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Österreich
14.05.2019

Krankenhaus-Seelsorge muss zukunftsfähig werden

Finanzielle Kürzungen im Krankenhausbetrieb und der gesellschaftliche Wandel in Sachen Spiritualität stellen die konfessionelle Seelsorge vor neue Herausforderungen. Ein Experte zieht Bilanz und zeigt neue Ansätze auf.

„Das Krankenhaus ist ein Spiegel der Gesellschaft. So wie sich die Gesellschaft wandelt, verändern sich die Patienten“, sagt Prof. Dr. Michael Fischer, Professor an der Universität für Gesundheitswissenschaften (UMIT) in Hall in Tirol. Die Lebensanschauungen der Patienten seien vielfältiger und bunter geworden und somit auch weniger konfessionell geprägt. Eine Tendenz, dem auch die Krankenhausseelsorge in Zukunft verstärkt Rechnung tragen müsse, fordert der Experte.

Neue Ansätze in der Ausbildung

Zu den Aufgaben eines konfessionellen Seelsorgers gehört es, Menschen unabhängig von ihrer Weltanschauung zu begleiten. „Das tun sie auch heute schon. Aber in Zukunft wird das noch stärker der Fall sein“, sagt Fischer. Darauf müsse auch in der Ausbildung der Seelsorger verstärkt eingegangen werden. Neben einer soliden theologischen Basisqualifizierung soll vor allem ein Fokus auf praxisbezogene Ausbildung gelegt werden, in der die Studenten eigene Erfahrungen sammeln und reflektieren können. Angehende Seelsorger sollten zudem in der Lage sein, bestimmte unternehmerische Aufgaben zu erfüllen, wie die Bearbeitung ethischer Fragen oder die Mitgestaltung an einer christlichen Unternehmenskultur.

Als Pastoraltheologe und Leitbildkoordinator der St.-Franziskus-Stiftung Münster (Deutschland) setzt Fischer vermehrt auch auf die Ausbildung von ehrenamtlichen Seelsorgern und hat damit gute Erfahrungen gemacht. Dies sei aber an gewisse Voraussetzungen geknüpft, wie er betont. „Ehrenamtliche brauchen eine qualifizierte Ausbildung, sie müssen durch hauptamtliche Mentoren gut begleitet werden und sie dürfen nicht als Lückenbüßer für fehlende hauptamtliche Seelsorger eingesetzt werden.“

Rentabilität darf kein Maßstab sein

In kirchlichen Krankenhäusern gehört Seelsorge zum Selbstverständnis ihres Auftrags. Doch bei zunehmend finanziellem und personellem Druck in Krankenanstalten kann auch dieser Bereich leicht dem Rentabilitätsgedanken zum Opfer fallen. Eine Tendenz, vor der Fischer warnt.

„Die Seelsorge ist ein unentbehrlicher Teil der Patientenversorgung, unabhängig davon, ob sie sich finanziell auszahlt oder nicht. Der Mensch ist nun mal ein ganzheitliches Wesen und Krankheit berührt mehr als nur seine körperliche Dimension.“ Außerdem gebe es gesundheitsökonomische Forschungen, „die zu belegen versuchen, dass sich Seelsorge für ein Krankenhaus finanziell positiv auswirkt“, so seine Argumentation.

Seelsorge am Prüfstand

Fischer, der an der Uni in Hall in Tirol auch die Forschungseinheit „Qualität und Ethik im Gesundheitswesen“ leitet, findet es dennoch wichtig, dass auch für den Seelsorger-Bereich Qualitätskriterien eingeführt werden. Die Seelsorger müssten ihre eigene Arbeit vermehrt auf einen kritischen Prüfstand stellen. Dabei biete das Qualitätsmanagement viele gute Ansätze. „Diese Möglichkeiten sind von den Seelsorgern noch lange nicht ausgeschöpft“, so der Experte.

„Die Seelsorge ist ein unentbehrlicher Teil der Patientenversorgung, unabhängig davon, ob sie sich finanziell auszahlt oder nicht", betont Michael Fischer.

Als positives Beispiel nennt er die Seelsorger der Vinzenz Gruppe, die nach jedem Gespräch reflektieren: Ist mir das so gelungen, wie ich es ursprünglich wollte? „Sie haben für sich typische seelsorgliche Situationen definiert und hierfür Kriterien formuliert, an denen sie eine gelungene Begleitung festmachen können. Anhand dieser Kriterien gilt es sich selbst und als Team zu reflektieren.“

Spiritual Care als neue Disziplin

Aus der Tendenz, den Menschen ganzheitlich zu betrachten, hat in den letzten Jahren der Begriff Spiritual Care an Bedeutung gewonnen. Er ist nicht nur Thema ökumenischer Konferenzen, sondern mittlerweile auch zur wissenschaftlichen Disziplin geworden, die an einigen medizinischen Fakultäten in Europa gelehrt wird. In dieser neuen Disziplin überschneiden sich die Bereiche Medizin, Theologie und Krankenhausseelsorge.

Auch wenn im Grunde alle das Ziel haben, den Patienten in seiner Ganzheitlichkeit zu betrachten, gibt es auch Widerstände gegen diese neue Bewegung. Eine reflexhafte Abwehr sieht Fischer aber als den falschen Weg. „Vielmehr ist der Dialog und die Auseinandersetzung gefragt. Medizin, Pflege und Theologen müssen stärker miteinander ins Gespräch kommen. Der gemeinsame Blick auf den Patienten ist gefragt.

Text: Gertraud Gerst; Bild: www.pixabay.com

Michael Fischer, Prof. Dr.

Professor an der Universität für Gesundheitswissenschaften (UMIT) in Hall in Tirol

Michael Fischer ist Autor mehrerer Publikationen zum Thema, zuletzt erschien sein Buch „Relevanz in neuer Vielfalt. Perspektiven für eine Krankenhausseelsorge der Zukunft“ im CMZ-Verlag.

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