Präsentation der Krebsvorsorge-Kampagne der SVS, Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe; Priv.-Doz. Dr. Eva Hilger, Chefärztin der SVS und Peter Lehner, Obmann der SVS, © APA Fotoservice, Stefan Csaky
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„Jeder in Prävention investierte Euro rechnet sich“

Gesundheitspolitik
Personen & Porträts

SVS-Obmann Peter Lehner setzt auf den Wandel vom Reparatur- zum Präventionssystem. Die Vorsorge-Transformation ist ein entscheidender Eckpfeiler für die Zukunft des Gesundheitssystems.

Interview: Birgit Kofler

Die SVS gilt als Vorreiterin beim Thema Prävention unter den Sozialversicherungsträgern. Sind Sie zufrieden mit dem, was sich im Regierungsprogramm zu diesem Themenbereich an Ansagen findet? Welche konkreten Maßnahmen wünschen Sie sich von der Politik?

Prävention kann nicht in einem Regierungsprogramm beschlossen werden. Prävention ist in allererster Hinsicht eine Aufgabe der Gesellschaft und jedes Einzelnen. Sozialversicherung ist keine Vollkasko-Versicherung. Man bekommt keinen neuen Körper, wenn man seinen „zu Schrott gefahren hat“. Die Vorsorge-Transformation ist einer der entscheidenden Eckpfeiler der Zukunft unseres Gesundheitssystems. Die SVS hat schon früh die Weichen Richtung Prävention gestellt. Wir investieren massiv in Vorsorge. Wir haben das Angebot und wir schaffen die Anreize.

Sie haben als SVS den Weg der Transformation vom „Reparatursystem“ zum „Präventionssystem“ eingeschlagen. Welche systemischen Hürden mussten Sie dabei überwinden, und welche bestehen nach wie vor?

Zum einen ist Prävention nicht der gesetzliche Auftrag der Sozialversicherung. Dennoch ist sie einer unserer Schwerpunkte. Wir legen viel Wert darauf, ein ausgeglichenes Budget zu haben, damit wir für diesen Wandel Mittel haben. Die größte Herausforderung ist die immer stärker fehlende Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Über 50 Prozent der chronischen Krankheiten sind lebensstilbedingt. Das heißt, mit dem richtigen Lebensstil kann ich gesund bleiben, gesund werden. Wir brauchen das Selbstverständnis, dass die Menschen sich wieder für ihre Gesundheit und ihre gesunden Lebensjahre selbst verantwortlich fühlen und es nicht an den Staat, die Sozialversicherung „auslagern“.

Peter Lehner © Lukas Ilgner

Prävention ist in allererster Hinsicht eine Aufgabe der Gesellschaft und jedes Einzelnen. Sozialversicherung ist keine Vollkasko-Versicherung.

Peter Lehner

Obmann der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS)

Sie setzen beim Thema Gesundheitsförderung, Prävention und Vorsorge in der SVS stark auf positive Anreize, auch finanzieller Natur. Auf Basis welcher Evidenz haben Sie sich für diese Strategie entschieden? Erweist sie sich als erfolgreich?

Jeder in Prävention investierte Euro rechnet sich. Um das Beispiel der chronischen Krankheiten zu nehmen: Wenn 50 Prozent Lebensstil bedingt sind, „erspare“ ich mir 50 Prozent der Kosten. Und das fängt bei Bluthochdruck an, geht über Diabetes oder TBC bis zu Krebs. Die Evidenz für Prävention ist gewaltig.

Bei den Präventionsinitiativen wie „Gemeinsam geimpft“, „Gemeinsam vorsorgen“ und „Gemeinsam lächeln“ hat die SVS jeweils 100-Euro-Boni eingesetzt. Wie hat sich die Teilnahme in den verschiedenen Programmen entwickelt? Gibt es Unterschiede in der Wirksamkeit dieser Maßnahme – je nach Präventionsbereich?

