Intelligente Robotik im OP
Die Endoprothetik ist eine der größten Erfolgsgeschichten der orthopädischen Chirurgie. Mit der Einführung von Robotik und KI steht die Orthopädie nun an der Schwelle einer neuen Ära. Ein herausragendes Beispiel für den technologischen Fortschritt ist der Velys-Roboter für Knieprothesen, der bereits in drei Kliniken der Vinzenz Gruppe im Einsatz ist.
Als größtes Gelenk im Körper ist das Knie am häufigsten von Verletzungen und degenerativen Abnutzungserscheinungen wie Arthrose betroffen. Sind die konservativen Behandlungsmöglichkeiten bei zunehmenden Schmerzen ausgeschöpft, kann ein künstliches Kniegelenk die Lebensqualität deutlich verbessern. „Das Knie ist ein komplexes Gelenk, das weder wie ein Scharnier- noch wie ein Kugelgelenk oder eine Kombination aus beiden funktioniert“, erläutert Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Dominkus vom Orthopädischen Spital Speising. „Vielmehr hat es alle Bewegungsmuster in sich vereint. Es ist ein kompliziertes Zusammenspiel von Bändern, Sehnen und Muskeln. Zudem werden die Statik und Dynamik durch die individuelle Anatomie, die bei jedem Menschen minimal anders ist, definiert. Ein Grund, warum die Wiederherstellung in die Ursprungsfunktionalität selbst für erfahrene Endoprothetiker eine besondere Herausforderung ist.“ Je präziser daher die Planung und exakter der Eingriff, desto besser das Resultat. „Im Idealfall verläuft die Beinachse von der Mitte des Hüftkopfes durch die Mitte des Sprunggelenks. Zur genauen Ausrichtung der Prothese haben wir bisher für jede*n Patientin*en eine individuelle Schablone angefertigt“, sagt der Experte. „Weicht diese gedachte Linie auf die Innen- oder Außenseite ab, bestand ein O- oder ein X-Bein, was zu einer Überlastung des Kunstgelenks führte.“ Trotz einer Zufriedenheitsquote von rund 85 Prozent blieb die Funktionsfähigkeit des neuen Gelenks bei 15 Prozent der Betroffenen bisher mangelhaft.
Modernste Technologie
„Die Einführung von Robotik und Navigationssystemen ist ein Quantensprung in der orthopädischen Chirurgie“, erläutert Dominkus. „Der Velys-Knieroboter, der bei uns seit Februar im Einsatz ist, vereint unsere chirurgische Expertise und jahrelange Erfahrung mit modernster Technologie.“ Der Roboterassistent verwendet fortschrittliche Kamera- und Navigationstechnik, um die genaue Anatomie der Patient*innen zu erfassen. „Er liefert in Echtzeit Informationen zur optimalen Ausrichtung der Prothese.“ Mit der gekoppelten Säge hilft er dem Chirurgen, präzise Schnitte zu setzen und die Implantate exakt an die individuelle Anatomie der Patient*innen anzupassen. Waren früher oft aufwendige CT- oder MRT-Aufnahmen vor der OP nötig, spart der Einsatz von Velys nun enorm an Zeit. Auch Primar Prof. DDr. Reinhold Ortmaier, Leiter der Abteilung für Orthopädie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, zeigt sich von der Robotertechnik für die Knieprothetik begeistert. „Der Einsatz von Velys ermöglicht einen zielgenauen und sicheren Operationsfortschritt“, sagt er. „Es kann zu jedem Zeitpunkt der Operation die Lage des Implantats beeinflusst und bestimmt werden. Dies gibt Sicherheit und führt zu einer höheren Genauigkeit.“
„Die Einführung von Robotik und Navigationssystemen ist ein Quantensprung in der orthopädischen Chirurgie." Martin Dominkus
Innovationsvorreiter Orthopädie
Neben dem Orthopädischen Spital Speising und dem Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern ist der Roboter auch im Herz Jesu Krankenhaus Wien im Einsatz. Damit zählen die drei Kliniken der Vinzenz Gruppe zu den sechs Standorten in Europa, an denen der Roboter die Operateure unterstützt. „Der Velys-Roboter stellt eine bedeutende Investition dar, die nur hoch frequentierte Kliniken wie unsere, die herausragende Leistungen im Bereich des Knieprothesenersatzes erbringen, realisieren können“, betont Prim. Dr. Gerald Ch. Loho, Vorstand der II. Orthopädischen Abteilung im Herz-Jesu Krankenhaus. Der Einsatz der robotergestützten Operationsverfahren helfe dabei, die Personalisierung weiter zu verbessern. Dominkus ergänzt: „KI-gestützte Technologien versprechen viele bahnbrechende Neuerungen. So haben wir nun zum ersten Mal die Möglichkeit, digital zu dokumentieren, was während der Operation gemacht wurde. Da wir innerhalb der Vinzenz Gruppe drei Roboter im Einsatz haben, können wir schnell eine große Menge an Daten sammeln. Korrelieren wir den Erfolg der Operationen mit unterschiedlichen Planungsansätzen, können wir die besten Ergebnisse identifizieren. Zukünftig könnte KI dann im Voraus die ideale Lösung für die Beschwerden der Patient*innen vorschlagen.“ Dies sei ein weiterer Schritt in Richtung einer personalisierten Versorgung.
