Die interventionelle Radiologie spielt eine zentrale Rolle in der modernen, patient*innenorientierten Diagnostik und Therapie. Dank präziser Einblicke ins Körperinnere und einer rasanten methodischen Weiterentwicklung sind heute maßgeschneiderte, bildgesteuerte Therapien möglich. „Insbesondere für Krebspatient*innen verbessert sie die Heilungschancen und sichert eine bestmögliche Lebensqualität“, erklärt Radiologe Helmut Kopf im Gespräch mit INGO.
Text: Rosi Dorudi
Die interventionelle Radiologie, eine Spezialdisziplin der Radiologie, hat sich neben der Inneren Medizin und den chirurgischen Fächern als wichtige Säule in der Behandlung zahlreicher Erkrankungen etabliert. „Sie bietet minimal-invasive, bildgesteuerte Eingriffe, die eine präzise und schonende Ergänzung oder Alternative zu herkömmlichen Behandlungsmethoden darstellen“, erklärt Oberarzt Dr. Helmut Kopf, MSc, Facharzt für Radiologie und Standortleiter am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien. Digitale Röntgendurchleuchtung sowie bildgebende Verfahren wie Computertomographie, Magnetresonanztomographie und Ultraschall unterstützen interventionelle Radiolog*innen bei der Planung, Durchführung und Kontrolle operativer Eingriffe und ermöglichen eine punktgenaue Orientierung während des Eingriffs. „Mit dieser Technik können wir in Absprache mit unseren klinischen Fachkolleg*innen maßgeschneiderte Behandlungen für eine Vielzahl von Erkrankungen anbieten“, so der Experte. „Bei Gefäßerkrankungen beispielsweise setzen wir die sogenannte perkutane Angioplastie ein, um arteriosklerotische Gefäßverengungen aufzudehnen. Im Bereich der Tumorbehandlung ermöglichen Verfahren wie die transarterielle Chemoembolisation oder die Thermoablation eine gezielte Lokaltherapie von Tumoren an inneren Organen, wie beispielsweise der Leber oder Niere. Auch in der Schmerztherapie können wir durch präzise bildgesteuerte Eingriffe effektiv Schmerzen lindern und so die Lebensqualität unserer Patient*innen deutlich verbessern.“
Hoffnung auf vollständige Heilung
Maßgeschneiderte Behandlungen schüren die Hoffnung auf bessere oder sogar vollständige Heilung bisher unbesiegbarer Krankheiten. „Wir bewegen uns immer mehr weg von streng abgegrenzten Fachdisziplinen hin zu einem Behandlungspfad, der sich stärker am Krankheitsbild und an den individuellen Bedürfnissen der Patient*innen orientiert. In diesem Kontext kann die interventionelle Radiologie einen entscheidenden Beitrag leisten“, erklärt Kopf. Ein konkretes Beispiel: Eine Patientin mit fortgeschrittenem Dickdarmkrebs und zahlreichen Lebermetastasen wandte sich an das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien, nachdem ihr als einzige Behandlungsmethode eine palliative Chemotherapie vorgeschlagen wurde. „Wir haben den komplexen Fall in unserem interdisziplinären Tumorboard – bestehend aus Expert*innen der Interventionellen Radiologie, Onkologie, Chirurgie, Strahlentherapie und Pathologie – eingehend besprochen“, so Kopf. „Um der Patientin eine Chance auf Heilung zu ermöglichen, entschieden wir uns, zuerst die Lebermetastasen gezielt anzugehen.“ Mittels Mikrowellenablation wurden zunächst drei Metastasen im linken Leberlappen zerstört, anschließend wurde durch zwei weitere interventionell-radiologische Verfahren, der sogenannten Pfortader-Embolisation und Lebervenendeprivation (LVD), der linke Leberlappen gezielt zum Wachstum angeregt. „Nach drei Wochen war der linke Lappen ausreichend gewachsen, sodass die chirurgische Operation des rechten Lappens mit Entfernung aller Metastasen erfolgreich durchgeführt werden konnte“, berichtet der Experte. Nach anschließender Entfernung des Tumors im Dickdarm sowie entsprechender onkologisch-medikamentöser Begleittherapie sei die Patientin mittlerweile fit und tumorfrei.
Wie an diesem Beispiel deutlich wird, spielen maßgeschneiderte Medizin insbesondere in der Onkologie eine zentrale Rolle. „Die Analyse genetischer, molekularer und zellulärer Merkmale von Tumoren und Metastasen wird den Bedarf an Gewebsproben sogenannten Biopsien in Zukunft weiter steigen lassen“, ist Kopf überzeugt. „Dank der Methoden der interventionellen Radiologie können bildgesteuerte Biopsien minimal-invasiv in nahezu allen Organregionen durchgeführt werden.“
KI-unterstütztes System
Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) macht die interventionelle Radiologie einen weiteren bedeutenden Fortschritt, der besonders der minimal-invasiven lokalen Krebsbehandlung zugutekommt. „Mit einem KI-unterstützten System können wir beispielsweise Lebertumore, die nur in der Magnetresonanztomographie (MRT) sichtbar sind, dank Bildfusion und stereotaktischer Navigation punktgenau behandeln und die Ergebnisse computergestützt überwachen“, erklärt Kopf. Die moderne Technologie standardisiert Behandlungsansätze, unterstützt fundierte Entscheidungen und ermöglicht eine präzise Beurteilung der Tumorzerstörung. „Damit markiert sie einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer sichereren, präziseren und individuelleren Patient*innenversorgung.“
Zur Person: Dr. Helmut Kopf, MSc, Facharzt für Radiologie Standortleiter am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien, ist seit 2009 Facharzt für Radiologie mit Spezialisierung in interventioneller Radiologie und High-End-Sonographie. Nach seinem Medizinstudium an der Medizinischen Universität Wien absolvierte er die Facharztausbildung an der Universitätsklinik Innsbruck und der Klinik Ottakring. Zusätzlich erwarb er einen postgradualen MSc-Abschluss in Medizinischer Informatik (UMIT - Tirol). Seit 2019 leitet er den Standort des Krankenhaus Barmherzige Schwestern Wien der radiologischen Abteilung (Vinzenz Gruppe) und absolviert derzeit ein MBA-Studium in Health Care Management an der Donau-Universität Krems. Dr. Kopf ist ein führender Experte in seinem Fachgebiet.
Foto: Helmut Kopf, (c) Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien