Google testet Sprach-KI im Krankenhaus
Nachdem bereits mehrere große US-Unternehmen an der Erstellung von medizinischen Sprachprogrammen arbeiten, greift jetzt auch Internet-Riese Google ein: Der Konzern lässt seinen intelligenten Chatbot aktuell im Krankenhaus testen – offenbar mit Erfolg.
Die meisten Menschen verbinden mit Künstlicher Intelligenz aktuell wohl Programme wie ChatGPT, die eigenständig Artikel schreiben, Fake-Fotos erstellen, dichten und malen können. Dass KI allerdings schon lange unseren Alltag beherrscht, ist nur Wenigen bewusst: Egal, ob beim Autofahren, bei Übersetzungstools, in der Landwirtschaft … selbstdenkende und -lernende Computerprogramme sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Auch im modernen Gesundheitswesen ist Künstliche Intelligenz (KI) bereits angekommen – sei es bei der Digitalisierung von Patientendaten, sei es bei der Analyse von Röntgenbildern. Zwar steht man, was die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten betrifft, hier erst am Anfang. Doch mit einem Blick auf das Tempo der aktuellen Entwicklungen wird schnell klar: KI kann die Welt der Medizin schon bald entscheidend verändern.
Selbständiges Lernen
US-amerikanische Big Player wie Microsoft oder Amazon vermeldeten im Bereich der automatisierten Dokumentation zuletzt deutliche Fortschritte (siehe dazu www.ingo-news.at/forschung/automatisierte-dokumentation), nun ist auch Google auf den Zug aufgesprungen. Seit vergangenen April wird das medizinische Large Language Model (LLM) des Unternehmens namens Med-PaLM 2 getestet: Neben ausgesuchten Privatpersonen kommt die KI in verschiedenen Einrichtungen zum Einsatz, allen voran im Forschungsspital Mayo Clinic in Rochester, Minnesota. Auch der Krankenhausbetreiber Hospital Corporation of America (HCA) und das medizinische Software-Unternehmen Meditech testen das LLM.
Bei LLMs handelt es sich um Sprachprogramme, die selbständig lernen, Gesprochenes schnell zu verstehen, zu verarbeiten und beantworten zu können. PaLM 2 ist Googles neueste Version des ursprünglichen PaLM (Pathways Language Model), das erst im Jänner 2023 präsentiert worden war. Auf dem Tool basiert unter anderem Googles Chatbot Bard, der im Frühjahr als Antwort auf ChatGPT präsentiert worden war.
"Die KI führt Gespräche über Gesundheitsthemen und gibt Antworten auf medizinische Fragen", erklärt Google.
Medizinische Antworten
Med-PaLM 2 wiederum ist explizit für den medizinischen Bereich vorgesehen, wobei Google noch keine Details zur Anwendung während der Testphase im Spital bekanntgab. Offiziell heißt es lediglich, Med-PaLM 2 werde in der Lage sein wird, „Gespräche über Gesundheitsthemen zu führen“ und „Antworten auf medizinische Fragen zu generieren“. Das Tool wurde demnach medizinisch „geschult“ und mit entsprechenden Expertisen gefüttert.
So soll die Sprach-KI auch bei der Datenverarbeitung helfen, indem sie laut Google selbständig Dokumente abruft, zusammenfasst und „Erkenntnisse aus komplizierten und unstrukturierten medizinischen Texten zieht“. Erste Studienergebnisse hätten zwar gezeigt, dass Med-PaLM 2 von Google noch mehr Fehler mache als Ärztinnen und Ärzte, weil es beispielsweise auch irrelevante Informationen in die Dokumentation aufnehme. Dennoch war das Tool schon jetzt in der Lage, auf gleichem Niveau wie seine menschlichen Kolleg*innen evidenzbasierte Antworten auf medizinische Fragen zu geben, so Google.
Und das sei erst der Anfang, denn Med-PaLM 2 befinde sich noch in einem frühen Stadium der Entwicklung, wie Greg Corrado, Googles Senior Research Director, erklärte. KI werde zwar niemals Ärztinnen und Ärzte ersetzen können, er sei jedoch davon überzeugt ist, dass man sie dort einsetzen solle, wo sie von Nutzen sein kann, um „zehnmal bessere Ergebnisse“ zu erhalten, so Corrado.
Weitere Forschung
Das Unternehmen ist allerdings nicht nur bei LLM umtriebig, die Forschung des US-Konzerns geht weit darüber hinaus: „Im klinischen Bereich haben wir letztes Jahr die Medical Imaging Suite angekündigt, eine KI-gestützte Technologie, die zur Verbesserung der Diagnose von Gebärmutterhalskrebs und zur Vorhersage von Metastasen bei Patienten mit Prostatakrebs eingesetzt wird“, so Google in einer Aussendung.
Gemeinsam mit der Mayo Clinic entwickelt man zudem aktuell ein Programm zur Behandlungsverbesserung von Kopf- und Halskrebs; mit dem Medizingeräte-Hersteller iCAD wiederum arbeite man zusammen, um die Brustkrebsvorsorge mittels KI zu verbessern.
Text: Michi Reichelt; Foto: Mayo Clinic © Solen Feyissa, Unsplash