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Gesundheit
Österreich
29.06.2020

Neue Plattform für innovative Krebstherapie

Für einen flächendeckenden Einsatz der CAR-T-Zell Therapie haben sich sechs österreichische Zentren zum Austrian CAR-T-Cell Network zusammengeschlossen. Einer der Partner ist das Ordensklinikum Linz. Im Winter 2019 konnte der erste Patient in Oberösterreich im Rahmen des Netzwerks behandelt werden.

„Das Netzwerk wurde gegründet, weil die CAR-T-Zell Therapie eine neue Form der Zelltherapie ist, für die es viel Erfahrung im Umgang mit zellulären Therapien braucht“, erklärt Andreas Petzer, Abteilungsvorstand Medizinische Onkologie und Hämatologie am Ordensklinikum Linz. „Daher wird für Erwachsene die Therapie nur an fünf österreichischen Zentren angeboten.“ Neben dem Ordensklinikum Linz sind das die Medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck sowie das Uniklinikum Salzburg. Für Kinder wird die CAR-T-Zell Therapie am St. Anna Kinderspital in Wien angeboten. Diese sechs Zentren sind Partner im Austrian CAR-T-Cell Network, das 2019 gegründet wurde, im Februar 2020 fand ein Kick-off Meeting der Partner statt. 

Gezielte Attacke auf den Tumor

Die CAR-T-Zell Therapie ist eine neue Form der zellulären Immuntherapie, bei der manipulierte Immunzellen den Tumor attackieren. Dafür werden den PatientInnen spezielle Immunzellen, sogenannte T-Zellen, entnommen und außerhalb des Körpers so verändert, dass sie die Tumorzellen erkennen und im Anschluss zerstören können. „Damit werden die Patienten-eigenen Zellen gegen den Tumor scharf gemacht“, erläutert Petzer. Anschließend werden die manipulierten Zellen, nun CAR-T-Zellen genannt, den PatientInnen transfundiert, wo sie den Tumor attackieren. Derzeit ist die CAR-T-Zell Therapie in Europa nur für drei Indikationen zugelassen.

„Noch hat jedes Zentrum nur wenig Erfahrung mit dieser Therapie, daher dient unser Netzwerk auch dem Erfahrungsaustausch“, berichtet Petzer. Außerdem werden manche Studien für bestimmte Krebsentitäten nur in einzelnen Zentren angeboten. „Wir können uns so gezielt Patienten zuweisen, die dann im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden können.“ Damit kommt es auch zu einer Kostenersparnis. Denn die Manipulation und Herstellung der CAR-T-Zellen kosten rund 300.000 Euro, für die notwendige Betreuung im Krankenhaus und die Zellgewinnung fallen insgesamt 400.000 bis 500.000 Euro an, schätzt Petzer. Im Rahmen einer Studie wird das Produkt, also die Manipulation der T-Zellen, gratis zur Verfügung gestellt. 

Transparente Auswahl der PatientInnen

Im Rahmen des Austrian CAR-T-Cell Networks wurden auch einheitliche Kriterien festgelegt, bei welchen PatientInnen die Therapie angewendet werden sollte. „Damit haben wir klare, nachvollziehbare Leitlinien, wann eine CAR-T-Zell-Therapie sinnvoll angewendet werden kann. Die PatientInnen müssen genaue Kriterien erfüllen, um sich für eine CAR-T-Zell-Therapie zu qualifizieren. Dazu gehören unter anderem eine adäquate Funktion von Herz, Niere und Lunge, sowie eine grundsätzliche Fitness. Diese Voraussetzungen sind wichtig, denn während der gezielten Attacke auf Krebszellen kann es bei der CAR-T-Zell-Therapie auch zu vorübergehend schweren Nebenwirkungen kommen. Eine davon ist das Zytokin-Release Syndrom. „Wenn CAR-T-Zellen einen Tumor rasch zerstören, werden beim Zellzerfall Substanzen freigesetzt, die einen Zytokinsturm auslösen. Diese starke Entzündungsreaktion kann zu lebensgefährlichen Symptomen führen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen.“

Auch Neurotoxizitäten zählen zu häufigen Nebenwirkungen, die möglichen neurologischen Störungen reichen von Wortfindungsstörungen und Krämpfen bis hin zu Koma. „Die Nebenwirkungen können zwar schwer sein, die gute Nachricht ist aber, dass sie transient und managebar sind, in der Regel erholen sich die Patientinnen und Patienten bei entsprechender Behandlung innerhalb von Tagen. Aber man muss sie über diese Zeit bringen, daher ist die Voraussetzung eine gewisse Grundfitness. Ein Patient mit Herzproblemen kann etwa einen Blutdruckabfall fiel schlechter überstehen als ein sonst fitter Patient. Daher ist die CAR-T-Zell-Therapie nicht für jeden Patienten eine geeignete Therapieform“, betont Petzer. 

Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine komplexe Therapie, an der viele Disziplinen beteiligt sind. Um sicherzustellen, dass die Nebenwirkungen behandelt werden können, müssen Krankenhäuser von den jeweiligen Herstellern zertifiziert sein. „Voraussetzung ist, dass ein Intensivplatz reserviert ist, ein Intensivmediziner, ein Kardiologe sowie ein Neurologe vorhanden ist und alle, die die PatientInnen während dieser Phase behandeln und betreuen, also auch Pflegepersonen, entsprechend geschult sind. Erst dann wird das Zellprodukt für ein Spital angeboten.“ 

Erster Patient in Oberösterreich behandelt

2019 wurde der erste Patient in Oberösterreich im Rahmen des Austrian CAR-T-Cell Networks behandelt. Er wurde am Ordensklinikum Linz in einer Studie für eine noch nicht zugelassene Indikation therapiert. Denn derzeit ist die CAR-T-Zell-Therapie in Europa nur zur Behandlung von erwachsenen PatientInnen mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr systemischen Therapien zugelassen, sowie zur Behandlung von Kindern und jungen Erwachsenen bis 25 Jahren mit refraktärer oder rezidivierender akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie. „Unser Patient hat ein follikuläres Lymphom, für diese Indikation gibt es derzeit noch keine Zulassung. Es wird erst getestet, inwieweit eine CAR-T-Zell-Therapie für diese PatientInnen erfolgreich ist“, erklärt Petzer. „Nach multiplen Vortherapien wurde der Patient in die Studie eingebracht, für ihn standen keine anderen Therapieoptionen mehr zur Verfügung.“ 

Dieser erste Patient ist auch ein gutes Beispiel für den Austausch innerhalb des CAR-T-Zell Netzwerks. „Unser Patient kam aus Tirol, denn für das follikuläre Lymphom ist das Ordensklinikum Linz das einzige Studienzentrum in Österreich. Nach einem Krankheitsschub wurde er daher aus Innsbruck zu uns überwiesen“, berichtet Petzer. Die Behandlung hat der Patient gut überstanden. „Er hat die Behandlung grundsätzlich gut vertragen und kam nur kurz zur Beobachtung auf die Intensivstation. Nach der Behandlung hat der Patient initial gut angesprochen und es geht ihm derzeit gut, zuletzt zeigte sich jedoch nach sechs Monaten wieder eine Zunahme der Lymphknoten. Wir werden diesen Patienten weiter engmaschig nachkontrollieren.“ 

Auch in der Nachkontrolle hat der Zusammenschluss im Austrian CAR-T-Cell Network Vorteile. „Weitere Kontrollen werden, wenn möglich, bei diesem Patienten wohnortnahe an der Universitätsklinik Innsbruck durchgeführt“, erläutert Petzer. „Der Patient kommt aber auch ins Ordensklinikum, wenn es notwendig ist. Speziell in Corona-Zeiten möchten wir ihm nicht für jede Kontrolle den Weg nach Linz zumuten!“ 

Text: Sophie Fessl; Bilder: Ordensklinikum Linz

Andreas Petzer, Prim. Univ.- Prof. Dr.

Vorstand der Abteilung für Hämatologie mit Stammzelltransplantation, Hämostaseologie und Medizinischen Onkologie am Ordensklinikum Linz.

Petzer studierte an der medizinischen Universität Innsbruck. Nach einer Postdoc-Stelle am Terry Fox Laboratory in Kanada habilitierte sich Petzer im Fach Innere Medizin, seit 1997 ist er Professor für Innere Medizin. 2005 kam Petzer als Vorstand der Abteilung Interne I, Internistische Onkologie, Hämatologie und Gastroenterologie an das Krankenhaus Barmherzige Schwestern Linz. Seit 2017 leitet er die Abteilungen Interne I für Hämatologie mit Stammzelltransplantation, Hämostaseologie und Medizinischen Onkologie an den Standorten Barmherzige Schwestern und Elisabethinen im Ordensklinikum Linz.

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