur Verfügung.
Was ist aber dran an den multi-resistenten Erregern, die ja auch gerne als Krankenhauskeime oder 4-MRGN bezeichnet werden?
Es gibt den „Krankenhauskeim“ oder den sogenannten 4-MRGN Keim in diesem Sinne nicht. Es gibt eben Bakterien, die haben Resistenzen gegen unterschiedliche Antibiotika-Klassen ausgebildet. Und wenn nun ein Patient mit so einem Bakterium eine Infektion erleidet, also daran erkrankt, dann gibt es weniger Antibiotika, die man für die Therapie einsetzen kann. So schließt sich ja auch wieder der Kreis, denn natürlich sind die daran erkrankten Menschen in einem Krankenhaus, die dadurch wiederum in den Fokus geraten.
„Jeder Patient bringt Keime mit. Und natürlich fallen derartig resistente Keime dann im Krankenhaus auf fruchtbaren Boden.“
Warum geraten denn die Krankenhäuser in den Fokus?
Die aktuell publizierte, brisante Studie in Nature Microbiology, nach der sich Spitäler als Drehscheibe der Verbreitung multiresistenter Erreger herausstellten, fokussierte primär auf Krankenhäuser. Es gibt aber auch im ambulanten Bereich und in anderen Lebensbereichen multiresistente Erreger. Natürlich kann man in Spitälern durch sehr strikte Hygienemaßnahmen die nosokomialen Infektionen, also Erkrankungen, die in Krankenhäusern erworben werden, eindämmen. Ausschließen wird man sie aber nie können, denn viele dieser Infektionen können von der eigenen endogenen Flora ausgehen. Also, wenn ich beispielsweise nach Indien reise, dann kann es sein, dass sich ein resistenter Keim im Darm ansiedelt und ich drei Monate später mit einem Harnwegs-Infekt in Österreich ins Krankenhaus komme. Anders gesagt: Jeder Patient bringt Keime mit. Und natürlich fallen derartig resistente Keime dann im Krankenhaus auf fruchtbaren Boden.
Jetzt geht es aber um die Verbreitung dieser Keime. Ist es ein Mangel an Hygienemaßnahmen, der im eigentlichen Fokus der Studie steht?
Grundsätzlich ist es in Österreich so, dass es bezüglich der Hygienemaßnahmen eine Strategie gibt, die sogenannte "PROHYG 2.0". Sie gewährleistet in der Regel ein hohes Schutzniveau. Die Schwierigkeit dabei liegt aber darin, dass noch immer an den Ecken gespart wird, wo es um Präventivmaßnahmen geht. Das ist unpopulär und leider muss erst etwas passieren, bevor man wieder aktiv wird. Gerade die Krankenhaushygiene fällt gerne unter Sparmaßnahmen. Andererseits muss ich hier aber anmerken, dass die Krankenhaushygiene nicht jeden Einzelnen, der im Gesundheitswesen arbeitet, überwachen kann.
Gibt es denn Kontrollen, die immer wieder durchgeführt werden?
Ja, natürlich gibt es diese. In Österreich werden immer wieder sogenannte Hygienevisiten durchgeführt. Was sich aber noch nicht etabliert hat, ist der Bereich der Hygiene und Mikrobiologie, bei dem es auch an Fachärzten mangelt. Daran gilt es in Zukunft verstärkt zu arbeiten.
Hier ist also die Politik gefordert.
So ist es. Dennoch möchte ich festhalten, dass wir uns in Österreich im Vergleich zu anderen auf einem sehr hohen Niveau befinden, was die Krankenhaushygiene betrifft.
Interview: Rosi Dorudi
Petra Apfalter, Prim. Univ.-Prof. Dr.
Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen
In Linz geboren, studierte Apfalter an der Medizinischen Universität Wien. Nach Auslandsaufenthalten in London und den USA habilitierte sie 2003 in Wien. Seit 2014 ist sie Mitglied des Obersten Sanitätsrates sowie Autorin und Reviewerin zahlreicher nationaler und internationaler Journale.