
Der Klimawandel erhöht die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen, zugleich ist der Gesundheitssektor selbst Emittent. Daher wird Klimakompetenz für Gesundheitsberufe unverzichtbar. Die GÖG bietet Fortbildungen zum Thema.
Text: Karin Lehner
Durch den Klimawandel wird es ungemütlich. Die Sommer werden immer heißer, weil Hitze-perioden länger andauern. Damit fühlen sich auch exotische Steckmücken wohl, die Krankheiten wie das West-Nil-Virus übertragen. Aber auch Zecken haben Hochsaison, Stichwort Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Borreliose. Hohe Nachttemperaturen können zu Schlafmangel und psychologischen Stressreaktionen führen. Große internationale Übersichtsarbeiten zeigen unter anderem, dass schon kleine Temperaturanstiege das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle messbar erhöhen.
Klima und Gesundheit hängen eng zusammen. Das beweisen auch österreichische Daten. Erstmals deutlich sichtbar wurden die Wechselwirkungen im Rahmen der großen europäischen Hitzewelle 2003. Mittlerweile gilt der Klimawandel als größtes globales Gesundheitsrisiko des 21. Jahrhunderts. Bereits ein Drittel aller Österreicher*innen fühlt sich laut einer repräsentativen Online-Erhebung aus 2024 dadurch bedroht.
Der Klimawandel hat nicht nur negative Auswirkungen auf Menschen, sondern auch auf das Gesundheitssystem. Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Katharina Brugger ist Senior Health Expert in der Abteilung Klimaresilienz und One Health im Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Sie spricht von einer doppelten Herausforderung. „Der Klimawandel erhöht die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen, weil beispielsweise die Anzahl an Rettungseinsätzen aufgrund von hitzebedingten Beschwerden zunimmt. Das verursacht zusätzlichen Druck auf ohnehin bereits ausgelastete Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.“
Letztere sind zugleich auch relevante Emittenten von Treibhausgasen. Laut einer Studie der Wiener Universität für Bodenkultur ist das Gesundheitssystem für sieben Prozent des gesamten österreichischen CO2-Fußabdrucks verantwortlich. Die WHO begegnet der Entwicklung mit ihrer Climate-Smart-Healthcare-Strategie. „Hier geht es um die Verbreitung des Wissens rund um das Problem und das Verstehen der Prinzipien dahinter“, erläutert Brugger. „Welche Folgen hat das Klima auf uns, und welche haben wir auf das Klima?“

Der Klimawandel erhöht die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen. Und damit Zusatzdruck auf das ausgelastete System.
Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Katharina Brugger
Das Ausmaß gesundheitlicher Klimawandelfolgen hängt davon ab, wie gut das System Menschen schützen kann. „Doch dafür braucht es den Aufbau und die Stärkung der gesundheitsbezogen Klimakompetenz“, folgert Brugger. Wichtig seien zum Beispiel verstärkte Digitalisierungsprozesse zur Abfederung von Hitzewellen, das Finden und Verstehen von Informationen sowie Treffen informierter Entscheidungen. Wie kann die individuelle Gesundheit gefördert und gleichzeitig das Klima geschützt werden? Zu Letzterem tragen beispielsweise alle bei, die mit dem Rad statt Auto in die Arbeit fahren.
Die Folgen des Klimawandels sind aber längst kein abstraktes Thema mehr. Mitarbeiter*innen im Gesundheitssystem spüren die Auswirkungen in ihrer täglichen Arbeit besonders stark, durch die zunehmende Anzahl von Patient*innen ebenso wie am eigenen Leib. „DGKP und Ergotherapeut*innen müssen bei hoher Temperatur teilweise körperlich fordernde Arbeit leisten. Und die Belastung wird aufgrund immer häufiger auftretender und länger anhaltender Hitzewellen immer größer.“
Also bietet die Abteilung Klimaresilienz und One Health der GÖG Unterlagen wie Handbücher und Broschüren sowie Weiterbildungen an, um professionelles Handeln im Sinne der Klimaresilienz zu fördern. Inhaltlich geht es um Strategien zur Stärkung des Gesundheitssystems und präventive Maßnahmen zum Schutz von Menschen wie Umwelt. Was kann getan werden, um die Folgen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten? „Das Interesse ist bei jungen Menschen besonders groß. Hier besteht großer Informationsbedarf“, erklärt Brugger.
Laut einer Umfrage wünschen sich mehr als 60 Prozent aller Menschen klimakompetente Ansprechpartner*innen im Gesundheitssystem. Viele Angehörige von Gesundheitsberufen haben bereits die Planetary Health Charta 2030 unterzeichnet, einen strategischen Handlungsrahmen zur Stärkung der Klimakompetenz im Gesundheitswesen. Der Prozess wurde laut Brugger nicht von oben aufgesetzt, sondern war ein Anliegen von Medizin und Pflege. „Das Bewusstsein zur Stärkung der Klimaresilienz im Gesundheitswesen ist da.“
Fotos: Titelbild Freepik; Expertinnenporträt © GÖG/Ettl