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Österreich
19.02.2024

Ströck-Stiftung: Emotionaler Kampf gegen ME/CFS

Weltweit leiden Millionen Menschen an Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) – und dennoch ist kaum etwas über diese Erkrankung bekannt. Ebenfalls kaum bekannt: Die Bäckerei-Familie Ströck ist unter den Betroffenen und hat sich dem Kampf gegen ME/CFS verschrieben.

Sie betreibt über 75 Filialen in Ostösterreich und versorgt laut eigenen Angaben mehr als 80.000 Menschen täglich mit ihren Backwaren. Zudem fungiert sie als Lieferantin von Lebensmittelketten und Spitälern. Kurz, die Familie Ströck ist insbesondere im Wiener Raum als Bäckereidynastie gut bekannt. Weniger bekannt ist, dass sich die Ströcks seit vielen Jahren mit einem ganz besonderen Schicksal auseinandersetzen. Auseinandersetzen müssen. Denn Christoph, der jüngste Sohn von Bäckerei-Chef Gerhard Ströck, ist schwer krank. Der heute 36-Jährige leidet seit mehr als zehn Jahren an ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom), einer neuroimmunologische Multisystemerkrankung.

Betroffen sind dabei das zentrale und autonome Nervensystem, das Immunsystem und der Stoffwechsel. Die Folgen sind stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit und schwere Erschöpfung, die Betroffene nur noch teilweise oder im schwersten Erkrankungsfall gar nicht mehr aktiv am Leben teilhaben lässt. Charakteristisch für ME/CFS ist die Post-Exertional Malaise (PEM), bei der nach nur geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung eine ausgeprägte und anhaltende Verschlechterung der Symptome eintritt. 

Anerkennung, Aufklärung, Forschung

Auch bei Christoph Ströcks um drei Jahre älteren Bruder Philipp wurde 2018 ME/CFS diagnostiziert, wobei dessen Symptome aktuell weniger stark ausgeprägt sind. Der älteste Sohn von Gerhard Ströck, Michael, ist nicht betroffen und sprach im Vorjahr in einem ORF-Interview offen über die Erkrankung seiner Brüder. Demnach sei Christoph mittlerweile bettlägerig und gegen Geräusche und helles Licht abgeschottet. „Er hat praktisch keine Möglichkeit für soziale Kontakte“, so Michael Ströck. 

Bis zum Vorjahr kommunizierte Christoph Ströck mit der Außenwelt noch über die Plattform X (vormals Twitter), bis er schließlich Ende Dezember erklärte, die Verschlechterung seines Gesundheitszustands sowie die Umstände seiner Pflege machen es ihm unmöglich, weiter auf Social Media aktiv zu sein. Seinem Bruder Philipp geht es zwar besser als Christoph, er leidet aber unter starker Belastungsintoleranz; beide Brüder „kämpfen mit starken Muskel- und Gelenkschmerzen", wie Michael Ströck erklärte.

"Gemeinsam kämpfen wir für diejenigen, die es nicht mehr können", lautet das Motto der Familie Ströck.

Ihrem Schicksal tatenlos ergeben will sich die Familie Ströck allerdings nicht. Unter dem Motto „Gemeinsam kämpfen wir für diejenigen, die es nicht mehr können“, gründete sie im Jahr 2020 die WE&ME Stiftung. Deren Ziel ist es, „Mittel und Bewusstsein für die Forschung zu schaffen, um die Situation der Patienten und ihrer Angehörigen zu verbessern“, wie es offiziell heißt. „Mit einem Gefühl der Dringlichkeit setzen wir uns für Anerkennung, Aufklärung und Forschung ein, um sicherzustellen, dass jeder Mensch mit ME/CFS die mitfühlende und wirksame Pflege sowie die notwendige Unterstützung erhält, die er verdient, und schließlich eine Heilung“, erklären die Ströcks auf der WE&ME-Website. „Die Familie erfuhr aus erster Hand, dass es nur wenige Ärzte gibt, die sich mit der Diagnose und Behandlung von ME/CFS auskennen. Im Laufe der Jahre wurde der Familie Ströck die Bedeutung der Missstände im Bereich der sozialen Sicherheit und der Unterstützung für die Millionen von ME/CFS-Patienten bewusst.“

Die Datenlage bezüglich der Krankheit ist dürftig, und das, obwohl Expert*innen davon ausgehen, dass weltweit mehr als 20 Millionen davon betroffen sind. Und man rechnet in den nächsten Jahren aufgrund der Langzeitfolgen der Covid-Pandemie mit einem weiteren starken Anstieg an ME/CFS-Errkankungen. Aufgrund der fehlenden Expertisen habe auch Christoph zu Beginn seiner Erkrankung falsche Diagnosen und dadurch fehlerhafte Behandlungen erhalten, wodurch sein Zustand sich in den ersten beiden Jahren nach dem ersten Auftreten von Symptomen stetig verschlimmerte, so die Ströcks.

Nationale und internationale Kooperationen

Seit September 2023 wird an der MedUni Wien mit Unterstützung der WE&ME-Stiftung eine ME/CFS-Biobank mit Proben und Patient*innendaten aufgebaut, die eine Abstimmung mit internationalen Biobanken im Vereinigten Königreich, in Deutschland und den Niederlanden ermöglicht. 

Auf Einladung der Stiftung fand im vergangenen Jänner ein Expert*innentreffen statt, das als Startschuss des Arbeitsprozesses für verbesserte Behandlungsmöglichkeiten von ME/CFS und postviralen Erkrankungen darstellte. Unterstützt vom ehemaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober wurde die Notwendigkeit der aktuellen problematischen Versorgungslage anerkannt und von allen Teilnehmenden – unter anderem Vertreter*innen der Stadt Wien, ÖGK und MedUni Wien – beschlossen, dass weitere Gespräche mit den relevanten Instanzen des österreichischen Gesundheitssystems notwendig sind.

Bereits im Vorjahr hat die WE&ME-Stiftung ihr Vorhaben präsentiert, mehr als eine Million Euro in ein Kompetenzzentrum für Diagnostik, Therapie, Vernetzung und Weiterbildung zu investieren. Bisher wurde jedoch trotz der Anschubfinanzierung kein Partner gefunden, der das Vorhaben realisiert. Investiert wurde in den vergangenen Jahren jedoch auch in bestehende internationale und nationale Forschungseinrichtungen: „Eine größere siebenstellige Summe“, so Michael Ströck gegenüber dem ORF.

Expert*innen weisen darüber hinaus noch auf die Problematik des Namens der Erkrankung hin. Der Begriff „Fatigue“, also „Müdigkeit“ oder „Erschöpfung“, zeichne oft ein falsches Bild, nämlich, dass sich Betroffene schlicht Ruhe und Erholung brauchen. Oder sich sogar „einfach zusammenreißen“ könnten. Dies entspräche aber nicht dem tatsächlichen Krankheitsbild. Aufklärung und Bewusstseinsbildung über ME/CFS seien daher neben der Grundlagenforschung das Gebot der Stunde.

Text: Michi Reichelt; Foto: © Sergej Preis/Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

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