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„Wir sind die konstante Ansprechperson“

Versorgung
Gesundheitsberufe

Weil Krebsbehandlungen zunehmend ambulant stattfinden, sind Betroffene gefordert, ihren Therapie-Alltag weitgehend selbstständig zu bewältigen. Die Rolle der Cancer Nurse gewinnt daher immer mehr an Bedeutung.

Text: Rosi Dorudi

Eine Krebsdiagnose verändert das Leben von Patient*innen schlagartig. Neben medizinischen Aspekten wie Therapieplänen oder Nebenwirkungen sind es oft die seelischen Belastungen, die besonders herausfordern. Genau hier setzt die Cancer Nurse an: Sie ist eine speziell ausgebildete Pflegeexpertin, die Patient*innen sowohl fachlich als auch menschlich kontinuierlich begleitet. „Als Cancer Nurse übernehmen wir eine Schlüsselrolle, um Krebspatient*innen durch die komplexen Phasen der Behandlung und Nachsorge zu lotsen und ihre Lebensqualität zu verbessern – nicht nur medizinisch, sondern auch psychosozial“, erklärt Claudia Kasamas, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin an der klinischen Abteilung für Onkologie am AKH Wien. Die Einführung dieser Funktion sei die logische Konsequenz aktueller Entwicklungen im Gesundheitssystem: „Viele Behandlungen finden mittlerweile ambulant statt, was für Betroffene eine zusätzliche Herausforderung bedeutet: Termine koordinieren, Symptome beobachten, Informationen sammeln – heutzutage müssen die Patient*innen Vieles selbst bewältigen.“ Im Unterschied zum stationären Pflegeteam der onkologischen Tagesklinik, das meist in die akute Versorgung eingebunden ist, haben Cancer Nurses Zeit für das, was sonst oft auf der Strecke bleibt: Zuhören, Erklären, Begleiten. „Wir verabreichen keine Therapien und legen keine Zugänge. Das bedeutet, dass wir unsere Zeit ganz den Patient*innen widmen können“, betont Kasamas. Dies vermittle Betroffenen und ihren Angehörigen ein Gefühl von Sicherheit und macht die Cancer Nurse zur verlässlichen Stütze im onkologischen Alltag.

Claudia Kasamas (c) AKH Wien

Häufig sind wir auch einfach eine psychische Stütze bei alltäglichen Herausforderungen abseits der Krebserkrankung.

Claudia Kasamas

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin an der klinischen Abteilung für Onkologie am AKH Wien

Für Cancer Nurses beginnt die eigentliche Arbeit häufig bereits vor der Behandlung, nämlich dann, wenn Patient*innen direkt im Anschluss an das Aufklärungsgespräch mit ihrem behandelnden Onkologen kommen. „In der hämatologisch-onkologischen Pflegeambulanz (HOBI) sind wir die ersten Ansprechpartner*innen“, erzählt Kasamas. „Hier nehmen wir uns Zeit für alle Fragen und erfassen die individuellen Bedürfnisse. Meist geht es um therapiebedingte Nebenwirkungen.“ Dieser frühe Kontakt lege den Grundstein für eine vertrauensvolle Begleitung durch diese schwierige Lebensphase. Als zentrale Ansprechperson vernetzt die Cancer Nurse alle Beteiligten – von Ärzt*innen über Psycholog*innen bis zum stationären Pflegepersonal. Diese Begleitung verbessert die Symptomkontrolle und die Lebensqualität und entlastet das gesamte Behandlungsteam. „Häufig sind wir auch einfach eine psychische Stütze bei alltäglichen Herausforderungen abseits der Krebserkrankung.“ Kontinuität ist dabei ein Schlüsselfaktor: „Wir geben den Patient*innen unsere direkten Kontaktdaten, sodass sie während der gesamten Therapie eine feste Ansprechperson haben. Das Wissen, an wen und zu welchen Zeiten sie sich an jemanden wenden können, vermittelt ihnen ein großes Gefühl von Sicherheit.“

Die größte Motivation für Kasamas liegt in der ganzheitlichen, patientenzentrierten Pflege: Zuhören, informieren, Mut machen und einfach Dasein. „Oft sind es die kleinen Gesten, die das Leben der Betroffenen ein wenig erleichtern“, sagt sie. Nähe, Vertrauen und das Gefühl, in schwierigen Zeiten Sicherheit geben zu können, prägen ihren Alltag. Eine bereichernde, aber manchmal auch herausfordernde Aufgabe: „Vor allem, wenn eine Patientin oder ein Patient stirbt“, sagt sie. Umso wichtiger sei daher der rege Austausch mit den Kolleg*innen und eine ausgewogene Selbstfürsorge.

Die wachsende Rolle der Cancer Nurse

Cancer Nurses verfügen über umfassendes Fachwissen für ihre Patient*innengruppe. Sie sind routiniert im Umgang mit krankheitsspezifischen Symptomen und therapiebedingten Nebenwirkungen und kennen die passenden Unterstützungsangebote. „Die Spezialisierung ist noch relativ neu“, erklärt Kasamas. Mit der Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) im Juli 2024 wurde die spezifische Spezialisierung zur Cancer Nurse in Österreich gesetzlich verankert und kann als strukturierte Pflege-Fachkarriere eingeschlagen werden. In Tirol beispielsweise wird die Weiterbildung berufsbegleitend als akademischer Lehrgang geführt. „Entscheidend ist, dass man sich vor allem Berufserfahrung, Expert*innenwissen, die Fähigkeit zur Entscheidungsfindung bei komplexen Sachverhalten und schließlich auch klinische Kompetenzen für die Ausübung dieser erweiterten pflegerischen Praxis angeeignet hat“, so Kasamas. Die Etablierung von Cancer Nurses an der klinischen Abteilung für Onkologie am AKH entstand aus einem klar erkennbaren Bedarf: „2014 wurde bei uns eine Prävalenzerhebung zum Symptom Distress bei Patient*innen unter Chemo- oder Strahlentherapie durchgeführt“, schildert Kasamas. Das Ergebnis war eindeutig – viele Betroffene fühlten sich unzureichend informiert und beraten. Als direkte Antwort darauf entstand die hämatologisch-onkologische Pflegeambulanz (HOBI). Um die Bedürfnisse noch umfassender abzudecken, wurde schließlich die Rolle der Cancer Nurse eingeführt. „Wir schließen die Lücke zwischen immer komplexeren Therapien, verkürzten Krankenhausaufenthalten und dem steigenden Wunsch nach umfassender Betreuung.“

Fotos: Titelbild © Freepik; Expertinnenbild © AKH Wien

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