Moderne Anästhesie ist sicher und patientenzentriert. Anlässlich des Welt-Anästhesietages klärt die ÖGARI über verbreitete Mythen auf – von der Angst vor dem Aufwachen bis zum „Holzhammer“-Klischee.
Am Welt-Anästhesietag, der jährlich am 16. Oktober begangen wird, erinnert die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) an die bahnbrechende Entwicklung, die vor fast 180 Jahren begann: Am 16. Oktober 1846 führte William T. G. Morton in Boston die erste erfolgreiche Äthernarkose durch. Das war der Startpunkt einer Erfolgsgeschichte, ohne die chirurgische Eingriffe undenkbar wären.
„Unsere Aufgabe umfasst längst nicht mehr nur die Narkose während einer Operation, sondern den gesamten Behandlungsverlauf – von der Vorbereitung über die Durchführung bis zur Nachsorge“, erklärt Prim. PD Dr. Johann Knotzer, Vorstandsmitglied der ÖGARI und Leiter des Instituts für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Wels-Grießkirchen. Die Anästhesie hat sich mittlerweile zur zentralen Disziplin der perioperativen Medizin entwickelt. Besonders das interdisziplinäre Konzept der „Enhanced Recovery After Surgery“ (ERAS) verbessert den Behandlungsprozess erheblich. Patient*innen erwachen sanfter aus der Narkose, können bereits im Aufwachraum mit Atem- und Bewegungsübungen beginnen und profitieren von einer schnelleren, sicheren Genesung.
Unsere Aufgabe umfasst längst nicht mehr nur die Narkose während einer Operation, sondern den gesamten Behandlungsverlauf.
Prim. PD Dr. Johann Knotzer
„Die Anästhesiologie ist ein Zukunftsfach, das die Vision verfolgt, Mensch und Technik in Einklang zu bringen. Fortschrittliche Technik ist dabei nicht Selbstzweck, sondern dient immer dem Wohl und der Sicherheit der Patientinnen und Patienten«, betont Priv.-Doz. Dr. Michael Zink, Präsident der ÖGARI.
Die Anästhesiologie ist ein Zukunftsfach, das die Vision verfolgt, Mensch und Technik in Einklang zu bringen.
Priv.-Doz. Dr. Michael Zink
Auch Univ.-Prof.in Dr.in Judith Martini, Vorstandsmitglied der ÖGARI und 2. Stellvertretende Klinikdirektorin, Bereichsoberärztin Experimentelle Anästhesie an der Universitätsklink Innsbruck, unterstreicht: „Es ist uns wichtig, die oft unterschätzte Breite und Relevanz unseres Fachs sichtbar zu machen. Wir sind nicht nur ‚die im Hintergrund‘, sondern tragen entscheidend dazu bei, dass Operationen sicher verlaufen und Patient*innen optimal betreut werden – sei es durch perioperative Behandlungskonzepte oder ein modernes Schmerzmanagement.“
Es ist uns wichtig, die oft unterschätzte Breite und Relevanz unseres Fachs sichtbar zu machen.
Univ.-Prof.in Dr.in Judith Martini
Trotz der enormen Fortschritte der modernen Anästhesiologie halten sich in der Bevölkerung manche Vorurteile und Ängste rund um das Thema Narkose hartnäckig. Zu diesen klärt die ÖGARI aus Anlass des weltweiten Awareness-Tages auf.
Hier einige der Mythen im Überblick:
„Man wacht während der OP auf.“
Keineswegs: Dank modernster Überwachungsmethoden wie EEG oder Narkosegasmessung ist dies heute extrem selten.
„Ich wache vielleicht gar nicht mehr auf.“
Tatsächlich ist die Sterblichkeitsrate durch Narkose verschwindend gering – weit niedriger als bei alltäglichen Risiken wie Autofahren.
„Alle Narkosen machen abhängig.“
An dieser Vorstellung ist nichts dran. Anästhetika wirken nur während der Operation und verlassen rasch den Körper. Ein Suchtpotenzial besteht nicht.
„Nach einer Narkose ist man immer tagelang benommen.“
Das stimmt nicht: Moderne, kurz wirksame Medikamente sorgen dafür, dass Patient*innen schon kurz nach der OP wieder klar orientiert sind.
„Anästhesist*innen spritzen nur und sind dann während der OP nicht mehr da.“
Tatsächlich überwachen Anästhesist*innen kontinuierlich Herz, Kreislauf und Atmung – und sichern so das Leben der Patient*innen. Während der OP ist ein 1:1-Verhältnis Anästhesist*in zu Patient*in sichergestellt. Ohne Anästhesie wäre moderne Chirurgie nicht möglich.
„Ältere Menschen dürfen keine Narkose bekommen, das ist zu gefährlich.“
Auch bei hochbetagten Patient*innen ist eine Narkose in der Regel sicher möglich. Entscheidend ist die sorgfältige Voruntersuchung, eine individuelle Anpassung der Medikamente und die noch engmaschigere Überwachung. Alter allein ist kein Ausschlusskriterium.
„Die Narkose wirkt wie der Holzhammer.“
Das ist ein Missverständnis: Heute wird niemand durch die Narkose „ausgeschaltet“. Vielmehr ist sie ein sanft gesteuerter Schlafzustand, der genau dosiert und ständig überwacht wird.
Die Anästhesie sei ein dynamisches Fach, das High-Tech und Menschlichkeit verbindet, betont aus Anlass des Welt-Anästhesietages 2025 die ÖGARI und erinnert daran, dass sichere Narkosen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und patientenzentrierte Betreuung selbstverständlicher Standard sind.
Fotos: Titelbild © Freepik; Porträts: Prim. Zink © HF Pictures, Prim Knotzer © privat, Prof. Martini © MUI/Bullock