Neueste Behandlungsmöglichkeiten des Multiplen Myeloms
Das Multiple Myelom zählt zu den Blutkrebs-Erkrankungen und tritt hauptsächlich im höheren Alter auf. Obwohl die Krankheit nach wie vor unheilbar ist, hat sich die Prognose der Betroffenen in den letzten Jahren deutlich verbessert. INGO sprach mit OÄ Dr. Eva Maria Autzinger, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie bei den Barmherzigen Schwestern Krankenhaus Wien, über neue Behandlungsmöglichkeiten für Rezidivpatient*innen.
Das Multiple Myelom, auch Knochenmarkkrebs genannt, ist eine bösartige Krankheit des blutbildenden Systems, bei der es zu einer unkontrollierten Vermehrung von entarteten Plasmazellen (Myelomzellen) kommt. „Grundsätzlich spielen diese Zellen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr, da sie Antikörper produzieren“, erläutert die Oberärztin. „Myelomzellen hingegen stellen Antikörper, die nicht funktionsfähig sind, oder Bruchstücke von Antikörpern, in hohem Ausmaß her, wodurch die Immunabwehr eingeschränkt wird und die Infektionsgefahr steigt.“ Da diese Antikörper aus Eiweiß bestehen, können sie die Nierenfilter schädigen und die Nierenfunktion verschlechtern. „Darüber hinaus wird durch die Vermehrung der Myelomzellen im Knochenmark die Blutbildung verdrängt, was eine Blutarmut zur Folge hat“, so die Expertin. Die Myelomzellen verstärkten außerdem die Abbauprozesse in den Knochen, was zu einer regelrechten Auflösung des Knochengewebes, einer sogenannten Osteolyse, führe. Mitunter komme es dann sogar zu Knochenbrüchen und zum Auftreten einer Hyperkalzämie, also einem Anstieg des Kalziumspiegels im Blut.
"Das Risiko, an Knochenmarkkrebs zu erkranken, steigt in höherem Alter deutlich an", erklärt Fachärztin Eva Maria Autzinger.
„Knochenmarkkrebs ist die zweithäufigste Blutkrebs-Erkrankung in den westlichen Industriestaaten“, sagt Autzinger, „Das Risiko daran zu erkranken, steigt in höherem Alter deutlich an.“ Zum Zeitpunkt der Diagnose sind Männer meist zwischen 65-72 Jahre alt, Frauen erkranken häufig erst im Alter von 75-84 Jahren. In Österreich werden jährlich etwa 500 Neuerkrankungen des Multiplen Myeloms diagnostiziert.
Die Diagnose
Die initialen Symptome beim Multiplen Myelom sind unspezifisch. „Es können beispielsweise Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Gewichtsverlust und gehäufte Infekte auftreten“, erklärt Autzinger. „Nachdem aber die Symptome nicht sehr spezifisch sind, wird an das Vorliegen einer Myelom-Erkrankung oft sehr spät gedacht. Oftmals werden Rückenschmerzen aufgrund von Wirbelkörpereinbrüchen als Osteoporose missdeutet.“ Bei den meisten Patient*innen mache sich die Krankheit durch Knochenschmerzen, überwiegend im Rücken, den Rippen und den langen Röhrenknochen bemerkbar. Bestehe der Verdacht auf ein Multiples Myelom, werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. „Zunächst erfolgt eine Bestimmung des Paraproteins im Blut und im Harn“, so Autzinger. Ergänzend werde dann eine Beckenkammbiopsie durchgeführt, wo sich die Myelomzellen direkt nachweisen ließen. Darüber hinaus werde das Skelettsystem mittels Ganzkörper-CT, Ganzkörper-MR oder PET-CT untersucht, um Osteolysen diagnostizieren zu können. „Ein Röntgen sämtlicher Knochen eignet sich nicht zum Nachweis von Osteolysen“, ergänzt sie, „da diese Untersuchung nicht sensitiv genug ist“.
In der Behandlung des Multiplen Myeloms stehen mittlerweile zahlreiche Wirkstoffe zur Verfügung. Als Therapie wird üblicherweise eine Kombination aus Antikörpern, Immunmodulatoren und Proteasomeninhibitoren gewählt. Bei Patient*innen bis 70 Jahren werde nach einer initialen Myelom-Therapie eine autologe Stammzelltransplantation empfohlen. Bei ausgedehnten Osteolysen komme außerdem eine Strahlentherapie zum Einsatz. „Welche Kombinationstherapie eingesetzt wird, hängt primär vom Alter und den Begleiterkrankungen der Patient*innen ab“, konstatiert Autzinger. Auch wenn das Multiple Myelom noch nicht heilbar sei, haben Betroffene aufgrund der vielen Therapieoptionen heutzutage eine deutlich bessere Prognose. „Im Idealfall ist eine Behandlung so erfolgreich, dass das Paraprotein vorübergehend nicht mehr nachweisbar ist“, fährt sie fort. Im weiteren Verlauf komme es dennoch zu einem Krankheitsrückfall. „Einen Meilenstein in der Behandlung der fortgeschrittenen Myelom-Erkrankung stellen die bispezifischen Antikörper dar“, berichtet Autzinger. „Diese binden einerseits an ein Myelomzell-Antigen und andererseits an den CD3-Rezeptor der T-Zellen an. Dadurch bringen sie die T-Zellen direkt in die Nähe der Myelomzellen.“ Die krebshemmende Aktivität komme dabei durch die Effektorfunktionen der T-Zellen zustande. „Als relevante Nebenwirkungen sind allerdings systemische Entzündungsreaktionen, neurologische Komplikationen, Infektkomplikationen und Blutbildveränderungen zu erwähnen“, so die Ärztin. Mit den Cereblon-modulierenden Substanzen (CELMoDs) wird in Kürze eine weitere Wirkstoffgruppe als Behandlungsoption verfügbar sein. Ob Knochenmarkkrebs in naher Zukunft heilbar sein wird, stehe noch nicht fest, mit den neuen Therapiemethoden werde sich die Lebenszeit der Patient*innen jedoch deutlich verlängern, betonte Autzinger.
Text: Rosi Dorudi; Fotos: www.depositphotos.com
Eva Maria Autzinger, OÖ Dr.
Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie bei den Barmherzigen Schwestern Krankenhaus Wien
Autzinger schloss ihr Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien im Jahr 2007 ab. Sie war zunächst als Studienärztin bei der Wilhelminen Krebsforschung tätig und absolvierte dann an der 1. Medizinischen Abteilung, Zentrum für Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin im Wilhelminenspital ihre Facharztausbildung. Seit 2018 ist sie im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien als Oberärztin für Innere Medizin mit dem Zusatzfach Hämatologie und Onkologie tätig.