„Oft geht es ums Reden, manchmal auch ums Schweigen!“
Unterstützung in schweren Stunden: Im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried kümmern sich Mitarbeitende als ehrenamtliche Krisenhelfer*innen um Menschen in Ausnahmesituationen.
Das Schicksal hält sich nicht an Kerndienstzeiten: Schwere Unfälle, plötzliche Todesfälle, bestürzende Diagnosen und andere belastende Ereignisse treffen Patient*innen, Angehörige und Mitarbeitende in Spitälern oft unvermittelt. Kompetente Teams aus Medizin, Pflege, Seelsorge und Klinischer Psychologie stehen den Betroffenen zur Seite, allerdings in der Regel nicht an Wochenenden, Feiertagen oder während der Nacht. Geistliche Schwestern, die sich in Ordensspitälern einst rund um die Uhr darum annehmen konnten, gibt es in vielen Häusern nicht mehr.
Diese Lücke schließt im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried der Krisenbegleitdienst (KBD), ein Team von – derzeit zehn – Mitarbeiter*innen aus verschiedensten Bereichen des Innviertler Schwerpunktspitals. Sie übernehmen ehrenamtlich zwei bis vier Bereitschaftsdienste pro Monat, um bei Bedarf Menschen in schweren Stunden und angesichts traumatischer Erlebnisse beizustehen.
Gerade bei Notfällen sind die diensthabenden Ärzt*innen und Pflegepersonen vollauf mit der Akutversorgung der Patient*innen beschäftigt. Es entlastet sie organisatorisch und auch emotional, wenn sie dann über den Portierdienst ein KBD-Teammitglied anfordern können, damit Angehörige in guten Händen sind. In Zeiten erhöhten Arbeitsaufkommens und angespannter Ressourcen, wie während der COVID-19-Pandemie, hat diese Unterstützung noch an Bedeutung gewonnen. Der KBD ist aber auch zur Stelle, wenn Mitarbeitende im Krankenhaus mit schwer zu bewältigenden Erfahrungen konfrontiert sind.
Ausbildung vermittelt wichtiges Rüstzeug
„Zuhören, begleiten, den Menschen helfen, dass sie wieder handlungsfähig für die nächsten Schritte werden“, beschreibt Sieglinde Ott-Berger ihre Aufgaben als Krisenbegleiterin. Die Mitarbeiterin im Rechnungswesen des Krankenhauses engagiert sich schon seit 14 Jahren im KBD und ist damit fast vom Start (2006) an dabei. Wie ihre Kolleg*innen hat sie eine modulare Ausbildung über den richtigen Umgang mit Menschen in krisenhaften Situationen absolviert.
"Zuhören, begleiten, den Menschen helfen, dass sie wieder handlungsfähig für die nächsten Schritte werden", beschreibt Sieglinde Ott-Berger ihre Aufgaben als Krisenbegleiterin.
Im Dezember werden nun sieben neue ehrenamtliche Interessent*innen aus unterschiedlichen Berufsgruppen mit dieser Ausbildung beginnen; dass sie dafür geeignet sind, wurde in Gesprächen mit Psycholog*innen des Hauses bereits festgestellt. Gutes Rüstzeug für diese Aufgabe ist wichtig, denn jeder Einsatz der Krisenbegleiter*innen ist eine Herausforderung, und keiner gleicht dem anderen: „Oft geht es ums Reden, manchmal auch ums Schweigen“, sagt Sieglinde Ott-Berger.
Der KBD arbeitet an der Schnittstelle von extra- und intramuraler Begleitung auch mit externen Einrichtungen wie dem Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes zusammen. Die Einsätze erfolgen ausnahmslos als Erstintervention, das heißt: Wenn es notwendig ist, werden die Betroffenen an professionelle Expert*innen verwiesen. Um Patient*innen nimmt sich dann die Klinische Psychologie weiter an, um Mitarbeitende die Arbeits- und Organisationspsychologie im Haus.
Gelebte Werterhaltung
Der Rieder Krisenbegleitdienst ist österreichweit nach wie vor einzigartig. „Ich wüsste nicht, dass es das in dieser Form in einem anderen Spital gibt“, meint Petra Stelzer, die im Vorstand des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Ried für das Thema Werte zuständig ist. Für sie ist der KBD ein gelebtes Beispiel der Wertehaltung der Vinzenz Gruppe, entsprechend dem Auftrag des Hl. Vinzenz von Paul, dem Menschen in der Not der Zeit zu begegnen. „Hier werden Nächstenliebe und Barmherzigkeit spürbar und unterstützend wirksam. So führen engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Werk der Barmherzigen Schwestern fort“, beschreibt es die Wertevorständin.
"Hier werden Nächstenliebe und Barmherzigkeit spürbar und unterstützend wirksam", beschreibt die Wertevorständin Petra Stelzer.
Wichtig ist freilich auch, dass die Mitarbeitenden in den einzelnen Fachabteilungen und auf den Stationen sich dieses Angebots bewusst sind und aktiv Unterstützung anfordern, wenn sie gebraucht wird. „Das ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil. Es spricht für Umsicht und Verantwortung, wenn dieser Bedarf erkannt wird“, betont Petra Stelzer.
Text: Joser Haslinger; Foto: depositphotos.com