Das Labor im Miniaturformat
Ein „Lab-on-a-Chip” verkleinert Labortests so, dass sie auf einem kleinen Chip Platz finden. Wie ein solcher Chip schnell und effizient geplant wird, erforschte der Oberösterreicher Andreas Grimmer.
Das Fieber steigt, Arme und Beine schmerzen – ein harmloser Infekt oder doch von der Influenza erwischt? In Zukunft könnten wir uns den Weg zum Arzt sparen: Einfach ein wenig Blut in den Schnelltest getropft, die Ergebnisse an den Arzt geschickt und schon wissen wir es. Noch ist es eine Wunschvorstellung. Doch was für Schwangerschaftstest und Blutzuckermessungen schon möglich ist, daran arbeiten Forscherinnen und Forscher auch für andere Untersuchungen. Tests, die derzeit noch aufwändig im Labor gemacht werden, sollen schnell, günstig und einfach auf kleinen Chips durchgeführt werden.
Die Gesetze des Kleinen
Auf dem Weg zum Lab-on-a-Chip müssen aber noch einige Hürden genommen werden, erklärt Andreas Grimmer, der sich in seiner Doktorarbeit an der JKU Linz mit der Planung dieser Chips beschäftigte. „Besonders der Entwurf, also die Erstellung des „Schaltplans“, ist hochgradig kompliziert. Es muss festgelegt werden, wie die Kanäle, durch die die Proben fließen, dimensioniert und verbunden werden, mit welchem Druck Flüssigkeiten in die Chips injiziert oder wie Operationen umgesetzt werden.“ Denn während im klassischen Labor ausgebildetes Personal das Blut in Testgeräte pipettiert, die benötigten Chemikalien in der richtigen Reihenfolge dazumischt und schließlich das Testergebnis ermittelt, macht ein Lab-on-a-Chip das automatisch.
„Besonders der Entwurf, also die Erstellung des Schaltplans, ist hochgradig kompliziert“, erklärt Wissenschafter Andreas Grimmer.
Damit der Chip am Schluss ein gültiges Ergebnis ausspuckt, müssen alle Schritte passen. Und das ist in der mikroskopischen Welt nicht ganz so einfach. Denn Wasser fließt nicht mehr nach unten, sondern durch die Kapillarkräfte nach oben, Reibung und Turbulenzen spielen eine wichtigere Rolle. Bisher entwickeln Ingenieurinnen und Ingenieure daher die Schaltkreise dieser Chips mühsam per Hand. In Reinräumen stellen sie Prototypen her, testen und verbessern diese, bis alles richtig fließt.
Mit einem Trick zum schnellen Design
Um diesen Design-Prozess zu beschleunigen, wendet Grimmer einen Trick an. Obwohl die Chip-Labore auf der sogenannten Mikrofluidik beruhen, nimmt der Informatiker Anleihe an den Gesetzen, die für elektrische Schaltkreise gelten. „Analog zum Ohm’schen Gesetz gibt es einen Zusammenhang zwischen Druck, Fluss und Strömungswiderstand: Mit einem gewissen Druck, äquivalent zur Spannung, werden Flüssigkeiten in einen Lab-on-a-Chip injiziert. Dies führt zu einem Fluss - äquivalent zur Stromstärke - in den Kanälen. Je länger und je kleiner der Querschnitt dieser Kanäle ist, umso mehr Kraft wird der Bewegung der Flüssigkeit entgegengesetzt, äquivalent zum elektrischen Widerstand.“
Mithilfe dieser Analogien modelliert Grimmer Lab-on-a-Chip im Computer und entwickelte effiziente Methoden, um die Abläufe auf diesem Chip zu entwerfen und zu simulieren. Viele Parameter, die sonst aufwändig durch Tests ermittelt werden, finden die Algorithmen automatisch. „So können unsere Methoden binnen weniger Sekunden Rechenzeit voraussagen, wie Flüssigkeiten durch den Chip fließen werden“, erklärt Grimmer. „Auch die Erstellung teurer Prototypen entfällt. Stattdessen kann man die Chips nun sehr genau simulieren -– und damit bereits früh prüfen, ob ein Entwurf das gewünschte Verhalten implementiert.“ Allerdings stößt die Analogie auch an ihre Grenzen, etwa bei der Simulation von chemischen Reaktionen.
Weiter geht’s mit Open Source
Aber einen Praxis-Test haben die Simulationsmethoden schon bestanden. „In einer durchgeführten Fallstudie verwendeten wir unsere Methoden für den Entwurf eines Chips, der die Wirksamkeit von Medikamenten testete und die Ergebnisse sind sehr vielversprechend: Bisher war für den Entwurf dieses Lab-on-a-Chips mehr als ein Monat Arbeitszeit von einem erfahrenen Ingenieur oder einer erfahrenen Ingenieurin notwendig. Mit den von uns vorgestellten Methoden gelang dies innerhalb eines Tages!“
Bis die Simulationsmethoden serienreif werden, wird es noch weitere Schritte brauchen, erklärt Grimmer. „Hierzu verfolgen wir einen offenen Ansatz, denn der Programmcode unsere Methoden ist ‚Open Source‘. Dadurch kann jeder die Programme testen, aber auch erweitern und weiterentwickeln.“ Ein schneller Design-Prozess wäre ein wichtiger Schritt, um noch mehr günstige und präzise Labortests anbieten zu können. „Derzeit stehen wir am Anfang einer spannenden Entwicklung! So sind zum Beispiel in der Medizin Anwendungen denkbar, mit denen wir in Zukunft beispielsweise unser Blut schnell und einfach von Zuhause selber analysieren können. Diese Werte können dann per Smartphone direkt an den Hausarzt übermitteln werden und damit dürfte sich die Zahl überflüssiger Arztbesuche deutlich verringern.“
Text: Sophie Fessl; Bild: shutterstock
Andreas Grimmer, Dr.
Andreas Grimmer aus Ried im Innkreis studierte an der Johannes Kepler Universität Linz Informatik. Danach promovierte er an der JKU in der Gruppe von Prof. Robert Wille mit seiner Arbeit „Automatic Methods for the Design of Droplet Microfluidic Networks: A Toolbox for Designers“. Für einen Beitrag über seine Doktorarbeit erhielt Grimmer den KlarText-Preis im Fachgebiet Informatik der Klaus Tschira-Stiftung. Der KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation zeichnet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, die eine sehr gute Doktorarbeit geschrieben haben und diese einem breiten Publikum erklären können. Nach seiner Promotion wechselte Grimmer zur Firma Dynatrace. Dort arbeitet er an Lösungen für das Autonomous Cloud Management.