INnovation
Gesundheit
Österreich
20.09.2023

„Die meisten Patient*innen freuen sich über virtuelle Mitgestaltungsmöglichkeiten“

Der Weg von ersten Bestrebungen nach effizienteren organisatorischen Prozessen rund um die Patient*innenversorgung bis zur Initialzündung für das neue digitale Patient*innenportal „Hallo Gesundheit“ begann am Adipositas Zentrum des Barmherzige Schwestern Krankenhauses in Wien. Während die Vinzenz Gruppe das innovative Tool zusammen mit Technologiepartner Siemens Healthineers entwickelte, fungierte die Abteilung als wichtige Impulsgeberin. Chirurg Georg Tentschert, der Leiter des Adipositas Zentrums, erzählt im Gespräch mit INGO, was „Hallo Gesundheit“ kann und wie es sich im Probebetrieb bewährt hat. Gerade wird es an den Häusern und Einrichtungen der Vinzenz Gruppe ausgerollt. 

Herr Oberarzt Tentschert, was ist „Hallo Gesundheit“ genau? 

Georg Tentschert: „Hallo Gesundheit“ ist ein neues Patient*innenportal der Vinzenz Gruppe, das von dieser gemeinsam mit der Firma Siemens Healthineers unter anderem an unserem Spital entwickelt wurde. Im Prinzip ist es ein digitaler Assistent, der sehr viel Nützliches kann: aktuell etwa den Einstieg in digitale Sprechstunden ermöglichen, Termine organisieren, Befunde und Arztbriefe hochladen und speichern. Seit 13. September 2023 ist das Programm online. „Hallo Gesundheit“ ist das erste digitale Angebot der Gesundheitsparks – eines Netzwerks aus vielfältigen Gesundheitsdienstleistern, zu denen auch die Krankenhäuser der Vinzenz Gruppe gehören. Dieses Netzwerk unterstützt Patient*innen bei allen gesundheitlichen Themen. Aktuell existieren sieben solcher Gesundheitsparks in Wien und Oberösterreich. Alle, die hier Patient*in sind, können „Hallo Gesundheit“ kostenlos nutzen. Aufgrund unserer aktiven Beteiligung verwendet unser Spital das Portal bereits, aber auch die Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie und die Adipositas Ambulanz des Göttlicher Heiland Krankenhauses bieten es schon an. „Hallo Gesundheit“ steht derzeit am Anfang, es werden aber laufend neue Abteilungen und Einrichtungen sowie neue Funktionen dazukommen.

Wie funktioniert das?

Zuerst bekommen die Nutzer*innen von der Einrichtung, an der sie Patient*in sind, eine Einladung. Damit können sie sich nach einer Identitätsprüfung über das Handy auf „Hallo Gesundheit“ registrieren. Je nachdem, welches Gerät sie nutzen – Smartphone, Tablet, PC oder Laptop – können sie sich fortan über eine App oder direkt am Browser ihres Rechners einloggen, mit Benutzername und Passwort oder ab November mit ID Austria. Das Ganze ist sehr einfach und unkompliziert aufgebaut. Aber nicht nur die Patient*innen können hier bestimmte behandlungsrelevante Prozesse verwalten: Umgekehrt können auch wir Spitalsmitarbeiter*innen sie über das Tool kontaktieren, zum Beispiel um sie an Termine zu erinnern, ihnen Befunde zu übermitteln und dergleichen. 

"Mehr Effizienz im Gesundheitswesen ist in Zeiten wie diesen ein Gebot der Stunde."

Das Barmherzige Schwestern Krankenhaus Wien war Pilotspital für „Hallo Gesundheit“ und das Adipositas Zentrum hat als erste Abteilung damit gearbeitet. Wie kam es dazu?

Zu Beginn der Corona-Pandemie haben wir am Adipositas Zentrum recht schnell gemerkt, wie schwierig sich Nachsorgeprozesse gestalten, wenn die Vor-Ort-Betreuung behindert ist. Also haben wir zunächst auf ein gängiges Videokonferenz-Tool zurückgegriffen, um die Kontrollen durchzuführen. Das hat ziemlich gut funktioniert und nachdem wir einige hundert Patientinnen auf diese Art serviciert haben, dachten wir, das ist eigentlich ausbaufähig. Innerhalb der Vinzenz Gruppe stieß das auf offene Ohren, denn ein Patient*innenportal war bereits ein lange gehegter Wunsch. Zudem ist mehr Effizienz im Gesundheitswesen in Zeiten wie diesen ein Gebot der Stunde. Mit Online-Sprechstunden hatte man schon ein paar Erfahrungen an anderen Häusern gesammelt. Das Unternehmen hat sich also mit den Spezialist*innen von Siemens Healthineers zusammengesetzt. Mit deren technologischer Expertise wurde dann Schritt für Schritt „Hallo Gesundheit“ entwickelt. Hier konnte sich unsere Abteilung einbringen und dabei mit vielen anderen Akteur*innen wie der Stabsstelle Innovationsmanagement der Vinzenz Gruppe, Mitarbeiter*innen aus der Ärzt*innenschaft, der Pflege und der Verwaltung sowie nicht zuletzt den Patient*innen zusammenarbeiten. Rund 100 Patient*innen und über 130 Fachexpert*innen aus den Einrichtungen, an denen die Vinzenz Gruppe beteiligt ist, haben die Entwicklung im Rahmen von Tiefeninterviews und Workshops unterstützt. Aus meiner Sicht ist „Hallo Gesundheit“ gerade durch diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe so ein tolles Tool geworden. Alle Bedarfe, Ideen und Erfahrungswerte konnten einfließen und Siemens Healthineers hat stets auf jede sich ergebende Problemstellung reagiert und Lösungen dafür entwickelt.

