„Gute Gespräche bringen allen etwas!“
Gelungene, wertschätzende Kommunikation ist für Menschen in Gesundheitsberufen eine tägliche Herausforderung. Von guten Gesprächen profitieren nicht nur die Patient*innen, sondern auch sie selbst. Zwei Linzer Mediziner helfen Kolleg*innen dabei, die Gesprächsqualität zu verbessern.
Zehn Sekunden: So lange – besser gesagt: so kurz – dauert es durchschnittlich, bis Ärzt*innen ihre Patient*innen im Gespräch erstmals unterbrechen. Auch andere Kennzahlen zeigen, dass die Kommunikation im Gesundheitsbereich nicht immer optimal verläuft: Laut einer repräsentativen Befragung haben 22 Prozent der Menschen in Österreich Schwierigkeiten, zu verstehen, was ihr Arzt, ihre Ärztin sagt. Gar jede*r Dritte hat Probleme, anhand der erhaltenen ärztlichen Informationen Entscheidungen zu ihrer beziehungsweise seiner Krankheit zu treffen.
„Die Arzt-Patienten-Kommunikation hierzulande ist im europäischen Vergleich durchaus ausbaufähig“, findet auch Priv.-Doz. Dr. Holger Rumpold. Dabei will es der Facharzt für Innere Medizin, der das Viszeralonkologische Zentrum im Ordensklinikum Linz leitet, nicht belassen: Gemeinsam mit Dr. David Fuchs, dem Leiter der Palliativstation St. Louise am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, hat er eine Ausbildung in patientenzentrierter Gesprächsführung absolviert.
Als zertifizierte Kommunikationstrainer geben die beiden Mediziner dieses Wissen nun an interessierte Kolleg*innen weiter. Sie gehören einem Trainer*innen-Netzwerk an, das auf eine Initiative der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) zurückgeht und mittlerweile rund 40 Gesundheitsfachkräfte aus verschiedenen Bereichen umfasst. Angeboten werden Workshops und Trainings für Gesundheitsberufe in unterschiedlichen Settings, von der Onkologie bis zur Rehabilitation.
Fertigkeiten trainieren, Haltungen reflektieren
Das Rüstzeug dafür haben sie sich in einem umfassenden Lehrgang angeeignet, der auf dem „Calgary-Cambridge Guide“ beruht, einem evidenzbasierten und verhaltenszentrierten Ansatz zur Gesprächsführung. Im Fokus steht dabei nicht nur das Trainieren von Fertigkeiten, sondern auch das Reflektieren eigener Einstellungen und Haltungen. Im Rollenspiel mit professionellen „Schauspiel-Patient*innen“ – manche davon mit Burgtheater-Hintergrund – werden Gesprächssituationen aus dem klinischen Alltag durchgespielt und unmittelbar danach evaluiert.
Hier zeigt sich, was neben Sprach- und Verständlichkeitsdefiziten oft Anlass für eines der zentralen Missverständnisse in der Kommunikation ist: die unterschiedliche Perspektive. „Ärzte wollen die Erkrankung und die Therapie erklären. Patienten wollen wissen: Wie steht es um mich, wie ist meine Prognose?“, verdeutlicht Holger Rumpold. Entscheidend für das Gelingen des Gesprächs sei deshalb, eine gemeinsame Agenda herzustellen – „und das lässt sich fantastisch üben“, betont er.
Es gehe auch darum, eine Art Instrumentarium zu entwickeln, mit dem man auf verschiedene Äußerungen von Patient*innen reagieren könne – „spezifisch und gezielt, so wie auf bestimmte Laborwerte“, so der Linzer Onkologe. Und man müsse sich gerade bei komplizierten Inhalten oder emotional belastenden Nachrichten stets vergewissern, ob das Gesagte bei den Empfänger*innen auch tatsächlich ankommt. Das zähle zu den Grundlagen, so wie das Begrüßen, das Sich-Vorstellen und das bewusste Setzen von Gesprächspausen, um das Gegenüber nicht mit einem Redeschwall zu überfordern. Nicht zuletzt gehören zur Gesprächsqualität eine gute Vorbereitung, verständliche Sprache, aktives Zuhören und eine gemeinsame Entscheidungsfindung („shared decision making“).
Zeitdruck taugt nicht als Ausrede
Viele Gespräche erfolgen unter Zeitdruck. Doch das dürfe nicht als Ausrede dienen, sagt David Fuchs. Umso wichtiger sei eine strukturierte Kommunikation, um die vorhandene Zeit bestmöglich zu nutzen. Und: Auch ein langes Gespräch muss nicht unbedingt ein gutes Gespräch sein. Die Trainings vermitteln, wie man einen Gesprächsrahmen absteckt und Gesprächsziele definiert. „Über alles zu reden, wird sich nicht ausgehen“, so der Mediziner.
