„Es ist höchste Zeit, das MAB-Gesetz zu evaluieren“
In der Diskussion um die angespannte Lage im Gesundheitssystem wird die Berufsgruppe der Ordinationsassistent*innen oft vergessen. Doch medizinische, technische und gesellschaftliche Entwicklungen, gepaart mit erhöhtem Arbeitsdruck, haben auch ihre Tätigkeit aufwändiger und komplexer gemacht. Im Medizinische-Berufe-(MAB-)Gesetz spiegle sich dies jedoch nicht wider, kritisiert der Berufsverband der ArztassistentInnen Österreich (BdA).
Im Gespräch mit INGO erklärt BdA-Präsidentin Elisabeth Hammer-Zach, warum es dringend eine umfangreichere Grundausbildung, bedarfsorientierte Weiterbildungen und eine Registrierpflicht für medizinische Assistenzberufe braucht.
Der BdA hat vor Kurzem ein umfangreiches Maßnahmenpaket von der Regierung gefordert. Wie ist die Situation der Ordinationsassistent*innen in Österreich und was sind die Anliegen des Berufsverbands?
Elisabeth Hammer-Zach: Die berufliche Situation der Ordinationsassistent*innen und auch die Anforderungen an sie sind höchst unterschiedlich, je nachdem in welchem Setting sie arbeiten oder ob es eine Allgemein- oder Fachärzt*innenpraxis ist. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie schlecht vernetzt sind. Daran schließt gleich eine unserer zentralen Forderungen an: die Aufnahme ins Gesundheitsberuferegister. Weil sie im Gegensatz zu Deutschland, der Schweiz und etlichen anderen europäischen Ländern nicht registriert sind, gibt es in Österreich auch keine validen Zahlen über die Anzahl der Ordinationsassistent*innen. Somit lässt sich weder die Relevanz unserer Berufsgruppe am heimischen Arbeitsmarkt erheben noch welche Rolle sie im Gesundheitswesen spielt. Es verunmöglicht zudem eine treffsichere Planung der Aus- und Weiterbildung sowie des Personaleinsatzes. Versorgungslücken können nicht erkannt werden.
Als Berufsverband, der vor mehr als 30 Jahren gegründet wurde, um die beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Ordinationsassistent*innen zu vertreten, ist uns deren Professionalisierung von jeher ein großes Anliegen. Und diesbezüglich stellen wir fest, dass es hier gerade in Zeiten wie diesen, in denen sich der Gesundheitsbereich dermaßen rasant weiterentwickelt, wieder einen großen Sprung nach vorne braucht. Neben der Aufnahme ins Gesundheitsberuferegister fordern wir daher auch, dass die Basisausbildung für unseren Beruf an die heutigen Berufsrealitäten angepasst wird und zugleich gesetzliche Grundlagen für standardisierte, bedarfsorientierte Fortbildungen geschaffen werden.
Warum sind die Ordinationsassistent*innen nicht im Gesundheitsberuferegister erfasst?
Zurzeit sind die medizinischen Assistenzberufe (MAB) hierzulande generell nicht erfasst. Das betrifft außer den Ordinationsassistent*innen auch beispielsweise Labor-, Röntgen-, Desinfektions- oder Obduktionsassistent*innen. Ein Antrag auf eine dementsprechende Änderung wurde schon vor einiger Zeit im Parlament eingebracht, aber wir sehen nicht, dass hier etwas weitergeht. Damit hinkt unser Land bei der Umsetzung eines EU-konformen Standards hinterher.
"Ordinationsassistent*in ist ein Gesundheitsberuf und kein Hilfsdienst, wie es hierzulande noch viel zu oft in den Köpfen der Menschen verankert ist."
Was sind die Vorteile einer Aufnahme in das Gesundheitsberuferegister?
