„Eine moderne Gesundheitsversorgung muss für alle leistbar und regional zugänglich sein“
Eine umfassende Grundversorgung mit Arztpraxen, Einkaufsmöglichkeiten sowie Bank- und Postdiensten ist ein dringendes Anliegen vieler ländlicher Gemeinden. Doch vielerorts mangelt es an der erfolgreichen Umsetzung. Beim Österreichischen Primärversorgungskongress unterstrich die Raiffeisen-Landesbank Steiermark ihr Engagement, den Aufbau von Primärversorgungszentren in der Region aktiv voranzutreiben. INGO sprach mit Generaldirektor MMag. Martin Schaller über das Vorhaben, das auch kritische Stimmen hervorruft.
Primärversorgungseinheiten (PVE) sind ein zentraler Baustein in der österreichischen Gesundheitspolitik, um das Gesundheitssystem effizienter, nachhaltiger und leistungsstärker aufzustellen. Bisher wurde jedoch das ursprüngliche Ziel, bis 2021 insgesamt 75 PVE zu errichten, verfehlt: Aktuell gibt es österreichweit nur 69, darunter acht Kinder-PVE. Um die Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen zu stärken, verfolgt die Raiffeisen-Landesbank (RLB) Steiermark seit 2023 den Aufbau eines eigenen Netzwerks von Primärversorgungseinheiten. Dieses Vorhaben bekräftigte sie erneut beim diesjährigen Österreichischen Primärversorgungskongress im September in Graz. „Im Gegensatz zu anderen Bundesländern geht die Steiermark den spezifischen Weg, PVE bevorzugt mit gemeinnützigen Gesundheitsversorgern, insbesondere Ordensspitälern zu betreiben“, erläutert RLB-Generaldirektor Martin Schaller im Gespräch mit INGO. Dieses steirische Modell ließe aber weniger Platz für die klassische Form eines Primärversorgungszentrums, bei dem sich mindestens zwei Ärzt*innen mit Kassenstellen unternehmerisch zusammenschließen. „Als traditionell verwurzelter Partner für die Menschen, Gemeinden und Unternehmen möchten wir daher auch jetzt aktiv zu einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung in unserer Region beitragen.“ Ein funktionierendes Gesundheitssystem mit erschwinglichem, leicht zugänglichem und hochwertigem Angebot sei ein wesentlicher Standortfaktor, der die Lebensqualität und wirtschaftliche Attraktivität gleichermaßen stärke.
Unterstützung bei Gründung und Betrieb
Die Errichtung und der Betrieb von PVE stelle ein komplexes Vorhaben mit hohen Anfangsinvestitionen dar. „Der Vorteil solcher Zentren für die Bevölkerung liegt in der Bündelung vielfältiger medizinischer Leistungen an einem Ort mit langen Öffnungszeiten“, erläutert Schaller. Hier kann Raiffeisen durch Vernetzung, das Einbinden kompetenter Partner*innen und Erfahrungsaustausch wertvolle Unterstützung leisten und als Knotenpunkt für Gesundheit, Facility Management und Immobilien fungieren. Mit ihrem starken Netzwerk und umfassender Immobilienexpertise vermittle Raiffeisen wichtige Kontakte, biete gezielte Förderberatung und ermöglicht Investitionen in medizinische Infrastruktur. Als Finanzierungspartner identifiziert sie zudem frühzeitig betriebswirtschaftliche Risiken und erhält durch strategische Beteiligungen Einblicke in medizinische Innovationen und Health-Start-ups. „So helfen wir, dass neue Lösungen schneller bei den Patient*innen ankommen“, ergänzt Schaller.
Die Pläne der Raiffeisen-Landesbank Steiermark stießen allen voran bei der Ärztekammer auf Kritik, die eine zunehmende ‚Ökonomisierung‘ des Gesundheitssektors befürchtet. Schaller hält diese Bedenken für unbegründet und betont, dass die Bank ausschließlich innerhalb ihrer Kompetenzen agiere. „Als Bank bewegen wir uns in einem klar definierten Rechtsrahmen, der unsere Möglichkeiten begrenzt“, konstatiert er. „Wie bereits erwähnt, können Primärversorgungseinheiten nur von niedergelassenen Ärzt*innen oder gemeinnützigen Gesundheitseinrichtungen betrieben werden. Unsere Motivation ist es daher, Ärzt*innen sowie Fachkräften aus anderen medizinischen und medizinnahen Berufen dabei zu helfen, ihre gemeinsame Vision umsetzbar zu machen. Wir sind aus unserem Gründungsgedanken heraus eng mit den Menschen in den Regionen, den Gemeinden und den Betriebenen verbunden. Unsere Kompetenz besteht darin, die richtigen Menschen zusammenzubringen und deren gemeinsames Vorhaben zu ermöglichen.“ Dazu stehe das Unternehmen mit allen relevanten Stakeholdern im heimischen Gesundheitswesen im engen und konstruktiven Austausch. „Die ÖGK ist dabei mit ihren regionalen Vertretungen ein essenzieller Partner“, erklärt er. Darüber hinaus sei man bereits seit vielen Monaten im intensiven Austausch mit verschiedensten Interessensgruppen und Expert*innen. „Mittlerweile attestiert man uns ein gutes Gesamtverständnis für die unterschiedlichsten Perspektiven“, fährt Schaller fort. „Unsere Vision war und ist es, eine gesunde Steiermark mitzugestalten, die für alle Menschen regional zugänglich ist. Wir glauben, dass ein Zusammenwirken von unterschiedlichen Parteien und sich daraus möglicherweise ergebenden Lösungen zu einem Mehrwert für Patienten, Ärzte und schlussendlich Steuerzahlern führen kann.“ Die RLB Steiermark versuche hierbei ihren Beitrag zu leisten, in dem sie sich auch an Start-ups beteiligt, die die Digitalisierung des Gesundheitsbereiches im Fokus haben.
Text: Rosi Dorudi
Foto: RLB Steiermark/photoworkers
Martin Schaller, MMag.
Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark
Der gebürtige Linzer Martin Schaller studierte Handels- und Politikwissenschaften in Wien und begann 1991 seine Karriere im Bankwesen. Bei der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich übernahm er zunächst die Leitung des Bereichs Treasury/Financial Markets und wurde 2013 zum Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark ernannt. Unter seiner Führung hat die RLB Steiermark ihre Marktposition erfolgreich ausgebaut und nachhaltiges Wachstum gefördert.