Kommunikationskompetenz halten die beiden Linzer Ärzte für ein unerlässliches Handwerkszeug in Gesundheitsberufen, dessen Einsatz erlernt werden kann – und muss: „Niemand würde einem angehenden Chirurgen ein Messer in die Hand drücken und sagen: Jetzt mach mal“, sagt Holger Rumpold. Im Gegensatz zu früher ist ärztliche Gesprächsführung heute schon im Medizinstudium bei etlichen Universitäten Teil des Curriculums.
Doch diese Kompetenz geht im klinischen Alltag wieder verloren, wenn sie nicht regelmäßig trainiert, angewendet und entsprechend der beruflichen Rolle weiterentwickelt wird. So steht ein Turnusarzt, eine Turnusärztin im Patientengespräch vor anderen Herausforderungen als Kolleg*innen auf anderen Entscheidungsebenen. Auch bei den einzelnen Gesundheitsberufen ist die Ausgangslage oft unterschiedlich: „Ärzt*innen können zumeist mit positiver Autorität als Startvorteil in ein Gespräch gehen; Pflegepersonen gelingt es dagegen leichter, Nähe herzustellen“, meint David Fuchs – Stärken, die sich gegenseitig gut ergänzen können. Auch das kommt in den Seminaren mit unterschiedlichen Tools buchstäblich zur Sprache.
Gute Kommunikation wird noch wichtiger
Gute Kommunikation im Gesundheitswesen wird in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung nochmals an Bedeutung gewinnen: Die starken Geburtsjahrgänge der „Baby Boomer“ scheiden sukzessive aus dem Erwerbsleben aus und werden altersbedingt häufiger krank. Es wird also weniger Ärzt*innen und Pflegepersonen geben, jedoch mehr Patient*innen, die zudem aufgeklärter sind als früher und mehr Information einfordern. Zugleich werden die Therapieoptionen komplexer und die Gesprächsmöglichkeiten durch die zunehmende Ambulantisierung weniger: „Bei ambulanten Patienten habe ich oft nur eine einzige Chance für ein ausführlicheres Gespräch“, erklärt Holger Rumpold.
Zwar gebe es „fachspezifisch unterschiedliche Bedürfnisse und Kolleg*innen, wo es noch Überzeugungsarbeit braucht“, formuliert David Fuchs diplomatisch. Insgesamt seien die Bereitschaft, sich mit dem Thema Kommunikation und patient*innenzentrierter Gesprächsführung auseinandersetzen, und das Interesse daran aber groß: „Wir haben Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet und sind für den Herbst schon ausgebucht, das hat uns doch etwas überrascht.“ Wichtig sei, dass sich – so wie im Ordensklinikum Linz – auch Führungskräfte und Linienverantwortliche hinter dieses Anliegen stellen und signalisieren: Wir wollen das.
Der Nutzen ist bereits vielfach dokumentiert: Laut ÖPKG verbessert eine gute Kommunikation die therapeutischen Ergebnisse, erhöht Sicherheit und Zufriedenheit der Patient*innen und hilft bei der Bewältigung von herausfordernden Situationen. Letztlich profitieren aber auch die Gesundheitsfachkräfte ganz persönlich: „Eine schlechte Nachricht, die man überbringen muss, bleibt eine schlechte Nachricht. Aber ich merke, dass es mir auch selbst besser geht, wenn das Gespräch gut verlaufen ist“, bestätigt Holger Rumpold. Nicht umsonst lautet das Motto der Initiative: Gute Gespräche bringen allen was.
Text: Josef Haslinger; Fotos: Ordensklinikum Linz
David Fuchs, Dr.
Leiter der Palliativstation am Ordensklinikum Linz
Fuchs ist Facharzt für Innere Medizin, war im Kepler Universitätsklinikum Linz in der Abteilung für Hämatologie und internistische Onkologie tätig und leitet seit heuer die Palliativstation am Ordensklinikum Linz. Bekannt ist der 41-Jährige auch als Autor von Romanen („Leichte Böden“, „Bevor wir verschwinden)“ und Lyrik.
Holger Rumpold, Priv.-Doz. Dr.
Leiter des Viszeralonkologischen Zentrums am Ordensklinikum Linz.
Rumpold ist Facharzt für Innere Medizin. Er war u. a. mit onkologischem Schwerpunkt im Universitätsklinikum Innsbruck, im Ordensklinikum Linz und im LKH Feldkirch tätig. Seit 2019 leitet der gebürtige Vorarlberger das Viszeralonkologische Zentrum am Ordensklinikum Linz.