An der Med Uni Graz entwickeln Forschende digitale Zwillinge des Herzens, um Herzrhythmusstörungen besser zu behandeln. Die virtuellen Herzmodelle sollen Therapien individuell planbar machen.
Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern betreffen Millionen Menschen weltweit. Sie können zu schwerwiegenden Komplikationen wie Schlaganfällen oder Herzinsuffizienz führen. Um herauszufinden, welche Therapie am besten zu welchem Herzen passt, entwickelt die Forschungsgruppe von Univ.-Prof. DI Dr. Gernot Plank an der Med Uni Graz dafür digitale Werkzeuge der Zukunft: Digitale Zwillinge des Herzens sollen dabei helfen, das individuelle Risiko besser einzuschätzen und Behandlungen gezielt zu planen.
Aktuell wird das Team durch die Mathematikerin Elena Zappon verstärkt. Im Rahmen eines Marie Skłodowska-Curie European Fellowships der Europäischen Kommission arbeitet sie an der Kalibrierung virtueller Herzmodelle, die aus realen Bild- und Funktionsdaten erstellt werden. Dies mit dem Ziel, das elektrische Verhalten eines individuellen Herzens möglichst genau nachzubilden. So sollen Herzerkrankungen künftig besser vorhergesagt und personalisierter behandelt werden können, auf der Grundlage eines vertieften Verständnisses am Computer.
Ein besonderer Fokus liegt auf den Herzvorhöfen. Störungen in diesem Bereich wie etwa Vorhofflimmern gehen mit einem deutlich erhöhten Schlaganfallrisiko einher. Besonders komplex wird die Behandlung, wenn die genaue Ursache der Rhythmusstörung im Gewebe nicht eindeutig lokalisiert werden kann, etwa bei Patient*innen, bei denen die Standardtherapie keine Wirkung zeigt. Genau hier setzt Elena Zappons Arbeit an: Sie entwickelt Methoden, um aus klinischen Bilddaten, die zum Beispiel mittels MRT oder CT gewonnen werden, ein realistisches 3D-Modell der Herzvorhöfe zu rekonstruieren und es mit funktionellen Informationen wie Elektrokardiogrammen (EKG) zu kombinieren. So entsteht ein digitales Herzmodell, das nicht nur die anatomische Form, sondern auch das elektrische Verhalten eines individuellen Herzens nachbildet.
So soll beispielsweise der Ursprung von elektrischen Störungen punktgenau identifiziert oder simuliert werden, welche Auswirkungen ein geplanter Ablationseingriff hätte. So könnten Mediziner*innen künftig mithilfe eines virtuellen Herzmodells verschiedene Therapieszenarien am Computer testen, bevor sie eine Entscheidung treffen, ohne Risiko für die Patient*innen.
Dahinter steht hochkomplexe Mathematik und Rechenleistung. Die Arbeit von Elena Zappon verbindet medizinische Bildverarbeitung, mathematische Modellierung und numerische Simulation. Grundlage dafür sind leistungsfähige Softwareplattformen, die von Gernot Plank und seinem Team an der Med Uni Graz über viele Jahre entwickelt wurden.
Mit diesen Tools lassen sich elektrophysiologische Prozesse im Herzen – etwa sogenannte Reentry-Kreise, bei denen elektrische Signale kreisförmig „gefangen“ sind, oder Leitungshindernisse durch krankhaft verändertes Gewebe – realistisch simulieren. So kann beispielsweise vorhergesagt werden, ob eine bestimmte Form von Vorhofflimmern durch eine punktuelle Verödung unterbrochen werden kann, oder ob eine andere Behandlungsstrategie erfolgversprechender wäre.
Langfristig könnten solche digitalen Herzmodelle als Entscheidungshilfe in der Klinik dienen: zur präziseren Diagnose, zur Auswahl der passenden Therapie oder auch zur individuellen Nachsorge – immer auf Basis patient*innenspezifischer Daten.
Foto: Titelbild (c) Foto Fischer/Med Uni Graz