„Bei berufsbedingten Hautkrankheiten ist eine frühe Behandlung entscheidend“
Hauterkrankungen sind die zweithäufigste Berufskrankheit. Nun haben die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), das AUVA-Kompetenzzentrum für Berufskrankheiten in Tobelbad und das Ordensklinikum Linz Elisabethinen die Expertise ihrer jahrelangen Zusammenarbeit gebündelt und das interdisziplinäre Berufsdermatologische Zentrum (BDZ OÖ) eröffnet. Es zielt auf Vorbeugung, Verhaltensprävention sowie die Verhinderung von Chronifizierung und Berufsunfähigkeit ab und kommt in Oberösterreich über 15.000 Betrieben zugute. Erhard Prugger, Vorsitzender der AUVA-Landesstelle Linz, spricht mit INGO über das innovative Konzept dahinter.
Die AUVA kooperiert bereits seit 2018 mit dem Ordensklinikum Linz Elisabethinen im Rahmen ihres Programms BK 19 zur Prävention und Rehabilitation berufsbedingter Hauterkrankungen. Auf Basis dieser Zusammenarbeit ist ein gemeinsames Berufsdermatologisches Zentrum in Oberösterreich entstanden. Warum hat man beschlossen, die vorhandenen BK-19-Kapazitäten zu erweitern?
Erhard Prugger: Für die AUVA sind Hauterkrankungen ein zentrales Thema, denn sie sind die zweithäufigste Berufskrankheit. Unser Allianzpartner, das Ordensklinikum Linz Elisabethinen, zählt österreichweit zu den herausragenden Einrichtungen in diesem Bereich. Und der dritte Pfeiler dieser Zusammenarbeit, unsere Reha-Klinik in Tobelbad, ist generell auf Berufskrankheiten spezialisiert. Miteinander haben wir in den letzten Jahren im Rahmen des AUVA-Haut-Programms BK 19 ein innovatives mehrstufiges Präventions- und Behandlungsmodell für hautbedingte Berufskrankheiten etabliert. Es ist quasi das Fundament des neuen interdisziplinären Berufsdermatologischen Zentrums, das seit Jahresbeginn an der Dermatologischen Ambulanz des Ordensklinikums Linz Elisabethinen zur Verfügung steht. Hier können die AUVA, das Ordensklinikum und die Reha-Klinik Tobelbad ihre reichhaltige Erfahrung und ihr spezifisches Know-how nun noch mehr bündeln als bisher, die bereits bewährte Kooperation intensivieren und den oberösterreichischen Firmen und ihren von Hautproblemen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine frühe Anlaufstelle bieten, wo alles getan wird, um eine Chronifizierung des Leidens und Berufsunfähigkeit zu verhindern. In meinen Augen ist das österreichweit ein Vorzeigeprojekt. Durch den gezielten, strukturierten Ansatz der drei beteiligten Institutionen und den hohen klinisch-wissenschaftlichen Standard ist Oberösterreich auf dem Gebiet der berufsbedingten Hautkrankheiten in einer Spitzenposition.
"Wir möchten erreichen, dass die Betroffenen nicht erst kommen, wenn der Hut brennt."
Was ist das Besondere an diesem strukturierten Ansatz?
Es handelt sich um eine dreistufige Vorgehensweise, bei der verschiedene Schritte aufeinander aufbauen, die man Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention nennt. Die Primärprävention zielt auf eine möglichst frühe Diagnostik und Behandlung ab, nämlich sobald die ersten Symptome auftreten. Hierzu braucht es Aufklärungskampagnen und Niederschwelligkeit. Das Berufsdermatologische Zentrum ist eine kompetente Anlaufstelle, die man schon aufsuchen kann, bevor sich beispielsweise ein Ekzem bereits großflächig ausgebreitet hat. Wir möchten erreichen, dass die Betroffenen nicht erst kommen, wenn der Hut brennt.