Text: Rosi Dorudi
Foto: Die Primarii Martin Dominkus (Speising), Wolfgang Schneider (Herz-Jesu-KH), Gerald Loho (Herz-Jesu-KH) und Christian Albrecht (Speising) mit dem Velys-Orthopädieroboter. (C) Vinzenz Gruppe Wien / Kawka
Martin Dominkus, Prim. Univ.-Prof. Dr.
Vorstand der II. Orthopädischen Abteilung des Orthopädischen Spitals Speising
Martin Dominkus ist Vorstand der II. Orthopädischen Abteilung des Orthopädischen Spitals Speising mit Schwerpunkt Endoprothetik, Revisionschirurgie und Tumororthopädie sowie Professor für Orthopädie an der Sigmund Freud Privat Universität Wien. Nach seinem Studium der Medizin in Wien war er bis 2013 an der Univ.-Klinik für Orthopädie in Wien tätig und leitete über 20 Jahre die Tumororthopädie. Er habilitierte 2000 in
Wien und war 2009-2010 supplierender Leiter der Univ.-Klinik für Orthopädie. Er ist Mitglied in zahlreichen internationalen orthopädischen Gesellschaften und editorial boards.
Gerald Loho, Prim. Dr.
Vorstand der II. Orthopädischen Abteilung Herz Jesu Krankenhaus
Gerald Loho schloss sowohl die Unfallchirurgie-Ausbildung als auch die Facharztausbildung zum Orthopäden erfolgreich ab. Er startete seine Karriere innerhalb der Vinzenz Gruppe im Orthopädischen Spital Speising bei Prim. Prof. Dr. Karl Knahr. Der Orthopäde und Unfallchirurg ist seit November 2018 Primarius der II. Orthopädischen Abteilung im Herz Jesu Krankenhaus Wien. Als Sportler und Teamarzt der Eishockeymannschaft Vienna Capitals spezialisierte sich der in Wien geborene Doppel-Facharzt auf Gelenkschirurgie. Die Behandlung von Abnutzungserscheinungen in Schulter, Hüfte und Knie wie auch Sportverletzungen zählen zu seinen Spezialgebieten.
Reinhold Ortmaier, Prim. Prof. DDr.
Leiter der orthopädischen Abteilung am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern
Reinhold Ortmaier hat Facharztausbildungen in Unfallchirurgie und Orthopädie absolviert und seine Habilitation an der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg zum Thema Schulterprothetik verfasst. Mehrere seiner bisher rund 70 wissenschaftlichen Publikationen wurden mit Preisen ausgezeichnet. Der gebürtige Salzburger leitet seit Juli 2023 die orthopädische Abteilung des Ordensklinikums Barmherzige Schwestern Linz, wo er seit sieben Jahren tätig ist. Seine klinischen Schwerpunkte bilden die gesamte arthroskopische und offene Schulterchirurgie sowie die Endoprothetik von Hüfte und Knie.