Gewaltschutz an der MedUni Wien
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Gewalt erkennen, Spuren sichern

Versorgung
Gesundheitsberufe

In Fällen häuslicher Gewalt oder sexualisierter Angriffe fehlen vor Gericht oft ausreichende Beweise. Gewaltambulanzen stärken die Versorgung Betroffener, sichern Spuren fachgerecht und schaffen Bewusstsein im Gesundheitswesen.

Text: Rosi Dorudi

Psychologische Hürden wie Scham, Schuldgefühle oder Angst vor Konsequenzen hindern Opfer von Gewalt oftmals daran, über das Erlebte zu sprechen oder Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Umso entscheidender ist es, dass medizinisches Personal geschult wird, auch subtile Warnzeichen frühzeitig zu erkennen. An vielen Krankenhäusern in ganz Österreich gibt es inzwischen interdisziplinäre Gewaltschutzgruppen, bestehend aus speziell geschulten Pflegekräften, Ärzt*innen, Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen. Sie betreuen Gewaltbetroffene umfassend, vertraulich und in enger Abstimmung mit dem behandelnden medizinischen Personal. Während Gewaltschutzgruppen für einen sensiblen Umgang mit Opfern im Klinikalltag sorgen, leisten Gewaltambulanzen einen zentralen Beitrag zur forensischen Aufarbeitung: Sie dokumentieren Verletzungen frühzeitig, fachgerecht und gerichtsverwertbar – ein entscheidender Schritt zur Sicherung von Beweisen.

Beweissicherung und Rechtssicherheit

Nach Graz und Innsbruck hat nun auch Wien ein klares Zeichen im Kampf gegen Gewalt gesetzt: Eine Gewaltambulanz am Zentrum für Gerichtsmedizin ermöglicht die spezialisierte, gerichtsverwertbare Dokumentation von Gewaltfolgen – unabhängig davon, ob eine polizeiliche Anzeige vorliegt. Für Betroffene bedeutet dies rasche, niederschwellige Hilfe in geschützter Umgebung. Für Justiz und Gesundheitssystem ist es ein zentraler Baustein für Beweissicherung und Rechtssicherheit.

Katharina Stolz (c) MedUni Wien/Matern

Unser Ziel ist es, Betroffenen möglichst rasch jene Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen.

Dr.in Katharina Stolz

Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene, MedUni Wien

„Die Gewaltambulanz ist kein Ersatz, sondern eine essenzielle Ergänzung zu bestehenden Opferschutzangeboten“, betont Dr.in med. univ. Katharina Stolz, fachliche Leiterin der Untersuchungsstelle. „Anders als Gewaltschutzzentren, die primär psychosoziale Beratung und Prozessbegleitung anbieten, liegt der Fokus der Ambulanz auf der forensisch-medizinischen Dokumentation – durchgeführt von allgemeinmedizinischen Ärztinnen mit spezieller Ausbildung unter gerichtsmedizinischer Supervision.“

Gerichtsverwertbare Dokumentation

Zentraler Leistungsbaustein der Gewaltambulanz ist die gerichtsfeste Dokumentation von Verletzungen. „Wir arbeiten nach gerichtsmedizinischen Standards. Dazu zählt eine Ganzkörperuntersuchung mit detaillierter schriftlicher Beschreibung der Befunde und forensischer Fotodokumentation“, so Stolz. „Dadurch wird ein Dokument geschaffen, das – auch zeitverzögert – als Beweismittel in Verfahren dienen kann oder die Grundlage für ein Sachverständigengutachten bildet.“ Die Untersuchungsstelle ist auf vielfältige Formen von Gewalt spezialisiert: häusliche Gewalt, sexualisierte Übergriffe, Misshandlungen – auch bei Kindern. „Wir legen großen Wert auf einen vertraulichen, niederschwelligen Zugang ohne Wartezeiten“, so Stolz. Die Untersuchungsräume sind daher bewusst wie eine Arztordination gestaltet – ein geschützter Raum, fern von Krankenhaus- oder Polizeistrukturen. Bei entsprechenden Angaben oder Verdacht können zusätzlich Spurensicherungen durchgeführt sowie Blut- und Harnproben auf K.O.-Mittel analysiert werden. Ein besonderer Vorteil der Gewaltambulanz liegt in der datensparsamen Vorgehensweise: Es wird keine e-Card benötigt, und die Untersuchung scheint in keiner elektronischen Gesundheitsakte auf. „Das kann für viele Betroffene ein entscheidender Faktor sein, sich überhaupt auf den Weg zu machen“, betont Stolz. „Eine medizinische Behandlung erfolgt bei uns jedoch nicht“, stellt sie klar. „Liegt eine behandlungsbedürftige Verletzung vor oder betrifft der Fall eine minderjährige Person, wird die Untersuchung in einer Krankenanstalt durchgeführt – begleitet durch unsere Ärztin.“

Schulungen für das Gesundheitssystem

Zum Team der Untersuchungsstelle gehören allgemeinmedizinische Ärztinnen, eine Psychologin sowie zwei administrative Mitarbeiterinnen. Die fachliche Leitung liegt bei einer Fachärztin für Gerichtsmedizin. „Alle Ärztinnen wurden spezifisch gerichtsmedizinisch geschult und nehmen regelmäßig an Fortbildungen und Supervision teil“, so Stolz. Darüber hinaus bietet die Gewaltambulanz Schulungen für externes Gesundheitspersonal an – insbesondere zur korrekten Verletzungsbeschreibung, Fotodokumentation und Spurensicherung. „Hier sehen wir enormes Potenzial, um auch außerhalb unserer Einrichtung die Qualität der Gewaltopfer-Dokumentation im Gesundheitssystem zu stärken“, ergänzt sie. Ein zentraler Erfolgsfaktor sei die enge Vernetzung mit Polizei, Justiz und Opferschutzeinrichtungen. Diese Akteure können Betroffene an die Gewaltambulanz weiterverweisen und sichern eine lückenlose Betreuungskette. „Unser Ziel ist es, Betroffenen möglichst rasch jene Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen – unabhängig davon, ob sie bereits Anzeige erstattet haben oder sich noch unsicher sind“, unterstreicht Stolz. Die Gewaltambulanz in Wien sei ein weiterer wichtiger Schritt, um Gewalt sichtbar zu machen und Betroffenen ebenso wie dem Rechtsstaat verlässliche Strukturen zu bieten.

Titelbild: Medizinische Universität Wien/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Foto Katharina Stolz: MedUni Wien/Matern

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