Bei der Sekundärprävention, die ein besonderer Fokus des Berufsdermatologischen Zentrums ist, geht es dann um die individuellen Maßnahmen. Im Mittelpunkt stehen so genannte „Hautsprechstunden“, die jeden Einzelfall von allen Seiten beleuchten und unter anderem ein Intensivseminar für den Betroffenen beinhalten. Wir binden auch den Arbeitgeber ein, sehen uns direkt am Arbeitsplatz an, wo die Ursachen liegen, was man verbessern kann. Und wir geben gezielte Empfehlungen zu systematischem Hautschutz und persönlichen Schutzausrüstungen. Es ist bekannt, dass sich Menschen eher an eine Therapie halten, wenn sie deren Sinn verstehen und genau wissen, was sie zu tun haben. Die behandlungsbegleitende Beratung, Information und Patientenschulung sind darum essenziell. Wir setzen auf ein Zusammenspiel von Verhältnis- und Verhaltensprävention.
Hervorzuheben sind auch die Interdisziplinarität und die hervorragende medizinische Behandlung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner sind dabei ebenso eingebunden wie Dermatologinnen und Dermatologen oder andere Fachrichtungen. Alles in allem bietet das Berufsdermatologische Zentrum ein maßgeschneidertes Rundum-Paket. Dies erhöht die Chance für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass aus ihren Symptomen kein gravierendes gesundheitliches Problem wird, und für den Betrieb, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht längere Zeit ausfallen. Reichen alle diese Maßnahmen nicht aus, ist der dritte und letzte Schritt die Tertiärprävention im Zuge einer dreiwöchigen stationären Heilbehandlung in der Reha-Klinik Tobelbad.
Das dreistufige Konzept zielt also auf Vorbeugung, Aufklärung zum richtigen Verhalten im Zuge der Behandlung und Vermeidung von Chronifizierung und Berufsunfähigkeit ab. Welche Erfahrungen hat man damit schon bei BK 19 gemacht und welche weiteren Verbesserungen erwartet man sich durch das Berufsdermatologische Zentrum?
Wir sehen, dass man mehr Betroffene im Beruf halten kann, wenn man an verschiedenen Stellschrauben gleichzeitig dreht. Es ist ja keine Kleinigkeit, einen Beruf, den man bewusst gewählt hat und gerne ausübt, wechseln zu müssen. Ganz zu schweigen von den Firmen, die Fachkräfte verlieren oder zumindest lange Ausfallzeiten haben. Auch uns als Versicherung entstehen hohe Kosten. Um solche negativen Entwicklungen hintanzuhalten, wirken in unserem Konzept mehrere Faktoren zusammen, die sich schon bei BK 19 bewährt haben. Damit aus den ersten Anzeichen keine bleibenden Schäden werden, ist eine frühe Diagnostik und Behandlung etwas ganz Entscheidendes. Und natürlich die bereits erwähnte Mitwirkung der Betroffenen. Es macht ja keinen Sinn, wenn sie ihre Salbe nicht regelmäßig verwenden oder sich nur an die Schutzmaßnahmen halten, solange der Chef in der Nähe ist. Heilungserfolg erfordert oft eine Lebensstiländerung. Wenn die Haut Probleme macht, muss man ihr nicht nur im Berufs-, sondern auch im Privatleben verstärkt Aufmerksamkeit zollen. Diese Bewusstseinsarbeit ist Teil unseres Konzepts, weil wir wissen, dass die hochkarätige medizinische Behandlung und die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz erst dann so richtig fruchten können.
"Heilungserfolg erfordert oft eine Lebensstiländerung."
