Innovative App kann bei der Hautkrebs-Früherkennung helfen
Je früher erkannt, desto besser die Heilungschancen: Regelmäßige Hautkrebsvorsorge hat einen hohen Stellenwert. Sind jedoch Dermatologe oder Dermatologin nicht so schnell wie erhofft greifbar, könnte fürs Erste eine Risikobewertung mittels künstlicher Intelligenz weiterhelfen.
„Hautkrebs ist weltweit die häufigste Krebsart“, sagt OA Dr. Michael Tripolt von der Grazer Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie. „Allein in Österreich erkranken jedes Jahr 32.000 Menschen neu daran.“ Der aus Kärnten stammende Hautchirurg und Dermatologe hat sich die Früherkennung auf die Fahnen geschrieben. Und zwar nicht nur in seiner Grazer Praxis, sondern er hat auch eine KI-basierte Hautkontroll-App namens SkinScreener mitentwickelt. „Ich habe schon viele tragische Hautkrebsfälle gesehen, auch von sehr jungen Patient*innen. Über Früherkennung ließe sich viel verhindern.“ Werde ein Melanom entdeckt und behandelt, bevor es mehr als einen Millimeter tief in die Haut eingewachsen sei, würden die Heilungschancen bei über 95 Prozent liegen. In fortgeschritteneren Stadien jedoch sänken die Überlebenschancen drastisch.
Den langen Atem für den jahrelangen Entwicklungsprozess der App verdanke er wohl auch dem Vorbild des Tricorders aus der Science-Fiction-Serie „Star Trek“, schmunzelt Tripolt. „Ich bin eingefleischter Star-Trek-Fan. Dieses kleine Gerät zur kontaktlosen und sekundenschnellen Detektion von Krankheiten habe ich auf der Kinoleinwand bewundert.“ Das Erstaunliche: Was in der aus den 1960er-Jahren angelaufenen Serie wie eine fernes futuristisches Fantasie-Tool anmutete, scheint mittlerweile Realität zu sein. Heute sind erste digitale Health-Care-Produkte und Smartphone-Diagnose-Apps auf dem Markt angekommen. Tripolts SkinScreener-App – made in Austria – ist ein innovatives Beispiel.
App mit hoher Treffgenauigkeit
Beim SkinScreener genügt ein Smartphone-Foto der verdächtigen Stelle, um die künstliche Intelligenz feststellen zu lassen, ob es Anlass zur Sorge gibt. Die App berücksichtigt Faktoren wie Größe, Farbe und Form und erkennt Hinweise auf Krebsvorstufen sowie Strukturelemente bösartiger Läsionen wie Plattenepithelkarzinome, Melanome, Basaliome und Morbus Bowen. Innerhalb von Sekunden gibt ein Ampelsystem Auskunft, ob ein geringes, mittleres oder hohes Risiko besteht. Je nach Ergebnis wird ein Besuch beim Dermatologen bzw. der Dermatologin nahegelegt. Die Treffgenauigkeit ist hoch, wie eine im Fachjournal PLOS One veröffentlichte Studie der Medizinischen Universität Graz nachgewiesen hat. Gestützt auf Bilder von Hautläsionen realer Patient*innen, attestierte diese dem SkinScreener eine Sensitivität und Spezifität von jeweils um die 98 Prozent. Das Start-up medaia, das Tripolt zusammen mit Kolleg*innen und Techniker*innen gegründet hat, hat die App 2020 auf den Markt gebracht.
„Es gibt viele Apps, die sich mit dem Thema beschäftigen, aber ganz wenige, die als Medizinprodukt zertifiziert sind.“
Prescreening und Intervallkontrolle
„Es gibt viele Apps, die sich mit dem Thema beschäftigen, aber ganz wenige, die als Medizinprodukt zertifiziert sind“, sagt medaia-Geschäftsführer Albin Skasa. „Derzeit haben wir als Einzige im Consumer-Bereich eine EU-weite Medizinprodukte-Zertifizierung der Klasse IIa auf Basis einer künstlichen Intelligenz.“ Menschen in acht EU-Ländern hätten bisher etwa 750.000 Scans über die App generiert. „Das Schöne ist“, so Tripolt, „dass wir bereits unter jenen, die diese angefertigt haben, um die 30.000 rechtzeitig in dermatologische Behandlung bringen und ihnen somit fatale Spätfolgen ersparen konnten.“ Natürlich ersetze der SkinScreener keinesfalls den regelmäßigen Kontrolltermin beim Dermatologen oder bei der Dermatologin, betont Tripolt. Die Diagnosemöglichkeiten der Dermatolog*innen wie Auflichtmikroskopie, 3-D-Ansicht, Probenentnahme und nicht zuletzt die ausführliche Anamnese seien unverzichtbar. „Wir sehen die App als Prescreening.“
Wofür also eignet sich der SkinScreener konkret? Etwa als schneller Check, wenn jemand beunruhigt sei, aber nicht schnell an einen Termin kommen könne, nennt Tripolt ein Beispiel. „In ländlichen Gebieten, wo Facharztpraxen dünn gesät sind, kann das durchaus eine Rolle spielen.“ Auch Menschen mit erhöhtem Risiko und Patient*innen mit einschlägigen Vorerkrankungen könne es nützen, ein unkompliziertes Tool zur regelmäßigen Selbstkontrolle zur Hand zu haben. „Und nicht zuletzt kann es Hausärzt*innen als Augmentationssystem für Zuweisungen zu den Fachärzt*innen dienen.“ Bislang ist SkinScreener neben Österreich in Deutschland, England, Irland, Frankreich, Spanien, Italien und Portugal vertreten. Zurzeit bemüht sich die medaia GmbH, ihre Fühler auch nach Übersee auszustrecken. „In Ländern wie Australien – mit der höchsten Hautkrebsrate der Welt – oder Neuseeland ist der Bedarf ja noch größer als bei uns“, erklärt Geschäftsführer Skasa die Zukunftspläne.
Text: Uschi Sorz
Fotos: © Werner Stieber, © Medaia
Michael Tripolt, OA Dr., MPH
Michael Tripolt hat an der Universität Graz und der University of Cambridge, Großbritannien, Medizin studiert und an der Universitätsklinik Graz seine Facharztausbildung in Chirurgie gemacht. Zugleich hat er an der Universität Graz und der MedUni Graz das Masterstudium in Public Health absolviert. Seit 2006 ist er Oberarzt an der Chirurgie des LKH Graz, seit 2008 stellvertretender Leiter der Hautchirurgie an der Grazer Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie. Seit 2012 ist er auch Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Er ist Mitglied des Landessanitätsrats für die Steiermark und der steirischen Landesgesundheitsplattform und betreibt eine dermatologische Facharztpraxis in Graz.