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Österreich
29.11.2022

Auf Reha und doch mitten im vertrauten Leben

Ambulante Rehabilitation wird für immer mehr Patient*innen zu einer attraktiven Alternative. Sie lässt sich gut in den Alltag und in das gewohnte Lebensumfeld integrieren. Eine „Reha light“ ist dieses Angebot aber definitiv nicht.

Nicht nur nach Unfällen oder orthopädischen Eingriffen ist Rehabilitation wichtig, um den Gesundheitszustand nachhaltig zu verbessern und wieder leistungsfähig zu werden. Auch bei zahlreichen anderen Krankheitsbildern – von kardiovaskulären Problemen über Krebserkrankungen bis zu Long Covid – können Reha-Behandlungen sinnvoll und hilfreich sein. Erfolgten diese therapeutischen Leistungen bis vor wenigen Jahren noch ausschließlich stationär in spezialisierten Zentren, so ist Rehabilitation heute zunehmend auch ambulant möglich.

„Wenn nicht aus bestimmten Gründen eine stationäre Reha notwendig ist, bietet dieses Modell den Vorteil, dass die Patient*innen ihre Lebensführung im gewohnten Umfeld beibehalten können“, sagt Dr. Gerda Reichel-Vacariu, Primaria am Institut für Physikalische Medizin im Orthopädischen Spital Speising. Dort wird ambulante Rehabilitation im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates bereits seit 2010 angeboten.

Aus dem einstigen Pilotprojekt entstand der erste von österreichweit mittlerweile vier Standorten von „Reha.ambulant“, einem Angebot der Vinzenz Gruppe, das teilweise in Kooperation mit externen Partnern betrieben wird. Jüngster Neuzugang ist Reha.ambulant Wien-Meidling, wo sich ein Team unter der Leitung von Prim. Dr. Gerhard Vavrovsky um orthopädische, onkologische und neurologische Patient*innen kümmert. Ebenfalls heuer eröffnet wurde der Standort in Ried im Innkreis mit sieben Reha-Indikationen (onkologische, orthopädische, kardiologische, pulmologische, neurologische und psychiatrische sowie Stoffwechsel-Reha). In Linz werden bereits seit 2015 neben orthopädischen auch onkologische Reha-Patient*innen betreut, es war damals Österreichs erstes ambulantes Reha-Zentrum mit diesem Schwerpunkt. In den Einrichtungen arbeiten Mediziner*innen, Physio-, Ergo- und Psychotherapeut*innen, Ernährungsexpert*innen und Sozialarbeiter*innen interdisziplinär zusammen.

Auch ambulante Reha muss bewilligt werden

Ambulante Rehabilitationsprogramme dauern in der sogenannten „Phase II“ durchwegs sechs Wochen mit jeweils drei Therapietagen pro Woche, in denen das Wiedererlangen von Gesundheit und Lebensqualität im Fokus steht. Bei Bedarf können sich zur nachhaltigen Stabilisierung weitere Therapieeinheiten im Rahmen einer mehrmonatigen „Phase III“ anschließen.  Sämtliche Leistungen müssen – wie bei einer stationären Reha – von den zuständigen Leistungsträgern (Sozialversicherungen) bewilligt werden und sind dann für die Patient*innen kostenfrei.

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Die Rehabilitand*innen wohnen während der gesamten Zeit zu Hause. Sie können gegebenenfalls ihren Beruf ausüben und privaten Verpflichtungen nachkommen, etwa bei der Betreuung von Kindern oder älteren Angehörigen. Dass die Menschen in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben, kann durchaus auch für den Therapieerfolg förderlich sein: „So bemerken sie im täglichen Leben laufend die Veränderungen durch die Reha, und die Maßnahmen können jederzeit entsprechend angepasst werden“, erklärt Prim. Dr. Christoph Habringer, Ärztlicher Direktor von Reha.ambulant in Linz. Er stellt fest, dass das Angebot sehr gut angenommen wird, nicht zuletzt, weil es den Patient*innen mehr Autonomie ermöglicht als eine stationäre Reha: „Nach einer womöglich langen Krankengeschichte mit Spitalsaufenthalten wollen sich viele nicht gleich wieder in einer Einrichtung wiederfinden, wo naturgemäß umfangreiche Regulative gelten“, erklärt der Primarius am Physikalischen Instituts des Ordensklinikums Linz Elisabethinen.

"Nach einer womöglich langen Krankengeschichte mit Spitalsaufenthalten wollen sich viele nicht gleich wieder in einer Einrichtung wiederfinden, wo naturgemäß umfangreiche Regulative gelten", erklärt Christoph Habringer, Ärztlicher Direktor von Reha.ambulant in Linz.

Auch Dr. Peter Golmayer ortet eine starke Nachfrage: „Die Zahl jener, die eine ambulante Rehabilitation einem stationären Aufenthalt vorziehen, ist größer als ich es mir vorgestellt habe“, bilanziert der Ärztliche Leiter von Reha.ambulant in Ried neun Monate nach der Eröffnung. Bei manchen Indikationen hätten neue Einrichtungen allerdings noch Luft nach oben, was die Auslastung betrifft: Es dauert eine gewisse Zeit, bis das neue Angebot in der breiten Bevölkerung bekannt ist. „Eine trägerunabhängige Bewerbung der ambulanten Rehabilitation insgesamt wäre sicherlich sinnvoll“, meint der Innviertler Mediziner.

Mehr Zeit für nachhaltige Veränderungen

Gerda Reichel-Vacariu hat die Erfahrung gemacht, dass in Speising mehr Frauen als Männer die ambulante Reha in Anspruch nehmen. „Das hat vermutlich mit familiären Betreuungspflichten zu tun“, vermutet die Ärztin. Ein weiteres Kriterium, das vor allem außerhalb der Ballungszentren zum Tragen kommt, ist der Anreiseweg: Eine Entfernung von mehr als 30 Kilometern ist für viele einfach zu weit.

Die längere Dauer der ambulanten im Vergleich zur stationären Rehabilitation schätzen die Expert*innen positiv ein: „In sechs Wochen lassen sich nachhaltige Veränderungen eher bewirken als in drei Wochen“, sagt Habringer – zumal auch die ambulante Variante alles andere als eine „Reha light“ darstellt. Wichtig ist ein klares Regulativ für den Krankenstand. Man könne sicherlich hinterfragen, ob auch die Tage zwischen den Therapieeinheiten als Krankenstand gelten müssen; letztlich sei das allerdings ein Thema der zuweisenden Hausärzt*innen.

Angebote für Kinder und Jugendliche fehlen noch

In Zukunft noch mehr Bedeutung gewinnen wird nach Ansicht der Reha-Expert*innen die onkologische Rehabilitation, weil sich Krebserkrankungen durch neue Behandlungsmöglichkeiten vermehrt zu chronischen Krankheitsbildern wandeln. Wichtig wäre auch ambulante Reha für Kinder und Jugendliche, wo es derzeit noch keinerlei Angebote gibt. Was sollte außerdem getan werden, um das Konzept der ambulanten Reha noch besser zu etablieren? „Nicht nur Berufstätige, sondern auch Menschen im Ruhestand sollten das Angebot nutzen können, das ist derzeit nicht bei allen Leistungsträgern der Fall“, betont Reichel-Vacariu. Und Golmayer merkt an: „Wesentlich wäre, dass die ambulante Rehabilitation ihre evidenzbasierten Strukturen beibehalten kann und nicht Gefahr läuft, durch neue Leistungsprofile Qualität durch Quantität ersetzen zu müssen“. 

Text: Josef Haslinger

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