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Gesundheit
Österreich
05.03.2024

Wenn Roboter rotsehen

Kaum ein medizinisches Prozedere wird häufiger durchgeführt als Blutabnahmen. Und so verwundert es nicht, dass in Zeiten von Künstlicher Intelligenz und Telemedizin nun auch in Richtung der automatisierten Venenpunktion geforscht wird – mit ersten Erfolgen.

Viele von uns haben sie irgendwann schon mal – quasi hautnah – erlebt: die periphere Venenpunktion. Anders ausgedrückt: Zahlreichen Menschen wurde in ihrem Leben bereits Blut abgenommen. Doch nicht bei allen hat dies reibungslos funktioniert, so besagt es die Statistik. Demnach geht jeder fünfte Stich beim Blutabnehmen im wahrsten Sinne des Wortes daneben. Hat ein Mensch besonders „schlechte“ Venen, steigt dieser Wert sogar auf über 50 Prozent – beziehungsweise statistisch auf bis zu fünf Versuche, bis die Blutabnahme tatsächlich klappt. Was im besten Fall für die Patient*innen schlicht unangenehm ist, kann im schlimmsten sogar Thrombosen und Infektionen nach sich ziehen.

„Brauchbare“ Ergebnisse

Dieses Problems hat sich nun die Fachhochschule Dortmund angenommen. Genauer: der Informationstechnik-Student Aron Hemmis. Von Bekannten im Rettungsdienst auf das Thema aufmerksam gemacht, machte er dieses zu seinem Biomedizintechnik-Projekt und entwickelte eine robotergestützte Venenpunktion: einen Roboterarm, der in der Lage ist, Menschen Blut abzunehmen. Die beiden Herausforderungen, denen sich Hemmis dabei stellte: die Bildgebung und der Nadelstich. Um die Vene für die Maschine erkennbar zu machen, griff der Studierende zu einer handelsüblichen Webcam, aus der er den Infrarot-Sperrfilter entfernte und Bildverarbeitungsalgorithmen anwendete.

Nachdem so die Venen am Monitor klar erkennbar waren, musste ihr Verlauf dargestellt und der Winkel für die Nadel definiert werden. „Der Versuchsaufbau mit dem Roboterarm hat hier noch Ungenauigkeiten, die in einem fertigen System nicht mehr sein dürfen“, so Aron Hemmis im diesbezüglichen Bericht auf der Website der Fachhochschule Dortmund. Dennoch konnten mit dem Test „brauchbare Ergebnisse“ erzielt werden – und das trotz der kostengünstigen Komponenten. Weitere Forschung auf dem Gebiet sowie der Einsatz von professionellem Equipment sollten jedoch in absehbarer Zeit für tatsächlichen medizinischen Einsatz sorgen können, ist sich Hemmis sicher.  Die   Bachelorarbeit des Studenten, der mittlerweile auf dem Weg zum Master in Biomedizinischer Informationstechnik ist, wurde im Rahmen der akademischen Jahresfeier der FH Dortmund Ende 2023 als beste seines Fachbereichs ausgezeichnet.

Freispielen der Ärzt*innen

Aron Hemmis ist freilich nicht der Erste, der sich auf diesem Gebiet engagiert. Eine Forschergruppe der Rutgers University im US-Bundesstaat New Jersey hatte bereits 2020 einen staubsaugergroßen Roboter mit Künstlicher Intelligenz entwickelt, der beim Blutabnehmen eine Trefferquote von 87 Prozent erreichte. Die Maschine war mit einem Nahinfrarot- und Ultraschall-Gerät ausgestattet, mit denen der Arm der behandelten Person abgetastet wurde. Mittels Infrarot wurden Blutgefäße aufgespürt, mittels Ultraschall ihr Durchmesser bestimmt. Die KI erfasste schließlich die ermittelten Daten, suchte danach die passende Vene aus und berechnete Winkel und Stärke des Stichs. Ein besonderes Augenmerk lag für die Wissenschaftler naturgemäß auf der Sicherheit der Patient*innen. So lernte der Roboter, auf jede Bewegung des Arms sowie auf etwaigen Widerstand, auf den die Nadel trifft, sofort entsprechend zu reagieren. 

Neben der höheren Erfolgsrate und damit dem Wohl der Patient*innen hat die maschinelle Venenpunktion auch jene Vorteile, die andere automatisierte beziehungsweise telemedizinischen Einrichtungen ebenfalls mit sich bringen:  Ärztinnen und Ärzte können mehr Zeit für die tatsächliche Behandlung der Menschen nutzen. Aron Hemmis jedenfalls hält eine technische Unterstützung der Medizinerinnen bei Blutabnahmen durchaus für realistisch, sie werde aber zumindest in einem ersten Schritt von den Mediz8inerinnen überwacht werden. Denn: „Ich kann mir gut vorstellen, dass die Erfolgsquote beim Einstich durch den Roboter höher ist. Aber so ein System hängt auch an der Frage, inwieweit Patient*innen den Maschinen vertrauen.“ 

Text: Michi Reichelt; Foto: Aron Hemmis © Fachhochschule Dortmund/Benedikt Reichel

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