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Gesundheit
Österreich
02.08.2023

Ein Team für die Gesundheit

Primärversorgungszentren (PVZ) sind zum wichtigen Baustein im österreichischen Gesundheitssystem avanciert. Sie bieten den Menschen nicht nur eine Erstberatung und medizinische Grundversorgung, sie ermöglichen ihnen auch den persönlichen Zugangspunkt zu einer Vielzahl an Versorgungsleistungen. In Linz startete 2020 mit den „Hausärzten am Domplatz“ das erste PVZ der Stadt. INGO sprach mit dem Gründungsteam über die Entwicklungen der vergangenen Jahre und die aktuellen Herausforderungen. 

Der Ausbau der Primärversorgung markiert einen der wichtigsten Punkte der Gesundheitsreform 2014. Mittlerweile gibt es österreichweit 44 interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten – weitere sollen folgen. In Linz startete 2020 mit „Hausärzte am Domplatz“ das erste Primärversorgungszentrum der Stadt. Von der Prävention und Gesundheitsförderung über die Behandlung bis hin zur Rehabilitation ist hier alles aufeinander abgestimmt, denn das Team aus Spezialist*innen, Therapeut*innen und Pflegefachkräften arbeitet eng zusammen und tauscht sich für eine optimale Begleitung der Patient*innen kontinuierlich miteinander aus.Diese Zusammenarbeit ermöglicht damit einen umfassenderen Ansatz bei der Behandlung der Patient*innen.„Das PVZ-Modell ist vor allem für Nachwuchsärzt*innen eine attraktive Option, sich als Allgemeinmediziner*innen selbständig zu machen und dennoch in einem Team zu arbeiten“, erklärt Dr. Paul Schimmerl, einer der „Hausärzte am Domplatz“. Denn eine der Grundvoraussetzungen für die Eröffnung eines Primärversorgungszentrum sei die Zusammenarbeit von zumindest drei Allgemeinmediziner*innen. 

Erste Anlaufstelle bei medizinischen Problemen

Schimmerl startete das Projekt gemeinsam mit Katrin Einwagner, Herbert Forstner und Thomas Nenning. Mit ihrer Gemeinschaftspraxis übernahmen sie drei Vertragskassenstellen und reagierten damit auf den Hausärztemangel im Linzer Stadtzentrum. Die passenden Räumlichkeiten fanden sie im Ordensklinikum Linz, von dem sie wirtschaftlich und organisatorisch jedoch unabhängig arbeiten. „Vor dem Start unseres Gesundheitszentrums haben wir uns bestehende Einrichtungen in Enns, Marchtrenk und Haslach angesehen, um einen Einblick in das Versorgungsmodell zu bekommen und Erfahrungswerte zu sammeln“, erzählt Schimmerl. Jetzt kämen viele Jungärzt*innen zu ihnen, um Eindrücke und Zahlen aus erster Hand zu bekommen. „PVZs sind eine zunehmend wichtige Säule in der allgemeinmedizinischen Versorgung und bieten darüber hinaus eine attraktive Alternative zur Einzelpraxis“, sagt er. Die Hausärzt*innen fungierten als erste Anlaufstelle der Patient*innen und könnten rasch und unbürokratisch notwendige Therapien in die Wege leiten. Durch die Übernahme der Administration vom PVZ-Management bliebe zudem mehr Zeit für die Kernaufgaben. Die strukturierte Zusammenarbeit im Team erleichtere außerdem viele Arbeitsabläufe und ermögliche flexible Arbeitszeiten und auch Teilzeitarbeit, ergänzt Gründungsmitglied Katrin Einwagner. Die Allgemeinmedizinerin ist von Anbeginn im PVZ am Domplatz in Teilzeit tätig. Als Mutter zweier Kinder, schätzt sie die Flexibilität des Arbeitens. 