Welche Rolle spielten die Wünsche der Patient*innen?

Eine außerordentlich große, denn es war von vorherein Ziel des Projekts, ein Portal zu schaffen, das Patient*innen mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung bietet und ihren Bedürfnissen wirklich entspricht. Aus einer aktuellen marketagent.-Studie wissen wir auch, dass sie sich genau das wünschen. 61 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sie ihre Gesundheitsversorgung gern aktiv mitgestalten und mitorganisieren wollen. Ebenso stießen die in der Erhebung vorgeschlagenen Online-Angebote auf große Zustimmung. Es bedeutet ja auch eine große Entlastung für viele, wenn sie beispielsweise für ein Zehn-Minuten-Gespräch nicht extra – womöglich von weiter weg – anreisen und hier dann auch noch längere Zeit im Wartebereich sitzen müssen. Zudem können Menschen nach stationären Aufenthalten früher auschecken, weil wir ihnen den Entlassungsbrief genauso gut online übermitteln können. Sie können generell Befunde zeitnah einsehen. Solche Vorteile bietet ihnen „Hallo Gesundheit“ nun, und das alles barrierefrei, datenschutzkonform, professionell verschlüsselt und geschützt.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit dem Tool gemacht?

Am Adipositas Zentrum haben wir bis jetzt etwa 1000 virtuelle Patient*innengespräche über das neue Tool durchgeführt. Das funktioniert wunderbar und auch technisch reibungslos. Die Rückmeldungen der Patient*innen sind sehr gut. Vereinzelt gibt es Menschen, die das nicht wollen, das sind aber wenige. Und selbstverständlich haben wir dafür Verständnis, „Hallo Gesundheit“ versteht sich als ein zusätzliches Angebot. Die meisten freuen sich sehr über mehr Mitgestaltungsmöglichkeit und darüber, dass man nun so vieles virtuell erledigen kann. 

"Diagnosegespräche und Erstaufklärungen ersetzt 'Hallo Gesundheit' natürlich nicht."

Welche Vorteile hat „Hallo Gesundheit“ für die Spitalsmitarbeiter*innen?

Ich finde es praktisch, dass „Hallo Gesundheit“ keine Insellösung ist, sondern die hochgeladenen Befunde und Termine automatisch auch ins Krankenhaus-Informations-System eingespeist werden. Das schafft Übersichtlichkeit und vermeidet doppelten Zeitaufwand und Missverständnisse. Wir Ärzt*innen können uns außerdem besser auf eine virtuelle Sprechstunde vorbereiten, wenn wir die entsprechenden Laborbefunde des Patienten oder der Patientin bereits vorab einsehen können. Diagnosegespräche und Erstaufklärungen ersetzt „Hallo Gesundheit“ natürlich nicht. Aber es ist ein wirklich gutes Tool für die Standardnachsorge oder zur Terminvereinbarung und Befundübermittlung. Nicht zuletzt entlasten weniger überfüllte Wartezonen die Ambulanzen.

Sind Erweiterungen von „Hallo Gesundheit“ geplant?

Ja, „Hallo Gesundheit“ wird sich laufend weiterentwickeln. In Zukunft werden wir noch viel mehr Dinge damit machen können, zum Beispiel mit den Patient*innen über Aufgabenstellungen, die sie im Zuge des Behandlungsmanagements bekommen, kommunizieren. Unter anderem könnte ich mir maßgeschneiderte Fragelisten dazu vorstellen, die Patient*innen online ausfüllen und die den Behandler*innen so regelmäßig Aufschluss über die jeweiligen Verläufe, die Compliance und die beeinflussenden Faktoren geben. Im Prinzip kann aber alles, was zu einer gelungenen und effizienten Patient*innenkommunikation beiträgt, durch die Möglichkeiten der Digitalisierung realisiert werden. An solchen Aspekten weiterzuarbeiten und sie in „Hallo Gesundheit“ zu integrieren liegt somit nahe.

Interview: Uschi Sorz, Fotos: Markus Deak

Georg Tentschert, OA Dr.

Leiter des Adipositas Zentrums des Barmherzige Schwestern Krankenhauses Wien

Tentschert hat an der Universität Graz und an der Universität Wien Humanmedizin studiert und anschließend am Barmherzige Schwestern Krankenhaus Wien die Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie absolviert. Er ist außerdem zertifizierter Adipositas-Chirurg. Er leitet das Adipositas Zentrum des Barmherzige Schwestern Krankenhauses Wien, wo er als Oberarzt und Chirurg tätig ist. 

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