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Schneller altern bei Hitze

Innovation & Forschung
International

Je mehr heiße Tage Menschen erleben, desto schneller altern sie auch biologisch, um viele Monate. Das zeigen eine Studie aus Los Angeles und aktuelle Daten aus München.

Text: Karin Lehner

Dass Sonnenstrahlen Menschen alt aussehen lassen, ist bekannt. Vorbei sind auch die Zeiten, als gegerbte Haut Inbegriff von Jugend und Schönheit galt, denn UV-Licht fördert neben Bräune auch Falten und das Hautkrebsrisiko. Doch bei Hundstagen altert weit mehr als nur die äußere Hülle. Das zeigt eine neue Studie rund um die Gerontologinnen Eun Young Choi und Jennifer Ailshire der University of Southern California in Los Angeles.

Anhand der Datenauswertung von 3.686 über-55-jährigen US-Amerikaner*innen wies das Team nach, dass hohe Außentemperaturen das biologische Altern von Menschen erheblich beschleunigen. Dafür erfassten Choi und Ailshire, an wie vielen Tagen es an den Wohnorten der Studienteilnehmer*innen in den Jahren 2010 bis 2016 besonders heiß war. Dann untersuchten sie anhand von Blutproben, wie weit die biologische Uhr der Proband*innen vorgerückt war, im Vergleich zu ihrem wahren Lebens-alter. Die beiden Altersforscherinnen berichten in „Science“: „Unsere Ergebnisse zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen mehr Hitzetagen und beschleunigter epigenetischer Alterung, besonders für längerfristige Zeiträume. Je mehr Hitzetage Menschen durchleben, desto stärker ist dieser Effekt.“

Dr.in Alexandra Schneider, MPH, leitet am Institut für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München die Arbeitsgruppe Environmental Risks und forscht selbst an der epigenetischen Uhr. Sie ist ein biochemischer Test zur Bestimmung des Alters, untersucht den DNA-Methylierungs-Grad und misst die Akkumulation von Methylgruppen an DNA-Molekülen. Dies reguliert, wie Gene exprimiert werden. „Stress, Krankheit, Ernährung, Lebensstil und eben Temperatur beeinflussen den Prozess, mit epigenetischer Altersbeschleunigung als Folge.“ Das ist die Diskrepanz zwischen dem auf DNA-Methylierung basiertem biologischen Alter und dem chronologischen. Laut Schneider wurde das „schon bislang mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko in Verbindung gebracht“. Zum Beispiel für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Tod.

Beunruhigende Nachrichten in Zeiten des Klimawandels, angesichts zunehmender Hitzeperioden, die die Sterblichkeit nach oben treiben. Eine europäische Studie errechnete mittels Heat-Mortality-Modeling für Österreich 2023 486 Hitzetote. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Österreich im Schnitt zwei Hitzetage pro Jahr. Heute sind es etwa 15. Schätzungen prophezeien, dass sich dieser Wert bis 2030 nochmals verdoppeln und bis Ende des Jahrhunderts auf rund 50 Tage pro Jahr steigen könnte. Die Anzahl der Hitzewellen könnte von aktuell 5 auf 15 pro Jahr zunehmen..

Expertin

Eine achtwöchige Hitzeperiode führte zu einer Alterung zwischen zwei und zwölf Jahren.

Dr.in Alexandra Schneider, MPH

Leiterin der Arbeitsgruppe Environmental Risks am Institut für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München

Ein Team um Schneider publizierte schon vor zwei Jahren die weltweit erste Studie in punkto Hitze und epigenetisches Altern. Dafür suchte es bei rund 3.500 Personen aus der Region Augsburg mit fünf Messmethoden nach Anzeichen für beschleunigte Alterung. Die Ergebnisse deuten in die gleiche Richtung wie die aktuelle US-Studie. „Je nach Messmethode, führte eine achtwöchige Hitzeperiode zu einer Alterung zwischen zwei und zwölf Jahren. Auch wenn die Temperaturen nur vier Wochen lang hoch waren, rückte die biologische Uhr deutlich vor“, bilanziert Schneider.

Die neuen US-Ergebnisse bestätigen die Erkenntnis: Teilnehmer*innen, die in Gebieten wie Phoenix in Arizona logieren, in denen die Hälfte des Jahres Hitzetage über 32 Grad auftreten, erlebten bis zu 14 Monate zusätzlicher biologischer Alterung im Vergleich zu denen, die in Gebieten mit weniger als zehn Hitzetagen pro Jahr wohnen. Die Korrelation blieb auch dann bestehen, wenn Faktoren wie Ethnie, Einkommen und Lebensstil berücksichtigt wurden. Der Zusammenhang zwischen Hitzetagen und beschleunigter Alterung zeigt sich laut Choi und Ailshire schon nach relativ kurzer Zeit, nach sieben Tagen beziehungsweise ein bis zwei Monaten. Allerdings fiel hier das Ausmaß vorzeitiger Alterung deutlich geringer aus als bei längeren Zeiträumen. „Das deutet darauf hin, dass hitzebedingte epigenetische Veränderungen relativ schnell eintreten und sich im Laufe der Zeit akkumulieren können.“

Auch die Psyche schwitzt

Wie genau Hitze zu vorzeitiger Alterung führt, untersuchten Choi und Ailshire nicht. Frühere Studien an Mäusen zeigen jedenfalls, dass übermäßige Hitze zu einer Hyper-Methylierung in DNA-Bereichen führt, die mit Stressreaktionen der Skelettmuskulatur und der Unterdrückung des Immunsystems in Verbindung stehen. Solche Veränderungen können körpereigene Entzündungsreaktionen befeuern, die wiederum die Alterung beschleunigen.

Der Aufenthalt in einem Gebiet mit langanhaltender Hitze könne laut den US-Gerontologinnen zudem die psychosoziale Situation und das Gesundheitsverhalten einer Person beeinflussen, die eng mit dem Altern zusammenhängen. „So kann eine anhaltende Exposition gegenüber hohen Temperaturen Stress und Unruhe verstärken, aufgrund von häufigen Schlafstörungen und körperlichem Unwohlsein, und die allgemeine körperliche Aktivität verringern. Dies kann ebenfalls zu einer schnelleren Verschlechterung der Gesundheit im Alter beitragen.“

Schneider überraschen die Ergebnisse der US-Kolleginnen nicht. „Sie deuten darauf hin, dass epigenetische Alterungsbeschleunigung einen Prozess darstellt, der zu den oft beobachteten Assoziationen zwischen hoher Lufttemperatur und Mortalität beziehungsweise altersbedingten Krankheiten beiträgt Das eröffnet einen neuen pathophysiologischen Weg auf dem Gebiet der Wetter-, Klima- und Gesundheitsforschung.“

Das Münchner Team zeigte in einer weiteren Studie, dass eine höhere tägliche Lufttemperatur mit kürzerer Telomerlänge in den Leukozyten assoziiert ist. „Telomere sind grundlegend für die Zellteilung und verkürzen sich nach jeder Runde“, erklärt Schneider. Die Länge der Leukozyten-Telomere sei „ein potenzieller Biomarker für biologische Alterung“. Ihre Verkürzung wird mit einer zunehmenden Zahl altersbedingter Erkrankungen in Verbindung gebracht, Schlaganfällen wie Krebs.

Fotos: Titelbild © Freepik; Expertinnenbild © Helmholtz Munich/Matthias Tunger Photodesign

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