Künstliche Intelligenz spürt Krankenhaus-Infektionen auf
Mit HAIDI® ist künstliche Intelligenz jetzt auch in der Hygiene angekommen. Die innovative Applikation wird im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried genutzt, um nosokomialen Infektionen auf die Spur zu kommen.
Spätestens seit Stanley Kubricks cineastischem Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum“, wo ein außer Kontrolle geratener Computer („HAL 9000“) das Kommando auf einem Raumschiff übernimmt, wird das Thema Künstliche Intelligenz kontrovers diskutiert. Anders als beim Filmdreh im Jahr 1968 vermutet, schreibt uns bis heute keine Maschine vor, was wir zu tun haben. Doch die „artificial intelligence“ (AI) hat Einzug in viele Bereiche des täglichen Lebens gehalten und dringt ständig in weitere vor – nicht zuletzt in der Medizin.
Im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried wird eine AI-Anwendung nun in der Krankenhaushygiene genutzt, um nosokomiale (im Spital erworbene) Infektionen aufzuspüren. Dies geschieht in Spitälern bisher meist durch Rückmeldungen betroffener Stationen sowie durch systematisierte Erfassung von Infektionszahlen und -daten mit bestehenden Systemen wie dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS), betrieben von der Charité in Berlin; dorthin meldet zu Vergleichszwecken auch das Hygieneteam des Krankenhauses Ried. Viele Einrichtungen nehmen auch an der Europäischen Punktprävalenzerhebung (EPPS) teil: Dabei werden alle Patient*innen an einem bestimmten Tag auf das Vorhandensein einer nosokomialen Infektion überprüft, was aufwändig und letztlich nicht sehr genau ist.
Verdachtsfälle werden herausgefiltert
Durch einen glücklichen Zufall stießen innovationsaffine Mitarbeiter*innen aus der Vinzenz Gruppe auf HAIDI®, eine Applikation eines tschechischen Start-Ups namens Datlowe. Sie macht genau das, wovon Hygieneexpert*innen bisher nur geträumt haben: Digitale Daten aus dem Krankenhaus-Informationssystem und SAP werden online mittels Algorithmus zu einem Puzzle aus Informationen zusammengetragen und mit international anerkannten Kriterien nosokomialer Infektionen (z. B. CDC oder RKI) abgeglichen. Ergibt sich ein Verdacht auf eine solche Infektion, macht HAIDI® darauf aufmerksam.
Das Hygieneteam im Krankenhaus Ried hat sich bereits 2020 dieses Themas angenommen. Nach mehreren erfolgreichen Testläufen ist HAIDI® seit Juli im Echtbetrieb im Einsatz. Die Anwendung greift auf definierte, strukturierte Daten zu und verknüpft diese nach dem besagten Algorithmus. Wesentlich für den Erfolg der Anwendung ist dabei natürlich auch die Datenqualität der Einträge.
"Wir wollen Gesundheitsversorgung in bestmöglicher Qualität bieten. HAIDI ist ein wertvolles Werkzeug für unsere Mitarbeiter*innen, das ihnen hilft, nosokomiale Infektionen täglich zu detektieren", sagt Dr. Milo Halabi vom Hygieneteam des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Ried.
HAIDI® durchforstet Tag für Tag alle neu hinzu gekommenen Daten und „lernt“ dadurch permanent dazu. Es präsentiert dem Hygieneteam täglich all jene Patient*innen, bei denen der Verdacht auf eine nosokomiale Infektion besteht. Das Hygieneteam muss dann entscheiden, ob es sich tatsächlich um eine solche handelt oder nicht; erst dann wird der Fall in die Statistik übernommen. Daraus kann exakt die Rate an nosokomialen Infektionen abgelesen werden – tagesaktuell und nicht erst retrospektiv.
Kooperation für die Weiterentwicklung
Die Vinzenz Gruppe begrüßt Innovationen in ihren Zentren, arbeitet seit langem mit Healthtech-Startups zusammen und hat sich das Thema Digitalisierung auf die Fahnen geheftet. Sie ist mit Datlowe eine Entwicklungskooperation eingegangen, um HAIDI® nicht nur zu testen und anzuwenden, sondern gemeinsam mit den Hygieneexpert*innen auch für weitere Anwendungen (Clusteranalyse, automatische Übermittlung von Daten an KISS etc.) fit zu machen. „Wir freuen uns über den Einblick in unsere alltäglichen Prozesse und in unsere IT-Infrastruktur, den HAIDI® ermöglicht“, sagt Katja Österreicher, Leiterin des Innovationsmanagements der Vinzenz Gruppe. Inzwischen zeigt sich auch die Charité interessiert an einer Kooperation mit dem Hygieneteam in Ried, denn auch dort wird überlegt, wie man das „data warehouse“ in der Medizin für die Erkennung von nosokomialen Infektionen nutzen kann.
„Wir wollen Gesundheitsversorgung in bestmöglicher Qualität bieten. HAIDI® ist ein wertvolles Werkzeug für unsere Mitarbeiter*innen, das ihnen hilft, nosokomiale Infektionen täglich zu detektieren. Es gibt uns in Echtzeit einen klaren Überblick über das Auftreten von Krankenhausinfektionen, damit wir uns besser auf unsere Arbeit konzentrieren und der Ausbreitung von Infektionsfällen vorbeugen können“, sagt Dr. Milo Halabi vom Hygieneteam des Krankenhauses in Ried über die Implementierung des Produkts, die er in den letzten zwei Jahren vorangetrieben hat. Auch Krankenhaus-Geschäftsführer Mag. Johann Minihuber unterstreicht: „Wir möchten durch digitales Prototyping Unterstützungsprozesse digitalisieren, um den Mitarbeiter*innen bei der täglichen Arbeit eine Hilfestellung zu bieten."
„Dank HAIDI® stehen unserem Hygieneteam mehr und relevantere Daten zur Verfügung als je zuvor“, resümiert Dr. Halabi: „Das zeigt, dass Mensch und Maschine gut zusammenwirken können – HAIDI® ist eben nicht HAL 9000!“
Text: Josef Haslinger; Fotos: Schrattenecker-Fischer, depositphotos.com
Milo Halabi, Oberarzt Dr.
Leiter des Instituts für Pathologie, Mikrobiologie und molekulare Diagnostik am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried
Halabi ist ausgebildeter Facharzt für klinische Pathologie und Molekularpathologie. Er leitet das Institut für Pathologie, Mikrobiologie und molekulare Diagnostik am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried. Es ist eines von sechs Laboren in Oberösterreich, das Testungen auf Sars-CoV-2 durchführt. Zu den versorgten Bezirken zählen Ried, Schärding und Braunau.