Bei den betroffenen Versicherten, die wir ins Programm BK 19 aufgenommen haben, verzeichnen wir schon bisher eine große Zufriedenheit. Durch das Berufsdermatologische Zentrum und die damit verbundene intensivierte Zusammenarbeit mit dem Ordensklinikum Linz Elisabethinen werden wir das dreistufige Präventionsmodell künftig noch besser umsetzen können als bisher. Wir erwarten uns davon gezieltere Meldungen, schnellere diagnostische Abklärung und Behandlungsmöglichkeiten vor Ort, noch bessere Chancen auf den Verbleib im Beruf, Weiterentwicklungen im medizinisch-therapeutischen Bereich, neue Erkenntnisse für den Arbeitnehmerschutz sowie die Reduktion der wirtschaftlichen Folgekosten durch Produktivitäts- und Arbeitsplatzverlust, Rehabilitationsleistungen, Umschulungen oder Frühpensionierungen. Und – ganz wichtig – die Verminderung des großen menschlichen Leids, das mit diesen Erkrankungen verbunden ist.
In welchen Branchen sind die meisten Menschen betroffen und um welche Erkrankungen handelt es sich hauptsächlich?
80 Prozent der berufsbedingten Hautkrankheiten kommen aus sieben Berufsgruppen. Besonders gefährdet sind Friseure, Metaller, Heil- und Pflegeberufe, Maler und Menschen, die in der Nahrungsmittel-, Bau- und Reinigungsbranche arbeiten. Meist handelt es sich bei den Erkrankungen um Handekzeme, überwiegend hervorgerufen durch Feuchtarbeiten. Wir werden uns künftig aber auch vermehrt mit dem Thema Hautkrebs auseinandersetzen müssen, denkt man beispielsweise an Bauarbeiter, Dachdecker oder Fahrradboten beziehungsweise alle, die bei ihrer Arbeit viel im Freien sind. Das ist ein oft unterschätzter Krebs. Und auch wieder etwas, das nicht nur beruflich, sondern auch privat zählt. In Zeiten des Ozonlochs und des Klimawandels geht es nicht zuletzt darum, sich nicht mehr ohne Leiberl und Kappe in die Sonne zu begeben oder Vorkehrungen zu treffen, bevor man den Berg hinaufgeht. Wir werden uns diesem leider wachsenden Trend stellen und uns auch hier mehr Präventionsmöglichkeiten für Arbeitnehmer überlegen.
2019 wurden bei der AUVA in Österreich 2726 Verdachtsmeldungen einer Berufskrankheit eingebracht, eine Steigerung von 5,1 % zum Jahr davor, und davon wurden 1198 Fälle anerkannt. Immer öfter sind junge Werktätige betroffen. Warum ist das so? Arbeiten Menschen heute mit aggressiveren Stoffen?
Nein, im Gegenteil, die Firmen haben mittlerweile alle Standards und investieren – gerade in Österreich – sehr viel in den Arbeitnehmerschutz. Es ist ja auch in ihrem Interesse, teure Krankenstände zu vermeiden. Sie profitieren von Präventionsmaßnahmen und unterstützen sie nach Kräften. Beim Thema Haut spielen aber auch viele externe Faktoren eine Rolle wie eben die stärkere Sonneneinstrahlung. Und man darf die individuelle Sensibilität nicht außer Acht lassen. Die eine Friseurin hat zum Beispiel gar kein Problem mit den Substanzen, die sie verwendet, während ihre empfindlichere Kollegin vom selben Mittel ein Ekzem bekommt. Das hat nichts damit zu tun, dass die Firma nicht drauf schaut. Dass junge Menschen häufiger betroffen sind, liegt vermutlich zum Teil auch am jugendlichen Leichtsinn. Man fühlt sich in diesem Alter oft unverletzlich, findet medizinische Maßnahmen vielleicht auch etwas uncool oder nimmt sie weniger ernst. Da ist einfach mehr Aufklärung vonnöten, ein Stärken der Eigenverantwortung. Auf diese Weise möchten wir dazu beitragen, ihnen einen langen Leidensweg zu ersparen.
Interview: Uschi Sorz; Bilder: Werner Harrer, depositphotos.com
Erhard Prugger, Dr.
Erhard Prugger ist Vorstand der AUVA-Landesstelle Linz und Abteilungsleiter der Abteilung Sozial- und Rechtspolitik der Wirtschaftskammer OÖ.