Zum einen ist es eine Frage der Wertschätzung. Ordinationsassistent*in ist ein Gesundheitsberuf und kein Hilfsdienst, wie es hierzulande noch viel zu oft in den Köpfen der Menschen verankert ist. Wir wollen, dass dies anerkannt wird. Im Zuge einer Umfrage unter unseren Mitgliedern vor gut einem Jahr wünschten sich sämtliche Befragten die Aufnahme ins Gesundheitsberuferegister. Abgesehen davon bringt diese aber auch für alle anderen im Gesundheitssystem Vorteile: zum einen die bereits angesprochene Planbarkeit auf Basis valider Zahlen, zum anderen aufgrund des für die Registrierung notwendigen Qualifikationsnachweises mehr Sicherheit für die Patient*innen, in der Ordination einer kompetenten Person gegenüberzustehen. Ebenso käme die Legitimation den niedergelassenen Mediziner*innen entgegen, die die Ordinationsassistent*innen anstellen. Die Registrierung trägt auf jeden Fall dazu bei, das Niveau des Gesundheitsschutzes zu heben. Und da sie gemäß dem europäischen Standard erfolgen muss, macht sie nicht zuletzt die Mobilität der Arbeitnehmer*innen innerhalb Europas einfacher. In 14 EU-Ländern sind die medizinischen Assistenzberufe bereits registriert und deren Eignung und Qualifikation somit gewährleistet.
Der BdA fordert auch, die Ausbildung der Ordinationsassistent*innen zu verbessern. Warum?
Weil sie nicht mehr zeitgemäß ist. Gesellschaftliche Entwicklungen machen ja vor den niedergelassenen Praxen nicht Halt. Auch wir Ordinationsassistent*innen haben es durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung vermehrt mit Themen wie Demenz, Gebrechlichkeit, chronischen Krankheiten und Multimorbidität zu tun. Eine multikultureller werdende Bevölkerung erfordert zudem einen neuen Zugang in puncto Kommunikation. Einerseits weil es mehr sprachliche Hürden gibt, aber auch weil der Umgang mit Schmerz oder die Art und Weise, über Beschwerden zu berichten, in den unterschiedlichen Kulturen variieren kann. Dazu kommen Herausforderungen wie ein stark erhöhtes Patient*innenaufkommen und die Technisierung vieler Abläufe. All diese Dinge sollten bereits Teil der Grundausbildung sein, um die Ordinationsassistent*innen besser für die Zukunft zu rüsten. Zum Beispiel sollte es in Hinblick auf die Zunahme von Disease-Management-Programmen jederzeit möglich sein, mit neu hinzukommenden diagnostischen Programmen zu arbeiten. Es sollten grundsätzlich mehr digitale Skills vermittelt werden.
Abgesehen davon müssen Ordinationsassistent*innen nach der Ausbildung sehr flexibel sein, denn das Anforderungsprofil ihrer Arbeitgeber*innen ist ja sehr verschieden. Auf welches Fach ist die Ordination spezialisiert? Sollen sie fortan viele praktische Dinge durchführen wie etwa das Blutabnehmen oder lagern die jeweiligen Ärzt*innen dies aus beziehungsweise machen es lieber selbst? Wie groß ist die Praxis, aus welchen Professionen ist das Ordinationsteam zusammengesetzt? Diese Bandbreite an möglichen Settings sollte sich ebenfalls in einer längeren und fundierteren Grundausbildung spiegeln. Momentan macht die Basisausbildung insgesamt 610 Stunden aus, bestehend aus Basismodul, Theorie und Praxis. Wir finden, das ist angesichts der gestiegenen Anforderungen zu wenig. Und nicht zuletzt sind wir dafür, den Ordinationsassistent*innen im Zuge von bedarfsorientierter Fortbildung erweiterte Kompetenzen zu vermitteln, da dies eine bessere Unterstützung der niedergelassenen Ärzt*innen zur Folge hätte.
"Der BdA plädiert dafür, die zurzeit starren Kompetenzgrenzen zwischen den Gesundheitsberufen aufzuweichen."
Wie sollte eine solche Kompetenzerweiterung aussehen? Was dürfen die Ordinationsassistent*innen aktuell tun und was sollte noch dazukommen?
