Eine Studie vergleicht erstmals chirurgischen Klappenersatz und minimalinvasive Klappentransplantation mittels Kathetern speziell bei Frauen. Je nach Alter und Risikoprofil der Patientinnen haben die Methoden Vor- und Nachteile.
Mehr Frauen als Männer leiden unter schwerer Herzinsuffizienz aufgrund einer Klappenverengung, in Studien waren sie aber bisher durchwegs unterrepräsentiert. Das europäische RHEIA-Projekt ist weltweit die erste großangelegte Vergleichsstudie von unterschiedlichen Behandlungsansätzen für einen Klappenersatz mit einem gendermedizinischen Fokus. Im European Heart Journal sind die Ergebnisse nach zwölf Monaten Beobachtungszeit erschienen. Sie liefern Behandler*innen eine fundierte Grundlage für eine differenzierte Wahl der Methode, sagt Nikolaos Bonaros von der Universitätsklinik für Herzchirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck.
Bisher war unklar, welche Option speziell für Frauen besser geeignet ist – chirurgischer Klappenersatz oder Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Im Rahmen der RHEIA-Studie erhielten insgesamt 420 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren an 48 Zentren einen Klappenersatz. Die Hälfte wurde chirurgisch, die andere Hälfte mit TAVI behandelt. Die Zuordnung erfolgte randomisiert mittels Zufallsgenerator. In Innsbruck wurden 17 Patientinnen behandelt, österreichweit waren es 63.
Nikolaos Bonaros (stv. Direktor, Univ.-Klinik für Herzchirurgie), Bernhard Metzler (stv. Direktor, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Angiologie und Kardiologie), Lukas Stastny (Univ.-Klinik für Herzchirurgie), Axel Bauer (Direktor, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Angiologie und Kardiologie), Michael Grimm (Direktor, Univ.-Klinik für Herzchirurgie) v.l. vom Team der RHEIA Studie an der Medizin Uni Innsbruck
Herzmodell mit künstlicher Herzklappe
Portrait Nikolaos Bonaros
Die Resultate nach zwölf Monaten Beobachtungszeit zeigen, „dass beide Methoden exzellent für Frauen sind“, sagt Nikolaos Bonaros. Sowohl die Operation als auch die Katheter-Intervention können mit einem minimalen Risiko durchgeführt werden. Das Mortalitätsrisiko innerhalb von 12 Monaten liegt bei 0,9 Prozent, die Wahrscheinlichkeit, während oder kurz nach dem Eingriff einen Schlaganfall zu erleiden, bei drei Prozent.
Bei der Zahl der Wiederaufnahmen in die Klinik ergaben sich Unterschiede. Nach einem chirurgischen Eingriff mussten 11,4 Prozent der Frauen im ersten Jahr neuerlich im Krankenhaus behandelt werden. Demgegenüber schnitt TAVI mit 4,8 Prozent Wiederaufnahmen besser ab. „Dieses Ergebnis war erwartbar. Eine Operation ist eine größere Manipulation am Gewebe, der Körper reagiert unmittelbar danach. Mehr Frauen hatten Pleuraergüsse oder Herzrhythmusstörungen, die gut behandelbar sind. Für die Patientinnen bedeuten diese wiederholten Krankenhausbesuche, auch wenn sie nur in den ersten Wochen nach dem Eingriff stattfinden, jedoch eine Einschränkung der Lebensqualität“, erklärt Bonaros.
Nach einer TAVI-Intervention ist mit 8,8 Prozent häufiger eine Schrittmacher-Implantation notwendig als nach der Operation (2,9 Prozent). Die Funktion der Klappe in der Echokardiografie war für die chirurgischen Klappen besser. „Da TAVI über die alte, verkalkte Klappe gedrückt wird, ist sie nicht genau angepasst. Dadurch entsteht häufiger ein Rückfluss des Blutes. Die Prognose einer undichten Klappe, die nicht richtig schließt, ist schlechter. Dieses Ergebnis war nach der Operation besser“, erläutert der leitende Chirurg.
Diese ersten Ergebnisse des 1-Jahres-Überlebens von Patientinnen können Behandler*innen künftig bei den individuellen Abwägungen zur Wahl der Methode berücksichtigen. „Bei einer 70-jährigen Frau ohne Vorerkrankungen zählt, wie es ihr in den nächsten 15 Jahren geht. Man muss auf Langfristigkeit setzen und wird die klassische chirurgische Methode bevorzugen. Für eine Patientin, die älter ist, oder bereits Vorerkrankungen wie Schlaganfall, Diabetes, Adipositas hat oder immobil ist, wird TAVI die bessere Methode sein. Wir können die Vor- und Nachteile der Interventionen jetzt besser abgrenzen“, schließt Bonaros aus den Resultaten. Die Auswertungen der RHEIA-Studie sind noch nicht abgeschlossen. Aktuell werden die Ergebnisse für das Fünfjahres-Überleben erhoben. Relevant wird auch der Outcome beim Zehnjahres-Überleben sein.
Die Innsbrucker Universitätsklinik für Herzchirurgie war im Rahmen des Projekts für die Koordination der chirurgischen Eingriffe an allen teilnehmenden Zentren in Europa verantwortlich, die Universitätsklinik für Innere Medizin III (Kardiologie und Angiologie) für die TAVI-Koordination der beteiligten österreichischen Zentren. In Österreich waren auch die Medizinischen Universitäten Wien und Graz sowie das Klinikum St. Pölten an der europäischen Studie beteiligt
Fotos: © MUI/ D. Bullock; Titelbild: Nikolaos Bonaros zeigt das Modell eines Herzklappenersatzes; Bildergalerie: Nikolaos Bonaros (stv. Direktor, Univ.-Klinik für Herzchirurgie), Bernhard Metzler (stv. Direktor, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Angiologie und Kardiologie), Lukas Stastny (Univ.-Klinik für Herzchirurgie), Axel Bauer (Direktor, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Angiologie und Kardiologie), Michael Grimm (Direktor, Univ.-Klinik für Herzchirurgie) v.l. vom Team der RHEIA Studie an der Medizin Uni Innsbruck; Herzmodell mit künstlicher Herzklappe; Portrait Nikolaos Bonaros