Herausforderung Terminmanagement

War der Start von „Hausärzte am Domplatz“ noch etwas holprig, ist der Andrang mittlerweile enorm. „Seit der Eröffnung im Oktober 2020 hat sich vieles geändert“, berichtet Einwagner. „Wir starteten im ersten Pandemieherbst. Damals war die Unsicherheit noch groß. Viele Menschen trauten sich aus Angst vor dem Corona-Virus nicht zu uns zu kommen.“ Mit Einführung der Impfung und der Verfügbarkeit von Schutzmaterialien sei die Anzahl der Patient*innen dann aber rasant angestiegen. „Nach wenigen Monaten waren über 2000 Personen in der Kartei registriert.“ Das fächerübergreifende Arbeiten zwischen Ärzt*innen, Therapeut*innen, Pflegekräften und Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe komme bei den Patient*innen gut an. Durch die erweiterten Öffnungszeiten haben diese zudem an allen Wochentagen Zugang zu medizinischer Betreuung. „Die größte Herausforderung liegt aktuell im Terminmanagement“, so Einwagner. Wie in allen Gesundheitseinrichtungen sei inzwischen die Nachfrage groß und die Zeit und Ressourcen knapp. „Wir sehen uns bald mit der Problematik konfrontiert, nicht mehr uneingeschränkt neue Patient*innen aufnehmen zu können. Deshalb wäre es auch im städtischen Gebiet sehr wichtig, alle Kassenstellen möglichst rasch zu besetzen.“

Vorteil interdisziplinäres Teamwork

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein wesentlicher Aspekt der Primärversorgungeinrichtungen, betont Mitgründer Thomas Nenning. Neben der medizinischen Betreuung umfasst das Leistungsspektrum der „Hausärzte am Domplatz“ die Bereiche Diätologie, Sozialarbeit und therapeutische Angebote wie Physio-, Ergo- und Psychotherapie. „Großer Vorteil für die Patient*innen sind hier nicht nur die kurzen Wege“, erklärt er, „durch den regelmäßigen Austausch der Spezialist*innen vor Ort können wir die Betroffenen bestmöglich und individuell versorgen. Auf diesem Weg lernen wir zudem viel voneinander und erweitern dadurch unseren medizinischen Wissensstand.“ Das Thema Fachkräftemangel sei im Gesundheitsbereich zwar allgegenwärtig, „bisher hatten wir aber immer Glück bei Nachbesetzungen und haben zeitnah sehr kompetentes Personal einstellen können“, erzählt Nenning. „Wir wissen aber durch den Kommunikationsaustausch mit externen Kolleg*innen, dass wir hier eine große Ausnahme darstellen. Es gibt nahezu überall Probleme, fachkundige Mitarbeiter*innen zu finden.“

Gutes besser gestalten

Nach nahezu drei Jahren Betrieb sind die Strukturen und Abläufe im Gesundheitszentrum am Domplatz gut eingespielt. Optimierungsansätze in einigen Bereichen gebe es aber dennoch, sagt Gründungsmitglied Herbert Forstner. „Wie in jedem Unternehmen gibt es auch bei uns das ein oder andere, das noch Verbesserungspotenzial hat. So arbeiten wir beispielsweise kontinuierlich daran, die internen Prozesse und Zuständigkeiten für unsere aktuellen, aber vor allem für unsere zukünftigen Mitarbeiter*innen klar verständlich zu dokumentieren und einfach abrufbar zu hinterlegen.“ Im Bereich der Gesundheitsförderung setzte das Team bisher stark auf individuelle Angebote und Hilfestellungen, was mitunter den Covid bedingten Kontaktregeln geschuldet war. „Zukünftig soll es aber hier auch Gruppenangebote bei der Gesundheitsförderung und der Vorsorgemedizin geben“, berichtet Forstner. „Im direkten Arzt-Patient*innenkontakt sehe ich vor allem noch Verbesserungspotenzial in der Überwindung der Sprachbarrieren mit rein fremdsprachigen, also weder deutsch- noch englischsprachigen Patient*innen.“ Obwohl bereits gute Übersetzungssysteme verfügbar seien, begrenze der zusätzliche Zeitaufwand aktuell noch deren Routineeinsatz. Forstner ist jedoch davon überzeugt, dass sich auch dies in naher Zukunft einspielen wird. 

Text: Rosi Dorudi

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