Implantatassoziierte Infektionen in der Orthopädie
Eine der schwerwiegendsten Komplikationen des künstlichen Gelenkersatzes ist die Infektion. Gerade vor dem Hintergrund des stetig zunehmenden Alters der Patient*innen und der steigenden Antibiotikaresistenz stellen sie eine große Herausforderung dar. INGO sprach darüber mit OA Priv. Doz. Dr. Jochen Hofstätter, Spezialist für Hüft- und Kniegelenksersatz und Leiter des Michael-Ogon-Labors am Orthopädischen Spital Speising.
Prothetische Gelenkinfektionen lassen sich trotz Fortschritte in Prävention und Antibiotikatherapie nicht gänzlich vermeiden. Worin liegt die Problematik?
Jochen Hofstätter: Nun, das ist nicht nur bei Implantaten ein spezielles Problem. Prinzipiell kann es bei jeder Art von Operation zu Infektionen kommen. Grund dafür ist die Vielzahl an Bakterien, die unsere Haut besiedeln. Sie bilden die natürliche Hautflora, die auch eine Barrierefunktion hat. Bei einem operativen Eingriff wird diese Schutzschicht durchbrochen. Die Operationswunde wird sozusagen zur Eintrittspforte für Erreger, die schlimmstenfalls eine Infektion verursachen können. Natürlich ist auch beim Einsatz von Implantaten im menschlichen Körper die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass eine Infektion ausgelöst wird. Das Risiko ist dabei für hochbetagte Patient*innen, Übergewichtige, Diabetiker*innen und Menschen mit mehreren chronischen Krankheiten deutlich höher.
Wie lässt sich die Gefahr eindämmen?
Um die Infektionsgefahr zu senken, kommen neben der Einhaltung von Hygienemaßnahmen bei der Operation auch spezielle Schutzfolien zum Einsatz. Oft werden auch vorbeugend Antibiotika verschrieben.
"Besteht die Infektion schon über einen längeren Zeitraum, muss unter Umständen das Implantat durch eine erneute Operation ausgewechselt werden."
Was ist passiert bei einer Implantatinfektion?
Konnten sich die Hautkeime auf dem Implantat absetzen, bilden sie darauf einen Biofilm. Dieser verhindert, dass das neu eingebrachte Kunstgelenk in den Knochen einwachsen kann mit der Folge, dass es instabil und locker wird. Hier helfen auch keine Antibiotika mehr, da das Implantat nicht durchblutet ist. Besteht die Infektion schon über einen längeren Zeitraum, muss unter Umständen das Implantat durch eine erneute Operation ausgewechselt werden.
Wie gefährlich sind solche Infektionen für Patient*innen?
Das hängt von der Art der Keime ab. Sind diese besonders potent und die Patient*innen wie bereits erwähnt zusätzlich aufgrund eines schlechten Gesundheitszustandes besonders geschwächt, kann dies zu schwerwiegenden Infektionen führen, die schlimmstenfalls auch lebensbedrohlich sein können.
"Menschen mit Gelenkprothesen sollten - vor allem wenn sie immunsuppressiv sind - auf jede Art von Infekten und Infektionen am Körper achten."
Gibt es typische Symptome für solche Infektionen?
Hinweise sind anhaltende Schmerzen im Bereich des Implantats, aber auch Schwellungen oder Rötungen an der Stelle.
Können Prothesen-Patient*innen Infektionen präventiv vorbeugen?
Menschen mit Gelenkprothesen sollten - vor allem wenn sie immunsuppressiv sind - auf jede Art von Infekten und Infektionen am Körper achten. Das kann auch ein eingewachsener Nagel sein, der sich entzündet hat. Hier können die Bakterien über das Blut zum Implantat gelangen. Auch leichte Verletzungen der Haut oder Entzündungen im Mundbereich sollten nicht unterschätzt werden.
Welche Rolle spielen Infektionen mit antimikrobiellen Resistenzen?
Generell sind Antibiotika ein gutes Mittel bei der Behandlung bakterieller Infektionen. Wie aber bereits erwähnt, sind bei einer Implantatinfektion Antibiotika wirkungslos. Werden sie dennoch verschrieben, schafft man Resistenzen und die sind bekanntlich mittlerweile weltweit am Steigen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir immer ältere Patient*innen haben, die über die Jahre hinweg öfter Antibiotika eingenommen und dadurch Resistenzen entwickelt haben. In unserem Michael-Ogon-Labor im Orthopädischen Spital Speising arbeiten wir daher ständig an der Verbesserung in der Prävention, Diagnostik und Therapie von Implantatinfektionen.
Welche Erkenntnisse werden bereits umgesetzt?
Wir haben für die Erforschung von Implantatinfektionen eine eigene Datenbank geschaffen. An unserer Klinik wurden in den letzten zehn Jahren über 1.000 septische Revisionseingriffe durchgeführt, die wir in unserem Labor ausgewertet und analysiert haben. Mit den Erkenntnissen daraus möchten wir unseren Patienten*innen zukünftig eine bessere Prophylaxe und Therapie ermöglichen. Dazu zählen auch die Forschungsergebnisse von antibiotischen Resistenzmustern, aufgrund derer wir bereits in der Primär-Endoprothetik die prophylaktische Antibiotika-Therapie adaptiert haben und dadurch einen besseren Infektionsschutz erreichen konnten.
Interview: Rosi Dorudi; Fotos: depositphotos.com
Jochen Hofstätter, OA Priv. Doz. Dr.
Leiter des Michael-Ogon-Labors am Orthopädischen Spital Speising
Hofstätter ist Facharzt für Orthopädie am Orthopädischen Spital Speising. Hofstätter ist Teil des Spezialteams Hüftendoprothetik sowie Senior-Hauptoperateur des Endoprothetikzentrum II. Abteilung. Hofstätter leitet das Michael-Ogon-Labor am OSS.