„Ein gutes Gespräch ist nicht unbedingt ein langes“
Die Kommunikation mit Ärztinnen und Ärzten ist für viele Menschen eine schwierige. Missverständnisse, Sprach- und Verständlichkeitsdefizite sind an der Tagesordnung. Mediziner am Ordensklinikum Linz haben es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern: Sie trainieren Kolleg*innen in der Gesprächsführung mit Patient*innen. Einer dieser Ärzte ist der Palliativmediziner Dr. David Fuchs, der mit INGO über das Training und die Schwierigkeiten in der Patientenkommunikation gesprochen hat.
Dass Gespräche zwischen Ärzt*innen und Patient*innen nicht immer die einfachsten sind, können wohl die meisten von uns bestätigen. Zahlen belegen diesen Eindruck: Laut Umfragen herrschen teils große Mängel an Kommunikationsqualität, die zu Unsicherheit und Unzufriedenheit führen – auf beiden Seiten. OA Dr. David Fuchs, Leiter der Palliativstation St. Louise am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, weiß um die „hochkomplexen Gesprächssituationen“ zwischen Ärzt*innen und Patient*innen: „Für diese Art von Gesprächen sind wir nur wenig ausgebildet“.
Entsprechendes Training erhöhe die Qualität der Kommunikation signifikant, beispielsweise in der Diagnosemitteilung. „Wenn Patienten ihre Behandler verstanden haben, wenn sie sich gut aufgehoben fühlen, wird das die Therapie positiv beeinflussen“, weiß David Fuchs. Gemeinsam mit seinen Kollegen Priv.-Doz. Dr. Holger Rumpold und Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann hat sich der Facharzt für Innere Medizin daher zum zertifizierten Kommunikationstrainer ausbilden lassen, um in ganz Österreich die Gesprächsqualität im Gesundheitsbereich zu verbessern.
Klare Zielsetzung
Die Grundlagen seien bei den Teilnehmenden bereits gegeben, so der Experte: „Was für mich bei den Trainings immer erstaunlich war: Wieviel Kompetenz schon da ist. Die Kolleginnen und Kollegen sind wesentlich besser als sie glauben.“ Woran es jedoch oft hakt: „Ein Ziel fürs Gespräch zu haben. Das kann die bloße Mitteilung einer verständlichen Diagnose oder die Erlaubnis der Patientin für ein weiteres Gespräch sein.“ Vorab ein Ziel zu definieren sei das Um und Auf – auch in den Trainings, so Fuchs. Darüber hinaus müssen sogenannte Skills festgelegt werden, die eingesetzt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Das kann von der korrekten ärztlichen Begrüßung bis zum Benennen von Emotionen beim Patienten gehen.
Ein weiteres Manko in der alltäglichen Patient*innen-Kommunikation: „Fehlende Pausen im Gespräch. Gibt man beispielsweise eine schlechte Diagnose, ist es als Arzt wahnsinnig schwierig, eine Pause von 20 bis 30 Sekunden auszuhalten. Für den Patienten fühlt es sich wie ein Augenblick an, für mich als Arzt wie eine halbe Stunde“, erzählt der Palliativmediziner.
Wichtig sei dabei, bereits im Vorfeld abzuklären: „Was sind meine Ressourcen? Zeitlich, emotional. Damit kann ich auch besser das Ziel des Gesprächs formulieren: Was kann in einer gewissen Zeit mein realistisches Gesprächsziel sein?“ Im Training werde daher geübt, Ziele so zu wählen, damit sie erreichbar bleiben. Wesentlich aber sei: „Ein gutes Gespräch ist nicht immer notwendiger Weise ein langes. Man kann auch in wenigen Minuten wahnsinnig viel weiterbringen.“ Die Vorbereitung auf ein Gespräch kann ebenfalls sehr kurz ausfallen. Ein kurzes Innehalten vor der Zimmertür reiche manchmal schon, um seine Ziele und die nötigen Skills festzulegen, so David Fuchs.