Ordinationsassistent*innen dürfen Blut abnehmen und Blutzucker- und Harntests machen. Da sie in niedergelassenen Ordinationen aber ohnehin immer unter ärztlicher Aufsicht agieren, finden wir, es sollte auch die Aufschulung in darüber hinausgehenden Kompetenzen ermöglicht werden. Etwa durch Inhalte wie Wundmanagement, die Verabreichung von Medikamenten mittels subkutaner Injektion, zum Beispiel um zu impfen, sowie die Vorbereitung und Verabreichung von Infusionen. Nicht als Muss, sondern als Option, wenn der Bedarf in der Ordination gegeben ist und die betreffenden Ärzt*innen das befürworten. Laut der zuvor erwähnten BdA-Mitgliederbefragung würde das im Ordinationsalltag von etwa 20 Prozent jener, die geantwortet haben, einen signifikanten Vorteil bedeuten. Es ist natürlich nicht nur eine Ausbildungsfrage, sondern auch eine der gesetzlichen Grundlagen – Stichwort MAB-Gesetz und MAB-Ausbildungsverordnung. Das MAB-Gesetz gibt es seit zehn Jahren, meine Vorgängerinnen im BdA haben daran mitgewirkt. Damals war es ein Fortschritt, aber mittlerweile entspricht es nicht mehr den aktuellen Bedarfen. Es ist also allerhöchste Zeit, es zu evaluieren. Der BdA plädiert dafür, die zurzeit starren Kompetenzgrenzen zwischen den Gesundheitsberufen aufzuweichen. Denn damit könnten Synergien im Gesundheitssystem geschaffen und genutzt werden, die zur nachhaltigen Sicherstellung einer qualitativ hochstehenden, effektiven und effizienten Gesundheitsversorgung für alle notwendig sind.
Wie sieht es zurzeit mit der Weiterbildung aus?
Momentan ist die Weiterbildung ein Fleckerlteppich aus diversen Vorträgen, Workshops und Seminaren, die sich die Ordinationsassistent*innen in Eigeninitiative zusammensuchen und absolvieren können. Veranstalter*innen sind unter anderem Spitäler, Pharmafirmen, die Ärztekammern oder auch wir vom BdA. Wir organisieren zum Beispiel regelmäßig Kongresse und Tagungen. Thematisch schließt das aber wie gesagt bestimmte Dinge wie etwa Wundmanagement aus, weil die derzeitige Grundausbildung nicht profund genug für derartige Aufschulungen ist. Erst eine umfangreichere Basis kann die Grundlage für bessere Weiterqualifizierungen sein. Entsprechende Änderungen müssen hier Hand in Hand gehen. In puncto Weiterbildung ist der BdA für eine konkrete Regelung zum Umfang der im MAB-Gesetz festgelegten Fortbildungsverpflichtung. Ordinationassistent*innen sollten eine gesetzliche Grundlage zur Weiterbildung bekommen, um die in der – wohlgemerkt erweiterten – Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß der GuK-Weiterbildungsverordnung vertiefen zu können.
Sie haben auch die technisch-digitalen Skills angesprochen. Bringt die Digitalisierung keine Erleichterung im Ordinationsalltag?
Doch, aber nicht von Beginn an. Zunächst bedeuten neu eingeführte Dinge meist eine Herausforderung. Bisher ist die Einführung von E-Card und E-Rezept eher chaotisch verlaufen. Es ist eine deutliche Mehrarbeit gewesen, bis diese tatsächlich im Ordinationsalltag integriert waren. Würde man schon in der Grundausbildung mehr Gewicht auf digitales Basiswissen legen, könnte man das sicherlich viel schneller bewältigen. Zumal ja auch immer mehr dazukommt.
Was motiviert die Ordinationsassistent*innen trotz der derzeitigen Defizite zu ihrem Beruf?
Laut unserer Mitgliederbefragung sind tatsächlich 90 Prozent trotz des gestiegenen Stresslevels grundsätzlich zufrieden mit ihrem Beruf. Natürlich gehört vieles verbessert. Neben unseren aktuellen Forderungen, über die wir hier gesprochen haben, wäre zum Beispiel noch die längst fällige Lohnanpassung in einigen Bundesländern zu nennen. Dennoch: Wir sind wesentlich für das Funktionieren einer Ordination verantwortlich, täglich nah an den Patient*innen, haben ein offenes Ohr für sie, managen den Betrieb und unterstützen die Ärzt*innen. Vorausgesetzt, die Kommunikation erfolgt auf Augenhöhe, ist das eine interessante und befriedigende Aufgabe.
Interview: Uschi Sorz; Fotos: Paul Hamm GmbH, www.depositphotos.com
Elisabeth Hammer-Zach, Mag.
Präsidentin des Berufsverbandes der ArztassistentInnen Österreich (BdA).
Die studierte Juristin hat 2010 das Sekretariat in einer Linzer Augenarztpraxis übernommen, danach die Ausbildung zur Ordinationsassistentin absolviert und ist seit 2015 in dieser Funktion dort tätig. Seit 2015 ist sie auch Landesvertreterin des Berufsverbands der ArztassistentInnen (BdA) in Oberösterreich. Darüber hinaus ist sie seit 2018 BdA-Präsidentin.