
In Österreich sterben mehr Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als an Krebs. Telemedizinische Entwicklungen, die eine bessere Überwachung und zuverlässige Alarmierung im Notfall bieten, bedeuten einen großen Fortschritt.
Text: Birgit Weilguni
Mehr als 380.000 Menschen müssen in Österreich jährlich wegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung stationär aufgenommen werden. Die computergestützte medizinische Versorgung bei Herzschwäche und Rhythmusstörungen bedeutet einen erheblichen Fortschritt. Herzpatient*innen können mittels drahtloser Datenübermittlung medizinischer Messgeräte wie Herzschrittmacher konstant überwacht werden. Sobald die Werte auf eine kritische Veränderung oder Eskalation hindeuten, schlagen die Geräte Alarm und können so Leben retten.
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Pölzl, Koordinator des Expertenzentrums für Kardiomyopathie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III – Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Universität Innsbruck, ist einer der Telemedizin-Pioniere in der Kardiologie in Österreich und kennt den Stand der Dinge genau: „Wir sind nicht die Letzten aber auch nicht die Ersten im internationalen Vergleich. Telemedizin im Allgemeinen und Telekardiologie im Speziellen beginnt sich erst allmählich in Österreich zu etablieren. Das liegt zum Teil an der fehlenden personellen und apparativen Infrastruktur, zum Teil an der nur bedingt gelösten Frage der Kostenübernahme und sicherlich auch an der noch unzureichenden Awareness unter den Behandelnden. Für die Übertragung von Schrittmacherdaten gibt es bereits fixe Vereinbarungen mit den Kassen, für den Einsatz von Telemedizin in Versorgungsprogrammen gibt es Vereinbarungen mit der Kasse in einzelnen Bundesländern.“ Noch werden hierzulande weniger als fünf Prozent der Herz-Kreislauf-Patient*innen telemedizinisch betreut, schätzt der Experte.
Dabei liegen die entscheidenden Benefits klar auf der Hand: „Räumliche und zeitliche Ungebundenheit ist ein entscheidender Vorteil, denn Patient*innen müssen nicht zur Ärztin oder zum Arzt, sondern senden ihre Daten von zu Hause“, sagt Pölzl. Eine engmaschige Information über den Gesundheitszustand bedeutet, dass frühe Interventionen möglich sind, wie etwa eine Änderung oder Steigerung der Medikamente oder eine rasche Reaktion bei Schrittmacher- oder Rhythmusproblemen. Damit wird nicht nur die Sicherheit erhöht, sondern auch die Therapietreue und die Lebensqualität der Betroffenen werden verbessert.

Telemedizin reduziert definitiv den Aufwand ärztlicher Betreuung. Es kommt zu weniger Arztkontakten in den Ambulanzen und weniger stationären Aufnahmen.
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Pölzl
Fragen der Sicherheit tauchen bei digitalen Innovationen schnell auf, doch seien sie aktuell nicht relevant, so Pölzl: „Derzeit sind telemedizinische Programme keine Notfallprogramme, das heißt, es gibt in Österreich noch keine Einrichtung, die 24/7 auf übertragene Patientendaten reagiert.“ Leben können die Geräte dennoch schon jetzt retten, denn „bei einer drohenden oder manifesten Verschlechterung der bekannten Erkrankung oder beispielsweise bei einem Hinweis auf eine Batterieerschöpfung eines Schrittmachers kann die frühzeitige Intervention lebensrettend sein“.
Bei akuten Notfällen müssen Patient*innen nach wie vor in eine Notfallaufnahme gebracht werden oder die Notärztin bzw. den Notarzt rufen, aber durch die Alarmierung des digitalen Geräts ist die frühzeitige Intervention innerhalb von 24 Stunden wahrscheinlicher – und damit eine positive und lebensrettende Reaktion auf die Ursache des Notfalls.
Um die neuen telemedizinischen Techniken professionell einsetzen zu können, braucht es vor allem eine gute Weiterbildung für Ärztinnen und Ärzte. „Telemedizin ist in den Köpfen der meisten Kardiolog*innen noch nicht fest verankert. Die Awareness kann mit Fortbildungsveranstaltungen verbessert werden“, bestätigt der Kardiologe. „Wichtig ist natürlich auch die Etablierung von klar definierten Rahmenbedingungen einschließlich der monetären Entlohnung des Aufwandes.“
Der breite Nutzen steht dabei nämlich außer Zweifel. „Telemedizin reduziert definitiv den Aufwand ärztlicher Betreuung“, ist Pölzl überzeugt. „Es kommt zu weniger Arztkontakten in den Ambulanzen und weniger stationären Aufnahmen.“ Die Devices punkten dabei mit der ortsunabhängigen Einsetzbarkeit, die die ärztliche Betreuung nicht ersetzt, sondern ergänzt. Der Kardiologe nennt in diesem Zusammenhang HerzMobil Tirol, das Versorgungsprogramm für Patient*innen mit Herzschwäche, das auf Telemedizin setzt. Ein eigens programmiertes Smartphone mit spezieller Handy-App sorgt für die Übertragung der Gesundheitsparameter an das Betreuungsteam. Durch HerzMobil Tirol wird die Wiederaufnahmerate ins Krankenhaus aufgrund von Herzinsuffizienz rund um die Hälfte reduziert. Auch die Gesamtsterblichkeit ist deutlich gesunken.
Für die Zukunft erwartet der engagierte Mediziner eine verstärkte Nutzung patientenzentrierter telemedizinischer Versorgungstechnik von Herzpatient*innen. „Wenn die aktuelle Entwicklung noch etwas Fahrt aufnimmt, ist es denkbar, dass sich in fünf Jahren ein breites – vielleicht noch nicht flächendeckendes – Netz entwickelt“, hofft Pölzl abschließend.
Fotos: Titelbild (c) LIV Tirol/Berger; Porträtbild: © Tirol Kliniken