"Ein kurzes Innehalten reicht manchmal als Vorbereitung auf ein Gespräch", sagt Oberarzt David Fuchs.
Als Trainer schult David Fuchs Gruppen von sechs bis zehn Personen. Dabei immer an seiner Seite ist eine Schauspielerin oder ein Schauspieler, von denen die Rolle der Patient*innen übernommen wird. So werden Fallbeispiele, die großteils von den Teilnehmenden selbst eingebracht werden, durchgespielt. Was folgt ist das Feedback von den Übenden, sowie jenes von den Schauspieler*innen, die aus Patientenperspektive ihre Sicht des Gesprächs berichten; nicht wertend, sondern faktenbasiert. Danach kann das Gespräch noch einmal geführt werden.
Gelehrt wird neben dem Einstieg in ein Gespräch auch der Umgang mit starken Emotionen, das Überbringen schlechter Nachrichten sowie die Vermittlung von Therapieadhärenz. Das wissenschaftlich fundierte Ausbildungsprogramm mit standardisiertem Ablauf wurde von der Sprachwissenschaftlerin und Psychotherapeutin Dr.in Marlene Sator entwickelt; die Schauspielenden können über einen Pool der Gesundheit Österreich ausgewählt und gebucht werden. Sie werden für ihre Arbeit speziell im Patientenspiel ausgebildet sowie im Feedback-Geben geschult. David Fuchs zeigt sich von den Fähigkeiten der Profis sowie vom Programm selbst beeindruckt: „Es waren schon sehr einprägsame Erlebnisse – im positiven Sinn –, als ich selbst die Ausbildung als Teilnehmer gemacht habe.“
Vielseitig anwendbar
Neben seinem Beruf als Mediziner ist David Fuchs seit einigen Jahren auch als Autor aktiv. Zwei Romane und einen Gedichtband hat der 1981 geborene Linzer bereits veröffentlicht. Klar, dass das Thema Kommunikation für ihn daher noch größere Bedeutung erhält. „Wenn man einen Roman schreibt, konzipiert und überarbeitet, muss man sich recht intensiv mit Erzählstrukturen befassen. Mit Spannungsbögen, mit Charakterentwicklung. Das kann ich auch beobachten, wenn ich mit Patienten rede. Wo beginnen sie, wie bauen sie ihre Geschichte auf?“ Teilnehmer*innen seiner Kurse haben zudem erzählt, dass sie die im Training erworbenen Fähigkeiten wie Gesprächspausen oder das Ansprechen von Emotionen auch im Privaten einsetzen konnten.
Bewusst ist dem nunmehrigen Kommunikationstrainer allerdings, dass auch das beste Programm, das beste Training, die beste Ausbildung seine Grenzen hat. David Fuchs: „Wir bewegen uns in einem System, das uns verschiedene Einschränkungen auferlegt. Das können zeitliche sein, auch berufsrechtliche. Kommunikationstraining kann keine Systemfehler korrigieren oder Ressourcen schaffen. Wir können keine vollen Ambulanzen leermachen oder leere Stellen besetzen.“
Um das zu ändern, müssen daher definitiv andere aktiv werden.
Text: Michi Reichelt; Fotos: Porträt OA Dr. David Fuchs © Daniela Fuchs / Dr. Fuchs im Gespräch © Ordensklinikum Linz
David Fuchs, OA Dr.
Leiter der Palliativstation St. Louise am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern
Geboren 1981 in Linz, absolvierte Fuchs sein Medizinstudium in Wien, bevor er wieder in seine Geburtsstadt zurückkehrte, wo er die Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin am Kepler Universitätsklinikum absolvierte. 2020 wechselte er ins Ordensklinikum Linz an die Palliativstation, 2022 übernahm er deren Leitung. Seine zweite Leidenschaft gilt der Literatur; zwei Romane und ein Lyrikband wurden bereits veröffentlichen. David Fuchs ist Absolvent der Leondinger Akademie für Literatur sowie Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV). Der zweifache Vater ist mit der Fotografin und Psychologin Daniela Fuchs verheiratet.