Die Resonanz ist ganz unterschiedlich – wie die Initiativen selbst. Sie zahlen aber alle in das selbe Ziel ein: Wir wollen Prävention stärken und den Präventionsgedanken nachhaltig verankern. Wir haben 2022 mit „Geimpft gesünder“ gestartet. Unsere Versicherten haben sich mit ihrem Impfstatus auseinander gesetzt. „Hab ich alle empfohlenen Impfungen?“, „Wann war ich zuletzt Zecken impfen?“ etc. Wir zählten 23.500 Teilnehmer. Unsere bislang größte Aktion war „Gemeinsam Vorsorgen“. 2023 sind 236.000 Versicherte zur Vorsorgeuntersuchung gegangen. Das war eine Steigerung von 50 Prozent. Und die Zahl der der Vorsorgeuntersuchungen war auch im Jahr 2024 höher als vor der Aktion. Wir können davon eine echte Nachhaltigkeit der Maßnahme ablesen.

Sie haben einmal angemerkt, dass es „finanztechnisch klüger ist, etwas voraus in die Vorsorge zu investieren, um später in der Therapie zu sparen.“ Können Sie konkrete Daten nennen? Lässt sich der Zeithorizont abschätzen, bis sich Präventionsmaßnahmen finanziell amortisieren?

Das kann man nicht über einen Kamm scheren, da Vorsorge ganz vielschichtig ist und kurz-, mittel- und langfristig wirkt. Man kann im Dezember Grippe impfen gehen und im Jänner eine Grippeinfektion vermeiden. Bei einer Koloskopie wird ein Polyp entfernt – wäre daraus Krebs entstanden? Das ist möglich. Eine Darmkrebserkrankung kann so gänzlich verhindert werden.

Für 2025 liegt der Vorsorgeschwerpunkt der SVS bei der Initiative „Gemeinsam gegen Krebs“. Nach welchen Kriterien bewerten Sie den Erfolg eines solchen Programms? Gibt es andere Kriterien jenseits der Teilnahmezahlen?

Erfolg ist einerseits die Teilnahmezahl, aber auch andererseits die Bewusstseinsschaffung. Vielleicht ist das der Anstoß, „endlich einmal zum Urologen zu gehen“. Wenn dieser Anstoß dann in den Folgejahren zur Routine wird, dann haben wir alle gewonnen.

Das Thema Digitalisierung gehört zu den wesentlichen Zukunftsthemen im Gesundheitsbereich. Welche konkreten digitalen Tools setzen Sie bereits für Prävention ein, und welche Potenziale sehen Sie in diesem Bereich noch?

Die digitale Transformation und neuen Technologien haben die Kraft und die Möglichkeiten, langfristig unser strapaziertes Gesundheitssystem zu stabilisieren und zu stärken. Dazu braucht es aber die Akzeptanz und das Commitment der Stakeholder. Bei der Elga-Einführung war die erste Diskussion, „Wie funktioniert Opt Out?“ und nicht, „Wie kann Elga Leben retten?“ Wir müssen den Fokus auf den Nutzen richten. Die Einsatzgebiete der Zukunft sind heute noch gar nicht alle abschätzbar. Um ein paar aktuelle Beispiele zu nennen: Wir nutzen digitale Tools zur Tele-Reha-Nachsorge, wir haben ein Herzschrittmacher-Telemonitoring im Einsatz, ebenso ein Bluthochdruck-Telemonitoring, etc.

Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie könnte das österreichische Gesundheitssystem in 10 Jahren aussehen, wenn Ihre Vision eines präventionsorientierten Systems Wirklichkeit würde?

Ich wünsche mir Versicherte mit einer hohen Gesundheitskompetenz und eine Steigerung der gesunden Lebensjahre – davon profitiert das System und vor allem jeder Einzelne.

Zur Person

Peter Lehner ist Obmann der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS). Er hat als Vorsitzender der Überleitungskommission maßgeblich die Fusion von SVA und SVB gestaltet. 1969 in Wels geboren, war Peter Lehner zuvor Obmann-Stellvertreter der Pensionsversicherungsanstalt (PV) und Mitglied der Trägerkonferenz des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Lehner war zudem von 2009 bis 2021 Stadtrat für Wirtschaft und Stadtentwicklung in seiner Heimatstadt Wels. Der Unternehmer war von 2003 bis 2005 Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft.

Fotos:
Titelbild: Präsentation der Krebsvorsorge-Kampagne der SVS, Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe; Priv.-Doz. Dr. Eva Hilger, Chefärztin der SVS und Peter Lehner, Obmann der SVS, © APA Fotoservice, Stefan Csaky; Bild zum Zitat: Peter Lehner, © Lukas Ilgner

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